Bayreuth (dpa)

Pop, Rock und Gefühle: Veranstalter wollen volle Hallen

Cordula Dieckmann, dpa
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Von Cordula Dieckmann, dpa
| 15.07.2021 10:03 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 3 Minuten
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Bässe wummern durch den Körper, es ist eng, heiß und alle feiern - so war das auf Konzerten, früher. Jetzt geht das nur mit Abstand, Maske und wenig Publikum. Wie Veranstalter nun wieder loslegen wollen.

Nach Ansicht des Konzertveranstalters Semmel Concerts sollten Künstler ab September wieder in vollen Hallen und Konzertsälen auftreten können.

Geimpfte und Genesene sollten Veranstaltungen besuchen dürfen, ohne Abstand einzuhalten, sagte Geschäftsführer Dieter Semmelmann der Deutschen Presse-Agentur in Bayreuth. Sollte die Politik Menschen, die sich nicht impfen lassen wollen, nicht zulassen, „dann würden wir das für eine begrenzte Zeit mittragen“. Man dürfe die Branche nicht weiter auf null fahren, weil sich ein Teil der Bevölkerung nicht impfen lassen wolle. Menschen und Unternehmen müssten wieder eigenverantwortlich handeln können.

Semmel Concerts mit Hauptsitz in Bayreuth arbeitet mit Prominenten wie Elton John, Sarah Connor und Roland Kaiser. Semmelmann und andere fordern verlässliche Perspektiven, um Live-Auftritte gut vorbereiten zu können. Bis Ende Juli brauche die Branche eine Aussage, unter welchen Bedingungen Veranstaltungen ab dem 1. September möglich seien. Schließlich benötige man vor jeder Veranstaltung einen Vorlauf von mindestens vier bis sechs Wochen.

Doch gerade diese Sicherheit gibt die Politik nicht. Man könne keine allgemeingültige Aussage zu Perspektiven für Konzertveranstalter machen, erklärt ein Sprecher von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU). Für Regelungen der Corona-Schutzmaßnahmen und damit verbundene Öffnungsbeschränkungen und Verbote seien grundsätzlich die Länder zuständig. Und diese wichen in ihrer Ausgestaltung auch in Bezug auf Kulturveranstaltungen voneinander ab. „Hinzu kommt, dass Schutzmaßnahmen an den Verlauf des Pandemiegeschehens gekoppelt sind und auch insoweit keine belastbaren längerfristigen Aussagen möglich sind.“

Für die Veranstalter ist das wenig hilfreich. „Nach nunmehr anderthalb Jahren ohne Einnahmen und Perspektive ist wirklich jeder verzweifelt“, sagt Jens Michow, Präsident des Bundesverbandes der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft (BDKV). Für dieses Jahr rechne die Branche mit einem Minus um die 98 Prozent, also einem Verlust von fast elf Milliarden Euro an Einnahmen. Michow zitiert eine Umfrage des Münchner Ifo-Instituts aus dem Juni. Demnach fürchteten 70 Prozent der Betriebe in der Veranstaltungsbranche um ihre Existenz.

Am Dienstag gab es etwa in Bayern neue Regelungen für große Kulturveranstaltungen. Bei niedrigen Infektionszahlen dürfen nun 35 Prozent der Plätze belegt werden, höchstens 20.000. Dazu gilt: ein Abstand von 1,5 Metern, Maskenpflicht in Innenräumen und Zutritt nur für Geimpfte, Genesene oder negativ Getestete.

Die Rettung? Kaum. Bestenfalls halb volle Konzerthallen seien nicht rentabel. „Das mag in öffentlich geförderten Häusern funktionieren. Für Konzert- und Tourneeveranstalter machen Aufführungen jedoch nur Sinn, wenn man damit auch Geld verdienen kann. Das ist unter den aktuellen Voraussetzungen unmöglich“, meint Michow. Allein die Miete für große Orte wie etwa die Münchner Olympiahalle könne schon im sechsstelligen Bereich liegen. Wenn dann nur 35 Prozent der Tickets verkauft werden könnten, sei das wirtschaftlich nicht darstellbar.

Zwar bietet der Bund einen Sonderfonds für Kulturveranstaltungen. Die dort vorgesehene Wirtschaftlichkeitshilfe greife aber nur für Veranstaltungen mit bis zu 2000 Besuchern. Allein Semmel Concerts hat aber von September bis Dezember mehr als 100 Konzerte mit 2500 bis 10 000 verkauften Tickets. Zwar gebe es für größere Veranstaltungen eine Ausfallabsicherung, wirtschaftliche Defizite kompensiere diese aber nicht.

Ändert sich nichts, bleibt vielen Veranstaltern wohl nur noch, erneut alles abzusagen und zu verschieben - so wie seit Beginn der Pandemie vor mehr als einem Jahr. Die Nachholtermine häufen sich inzwischen. „Wir schieben ja im Prinzip weit über 1000 Veranstaltungen vor uns her, die 2020 oder auch 2021 stattfinden sollten“, meint Semmelmann. „Es ist fast nicht mehr möglich, freie Termine zu bekommen, weil die Hallen und Locations alle schon so voll sind.“

© dpa-infocom, dpa:210715-99-389488/2

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