Emden

Bei Theartic hat Karin die Bühne erobert

Vera Vogt
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Von Vera Vogt
| 13.12.2019 20:11 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
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Die OZ sammelt Spenden für die integrative Theaterwerkstatt Theartic aus Emden. Karin Wilts ist bereits vor 16 Jahren einem Ensemble beigetreten. So steht die Frau mit Down-Syndrom schon fast ihr halbes Leben auf der Bühne. Und das hat weitreichende Folgen für ihre Familie.

Emden - Wenn Karin Wilts über das Theaterspielen spricht, breitet sich ein strahlendes Lächeln auf ihrem Gesicht aus. Die Emderin hat das Down-Syndrom – das hält sie aber nicht davon ab, auf der Bühne zu stehen: In ihrem Zuhause ist für ihre große Leidenschaft ein ganzes Regal reserviert.„Ich habe alle meine Textbücher aufbewahrt“, sagt die 36-Jährige. Und in den vergangenen Jahren sind unzählige zusammengekommen. Wilts ist vor 16 Jahren bei Theartic in ein Ensemble eingetreten. Bei der Theaterwerkstatt spielt die genetische Besonderheit der 36-Jährigen absolut keine Rolle. Seit 2003 steht sie auf der Bühne – fast schon ihr halbes Leben. „Karin Wilts ist ein leuchtendes Beispiel dafür, was für wunderbare Dinge entstehen, wenn Inklusion funktioniert“, sagt Vereinsgründerin Ulrike Heymann. Karin hat mit ihrer Begeisterung schließlich Familienmitglied um Familienmitglied zu Theartic gebracht.

„Ich brauche das Publikum“, sagt Karin Wilts von sich. Und das Publikum sei begeistert von ihr und Theartic, sagt Vereinsgründerin, Ulrike Heymann. „Die Zuschauer sagen oft, sie haben nach einer Weile nicht mehr darauf geachtet, wer eine Behinderung hat und wer nicht“, so Heymann. So solle es sein. Nach Aufführungen höre sie eine Menge Komplimente – das sei aber eines der Schönsten.

Tante und Nichte

Besonders begeistert war auch Karins Nichte Inken. Die 15-Jährige hat sich von der Liebe ihrer Tante für die Bühne anstecken lassen. „Ich habe meine Tante oft auf der Bühne gesehen“, sagt die 15-Jährige. „Die Auftritte waren super. Das wollte ich auch unbedingt machen.“

Aber nicht nur die Inszenierungen haben Inken überzeugt. Ihre Tante hat sie schon früh mit dem Theater in Berührung gebracht. So erzählt Inken: „Ich war noch ein kleines Kind, als ich hörte, wie meine Tante einen Satz auswendig lernte. Sie hat ihn oft wiederholt. Es ging um etwas...“, setzt sie an. „– mit einem Hund“, sagen beide unisono und lachen. Inken habe nur einen Versuch gebraucht, um sich die Worte zu merken. „Da habe ich gemerkt, dass mir das Lernen der Texte liegt“, sagt die 15-Jährige. Das war die Initialzündung für ihr Interesse am Theater. Inken ist seit vergangenem Jahr beim Theartic Kinderensemble dabei.

Eine Sache ist doch anders

Während Karin Wilts’ Down-Syndrom keine Rolle spielt, gibt es allerdings eine Sache, die sie sehrwohl von den rund 90 anderen Teilnehmern in den Ensembles unterscheidet. „Niemand lernt seinen Text wie Karin“, sagt Ulrike Heymann. „Sie macht aus ihren Textbüchern wahre Kunstwerke.“ Wort für Wort schreibt Karin Wilts den Text ab und markiert ihre Einsätze, schreibt Regieanweisungen rot, die Texte eines anderen zum Beispiel orange. „So lerne ich meine Texte schnell“, sagt sie.

Anstrengend werde es aber immer dann, wenn Wilts nach der Arbeit im Altenheim noch eine Probe durchziehen müsse. „Kurz vor den Auftritten werden die Probentage oft lang“, sagt sie. Trotzdem freut sie sich auf jede Inszenierung. „Ich liebe es, auf der Bühne zu stehen“, sagt Wilts.

Hinter den Kulissen

Aber nicht nur schauspielbegeisterte Wilts-Frauen hat Karin in Theartic hineingezogen. Auch hinter der Bühne sind Familienmitglieder zu finden. Elfriede Wilts, Karins Mutter, ist seit 2011 im Verein aktiv. „Ich kümmere mich um die Buchführung. Die Beiträge der rund 150 Mitglieder oder Steuererklärungen“, sagt sie. Zu den Proben sei ihre Tochter zwar immer selbstständig gegangen, „aber die Freude, die sie von dort nach Hause mitbrachte, hat mich angesteckt. Da wollte ich dabei sein.“

Als vierte im Familien-Bunde arbeitet auch Katrin Wilts, die Schwiegertochter von Elfriede, halbtags für Theartic. „Ohne Katrin wäre ich verloren. Sie ist das Organisationstalent und das Mädchen für Alles“, sagt Vereinsgründerin Ulrike Heymann. Katrin kümmert sich um die Internetseite des Vereins, schnappt sich aber auch Hammer und Nagel, um Kulissen aufzubauen. „Ich möchte nur nicht auf die Bühne“, sagt sie. Muss sie auch nicht: Dort steht ja schließlich schon das Tante-Nichte-Gespann der Familie.

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