Washington/Moskau/Darmstadt (dpa)

Die Corona-Krise und das Weltall

Christina Horsten, Ulf Mauder und Oliver Pietschmann, dpa
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Von Christina Horsten, Ulf Mauder und Oliver Pietschmann, dpa
| 31.03.2020 12:54 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
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Auf der Erde hat die Corona-Krise das Leben vielerorts komplett verändert - und im Weltraum? Die Internationale Raumstation ist derzeit einer der wohl am sichersten Corona-freien Orte. Aber viele Raumfahrt-Pläne sind von der Krise auf der Erde betroffen.

Ein Russe und zwei Amerikaner fliegen derzeit mit der Internationalen Raumstation (ISS) in rund 400 Kilometern Höhe um die Erde - weit von der Corona-Krise entfernt.

„Hinsichtlich des Coronavirus ist die ISS derzeit wahrscheinlich einer der sichersten Orte“, wird Luis Zea von der University of Colorado in Boulder vom Magazin „Newsweek“ zitiert. Wie sieht es bei anderen Raumfahrtprojekten aus? Ein Überblick.

Raumstation ISS

„Die Tätigkeiten hier werden weitergehen, egal was auf der Erde passiert“, sagt US-Astronaut Andrew Morgan. Er arbeitet gemeinsam mit seinen Kollegen Jessica Meir und Oleg Skripotschka auf dem Außenposten der Menschheit. Bald kommt Unterstützung von der Erde - und es muss zwingend vermieden werden, dass diese drei Raumfahrer das Virus in die Station tragen.

Vor ihrem am 9. April geplanten Flug zur ISS sind die beiden Russen und der Amerikaner im Kosmonauten-Ausbildungszentrum im Sternenstädtchen nahe Moskau darum weitgehend isoliert. Die meisten der üblichen Rituale wurden abgesagt: keine Blumen an den Kremlmauern, kein Besuch im Wohnhaus des sowjetischen Raketenkonstrukteurs Sergej Koroljow. Eine Ausnahme gab es: Die Raumfahrer besuchten das Denkmal für Juri Gagarin, den ersten Menschen im Weltall, sowie sein Arbeitszimmer in einem Museum.

„Obwohl Weltraumflüge immer mit einem besonderen Risiko verbunden sind, verstehen wir ganz gut, dass die ISS in den kommenden Monaten der sicherste Ort sein wird“, sagt Kosmonaut Anatoli Iwanischin. „Wir sind gesund, die Mannschaft wird sehr sorgfältig von medizinischem Personal untersucht“, meint auch Astronaut Christopher Cassidy. Die beiden Raumfahrer starten Anfang April zusammen mit dem Russen Iwan Wagner ins All. Dort soll die Crew 196 Tage bleiben.

Wie es auf der Erde in dieser Zeit weitergeht, lässt sich kaum erahnen. Klar ist aber schon jetzt, dass es Auswirkungen auf zahlreiche Raumfahrtvorhaben gibt.

STARTS

Wegen der Pandemie gibt es aktuell keine Starts vom Weltraumbahnhof in Kourou im südamerikanischen Französisch-Guayana mehr. Auch die russische Raumfahrtbehörde Roskosmos zog von dort den Großteil seiner Mitarbeiter ab. Der russische Weltraumbahnhof Baikonur in der Ex-Sowjetrepublik Kasachstan arbeitet hingegen weiter nach Plan. Roskosmos-Chef Dmitri Rogosin betonte, dass die Starts auch künftig weitergehen sollen. Nur Journalisten sind bei den sonst sorgfältig inszenierten Starts nicht mehr zugelassen. Roskosmos ist seit Jahren die einzige Raumfahrtagentur, die bemannte Flüge zur ISS anbieten kann.

MISSIONEN

„Die Technik erlaubt uns, dass wir vieles von dem, was wir machen müssen, aus der Ferne tun können“, sagt der Chef US-Raumfahrtbehörde Nasa, Jim Bridenstine. Die ISS und alle aktuellen Missionen im Weltraum könnten weiter koordiniert werden. Bei Missionen, die noch in der Planungs- und Bauphase sind, sieht es anders aus. Wo Arbeit vor Ort nicht sicher möglich sei, „da müssen wir sie vorübergehend einstellen“, sagt Bridenstine.

Das betrifft zum Beispiel das Space Launch System und Orion, die Rakete und die Raumkapsel, mit der die Nasa innerhalb der kommenden fünf Jahre Astronauten zum Mond bringen wollte. Auch der Zeitplan für das James-Webb-Teleskop, das eigentlich 2021 starten sollte, dürfte sich weiter verzögern, ebenso der für Sommer geplante Start des Mars-Rovers „Perseverance“. Und ob die Nasa gemeinsam mit der privaten Raumfahrtfirma SpaceX wirklich wie angekündigt im Mai zwei Astronauten zur ISS bringen kann, bleibt abzuwarten.

In mindestens zwei Nasa-Forschungszentren in den USA hat es bereits Coronavirus-Nachweise bei Mitarbeitern gegeben. Mit wenigen Ausnahmen sind alle Angestellten aufgerufen, von zuhause aus zu arbeiten.

ESA-PLÄNE

Auch die Pläne der Europäischen Weltraumorganisation (Esa) können nicht immer so weiterlaufen wie geplant. Das Europäische Raumflugkontrollzentrum (ESOC) in Darmstadt ist nur noch mit einer Rumpfmannschaft besetzt. Durchschnittlich 30 der insgesamt 900 Mitarbeiter arbeiten derzeit im Kontrollzentrum. „Das ist das Minimum“, sagt der stellvertretende ESOC-Leiter Paolo Ferri. Bei vier Satelliten seien Instrumente abgeschaltet worden. Auch Tests im Zuge der Sonnenmission „Solar Orbiter“, die erst kürzlich gestartet war, seien eingestellt worden.

Grund für die Vorsicht ist auch der nahende Erdvorbeiflug der Merkur-Sonde BepiColombo. „Die dürfen wir nicht in Gefahr bringen.“ Das sei eine heikle Phase, in der präzise gesteuert werden müsse - da dürfe man nicht riskieren, dass weitere Mitarbeiter der Rumpfbesetzung in Quarantäne müssten. „Wir können die Satelliten nicht von zu Hause aus steuern.“ Technisch wäre das im Prinzip zwar möglich, aber das Risiko wäre einfach zu groß.

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