Paris (dpa)

Die Pariser Schau, die ohne Christo öffnen muss

Sabine Glaubitz, dpa
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Von Sabine Glaubitz, dpa
| 30.06.2020 08:23 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
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Alles war bereit. Dann kam die Corona-Krise und schließlich der Tod von Christo. Das Pariser Centre Pompidou öffnet mit einer Schau, die der Verhüllungskünstler noch vorbereitet hat.

Die Ausstellung hätte zum Highlight der Pariser kulturellen Frühlingssaison werden sollen, ebenso wie die Verpackung des Triumphbogens. Beide Events konnte Christo noch mit vorbereiten, keines kann er jedoch mehr miterleben.

Der Verhüllungskünstler ist am 31. Mai in New York gestorben - kurz vor seinem 85. Geburtstag am 13. Juni. Mit „Christo und Jeanne-Claude - Paris!“ widmet das Pariser Centre Pompidou dem Meister jetzt nicht nur eine Ausstellung, sondern auch eine Hommage. Die bis zum 19. Oktober dauernde Werkschau öffnet unter strengen Corona-Regeln an diesem Mittwoch (1.7.).

Die Ausstellung legt den Fokus auf die Pariser Jahre des Künstlers und dessen Frau Jeanne-Claude. Er sei glücklich über die Schau in Paris, denn zu der Stadt habe er ein sehr persönliches Verhältnis, sagte er der Deutschen Presse-Agentur im Vorfeld der Ausstellung, die wegen der Corona-Krise nicht wie geplant Mitte März öffnen konnte. Als er aus dem kommunistischen Bulgarien nach Wien flüchtete, habe er umgehend versucht, nach Paris zu kommen, erzählte er in dem Telefoninterview.

Man habe eng zusammen mit Christo an der Ausstellung gearbeitet, von der er geträumt hatte, sowie an der Vorbereitung der Verpackung des Arc de Triomphe, sagte der Museumsdirektor Bernard Blistène. Möge die Ausstellung eine Hommage an das außergewöhnliche Gesamtwerk des Künstlers sein, das für die Kunstgeschichte unserer Zeit so wichtig ist, so der Kunsthistoriker im Radiosender France Info.

Christo lebte zwischen 1958 und 1964 in Paris, wo er seinen Lebensunterhalt mit dem Malen von Porträts verdiente. Einige davon sind in Paris zu sehen, darunter das Porträt von Brigitte Bardot und seiner Frau Jeanne-Claude. Beide sind verhüllt, denn Christo begann in Paris die unterschiedlichsten Alltagsgegenstände zu verpacken wie Dosen, Flaschen, Stühle, Kinderwagen und Öltonnen. Er wollte zeigen, dass jedes Objekt einen Platz in der Kunst hat. Wie bei den meisten Vertretern des Neuen Realismus (Nouveau Realisme), die er in Paris kennengelernt hatte, ging es ihm darum, existierenden Dingen eine neue Wahrnehmung zu verleihen.

Er habe die Dinge nicht verpackt, um die Konsumgesellschaft zu kritisieren, sondern um die wesentlichen Linien sichtbar zu machen, präzisierte die Kuratorin Sophie Duplaix. So wie bei der Pariser Pont-Neuf, die er 1985 verhüllt hat. Das sei eines seiner kompliziertesten Projekte gewesen, erklärt er in einem in der Ausstellung zu sehenden einstündigen Dokumentarfilm.

Christo hatte zusammen mit seiner 2009 gestorbenen Frau - ihr erstes gemeinsames Projekt realisierten sie bereits Anfang der 60er Jahre - jahrelange Überzeugungsarbeit geleistet, um die Erlaubnis zu bekommen, die Brücke hinter 40.876 Quadratmetern Polyamidgewebe zu verstecken.

Neben unzähligen Projekt-Skizzen und Vorzeichnungen zur Verpackung der Pont Neuf sind auch Entwürfe zu sehen, die den Triumphbogen verhüllt zeigen. Sie stammen aus dem Jahr 1962. Schon damals wollte Christo das Wahrzeichen verpacken, das neben der historischen Symbolik für ihn auch eine sehr persönliche Bedeutung hat. Wie er in dem Gespräch mit der dpa erzählte, habe er damals in einem winzigen Zimmer ganz in der Nähe gewohnt. „Wir wählen die Objekte nie willkürlich aus“, fügte er hinzu. Der Grund, warum er die Pont Neuf vor knapp 35 Jahren verhüllt hat? Sie sei die älteste Brücke der Stadt und habe zahlreiche Künstler inspiriert, unter anderem Picasso.

Die Verpackung des Triumphbogens mit rund 25.000 Quadratmetern silber-bläulichem Stoff hätte im April stattfinden sollen, zeitgleich zur Ausstellung. Nun soll das Projekt im September 2021 organisiert werden. Christo und Jeanne-Claude hätten immer klargemacht, dass ihre laufenden Kunstprojekte fortgesetzt werden sollen, ließ das Studio nach dem Tod des Künstlers wissen. Noch im März fertigte er Zeichnungen des Projekts an, um sie zu verkaufen. Er arbeite intensiv, so Christo am Telefon. Aus ihrem Verkauf und den davon angefertigten Drucken finanzierte das Duo seine Projekte.

© dpa-infocom, dpa:200630-99-613757/4

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