Berlin (dpa)

Ganz Belgien und fast ganz Frankreich Corona-Risikogebiet

Michael Fischer und Michel Winde, dpa
|
Von Michael Fischer und Michel Winde, dpa
| 30.09.2020 21:52 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 5 Minuten
Artikel hören:
Artikel teilen:

Eine Region nach der anderen in Europa wird zum Corona-Risikogebiet erklärt. Die möglichen Urlaubsziele im Ausland schwinden. Daran ändert auch das Ende der pauschalen Reisewarnung für 160 Länder außerhalb der EU nichts.

Die Bundesregierung hat ganz Belgien, Island und einzelne Regionen in neun weiteren europäischen Ländern wegen steigender Infektionszahlen zu Corona-Risikogebieten erklärt.

Das Robert Koch-Institut aktualisierte in der Nacht zu Donnerstag seine Risikoliste, auf der nun mit Wales und Nordirland erstmals auch Gebiete Großbritanniens stehen.

In Frankreich kamen die Regionen Pays de la Loire und Burgund (Bourgogne) hinzu. Damit ist im größten Nachbarland Deutschlands nur noch die einst besonders stark von der Pandemie betroffene Grenzregion Grand Est von der Einstufung als Risikogebiet ausgenommen.

In Belgien war zuletzt nur die Hauptstadt Brüssel als Risikogebiet geführt worden. Die Ausweitung auf das ganze Land betrifft nun auch Grenzregionen zu Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Erstmals nahm die Bundesregierung Gebiete in den beiden baltischen Staaten Litauen und Estland auf die Risikoliste. Außerdem kamen Regionen in Irland, Kroatien, Slowenien, Ungarn und Rumänien hinzu.

Für alle neuen Risikogebiete in Europa sprach das Auswärtige Amt in der Nacht zu Donnerstag Reisewarnungen für Touristen aus. Sie sind zwar kein Reiseverbot, sollen aber eine möglichst große abschreckende Wirkung auf Touristen haben. Das Gute für den Urlauber: Er kann eine bereits gebuchte Reise stornieren, wenn sein Ziel zum Risikogebiet erklärt wird. Das Schlechte: Rückkehrer aus den Risikogebieten müssen sich testen lassen und in Quarantäne, bis das Ergebnis da ist. Ab 15. Oktober soll der Test frühestens fünf Tage nach Rückkehr erfolgen. Das kann dann insgesamt eine knappe Woche Quarantäne bedeuten.

In der belgischen Grenzregion zu Deutschland sorgte die Entscheidung der Bundesregierung daher für Unverständnis. „Der europäische Alltag hier in der Grenzregion wurde massiv eingeschränkt“, sagte der Ministerpräsident der deutschsprachigen Gemeinschaft, Oliver Paasch, der dpa. Die „europäische Selbstverständlichkeit“ sei eingegrenzt worden. Man fühle sich in die „unselige Zeit“ zwischen März und Mitte Juni zurückversetzt.

Für Berufspendler, aber auch für private Kurzbesuche etwa zum Einkaufen sind allerdings Ausnahmen von der Quarantäne vorgesehen. „Für Ein- und Ausreisen aus Risikogebieten wird es einheitliche Regelungen in ganz Deutschland geben“, betonte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) am Donnerstag. Dies sehe die neue Verordnung des Bundes für die Quarantäneregelungen vor.

Fast gleichzeitig mit den neuen Reisewarnungen in Europa wurde die pauschale Reisewarnung für mehr als 160 Länder außerhalb der Europäischen Union und des grenzkontrollfreien Schengen-Raums aufgehoben. Damit wird nun jedes Land der Welt einzeln bewertet. Wer glaubt, dass damit Fernreisen wieder deutlich einfacher werden, täuscht sich aber - für den Urlauber ändert sich kaum etwas.

Künftig gibt es drei Kategorien von Ländern:

- REISEWARNUNG: Sie wird nur noch für die Länder ausgesprochen, die den Grenzwert von 50 Neuinfektionen auf 100 000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen überschreiten. Das gilt derzeit für 123 Länder ganz und für 15 teilweise.

- „REISEWARNUNG LIGHT“: Für etwa 50 weitere Länder wird unabhängig von der Infektionslage von Reisen abgeraten. Der Grund: Dort gelten noch Einreisebeschränkungen oder eine Ausreisesperre in die EU. Zu dieser Staatengruppe gehört beispielsweise das beliebte Winterurlaubsland Thailand, wo es kaum Corona-Infektionen gibt, aber ausländische Touristen auch draußen bleiben müssen.

- KEINE WARNUNG: Unter dem Strich bleiben dann nicht mehr viele Länder übrig, für die weder vor Reisen gewarnt noch von ihnen abgeraten wird - vor allem weil derzeit in Europa alle paar Tage neue Reisewarnungen hinzukommen. So sind inzwischen in der EU nur noch neun der 26 Partnerländer Deutschlands ganz ohne Risikogebiet und Reisewarnung.

Immerhin sind ein paar beliebte Urlaubsziele dabei: Italien, Griechenland, Zypern und Malta. Außerhalb Europas sind es nur Georgien und Tunesien. Zudem gibt es für die türkischen Urlaubsgebiete am Mittelmeer seit mehreren Wochen eine Ausnahmeregelung.

Die weltweite pauschale Reisewarnung wegen der Corona-Pandemie war am 17. März von Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) ausgesprochen worden, nachdem zahlreiche Grenzen geschlossen und Flugverbindungen gekappt worden waren und Zehntausende Deutsche im Ausland festhingen. Bereits am 15. Juni war die Regelung für die meisten europäischen Länder wieder aufgehoben worden. Jetzt entfällt sie ganz.

Die Reisebranche begrüßt das zwar grundsätzlich, kritisiert aber, dass sich für den Urlauber faktisch nichts ändert. „Was bleibt, ist eine große Unsicherheit bei allen Beteiligten darüber, was geht und was nicht geht. Das ist für unsere Wirtschaft existenzbedrohend“, sagte der Präsident des Deutschen Reiseverbandes (DRV), Norbert Fiebig. „Die Reisewirtschaft steht ohne Ware da, denn für den Winter gibt es derzeit kaum etwas, was verkauft werden kann. Und schon jetzt liegen die Umsätze lediglich bei einem Viertel der Vorjahresumsätze. Besserung nicht in Sicht.“

Fiebig forderte, die Reisehinweise noch detaillierter zu gestalten und auch innerhalb einzelner Regionen zu differenzieren. „Vor Reisen auf alle Kanarischen Inseln zu warnen, wenn lediglich eine der sieben Inseln den kritischen Grenzwert übersteigt, ist (...) in keiner Weise sachgerecht oder maßvoll, sondern ganz im Gegenteil absurd.“

Bei allen Hiobsbotschaften über steigende Infektionszahlen und neue Reisewarnungen gibt es übrigens auch gute Nachrichten: Für Freiburg (Fribourg) in der Schweiz sowie die kroatischen Urlaubsziele Zadar und Sibenik-Knin wurde der Status als Risikogebiet in der Nacht zu Donnerstag aufgehoben.

© dpa-infocom, dpa:200930-99-776760/7

Ähnliche Artikel