Berlin (dpa)

Neue Regeln für Inkasso entlasten Schuldner

Martina Herzog, dpa
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Von Martina Herzog, dpa
| 27.11.2020 14:57 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
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Eine Rechnung geht schnell unter. Wer auch auf Mahnungen nicht reagiert, muss damit rechnen, dass früher oder später Mitarbeiter eines Inkasso-Unternehmens auf der Matte stehen. Für diesen Fall gibt es bald neue Vorschriften.

Insbesondere Schuldner kleiner Beträge sollen bei den Inkassogebühren entlastet werden.

Eine entsprechende Reform beschloss der Bundestag in Berlin mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD. AfD, FDP, Linke und Grüne stimmten dagegen.

„Ein Inkassoverfahren darf für die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht zur Kostenfalle werden“, erklärte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD).

Kritik kam sowohl von Verbraucherschützern als auch Inkassounternehmen. Der CDU-Abgeordnete Sebastian Steineke wertete das als Beleg für einen guten Entwurf. Inkassounternehmen sorgten dafür, dass jährlich fünf bis zehn Milliarden Euro ihren Weg zurück in den Wirtschaftskreislauf fänden. „Das ist wichtig, und nicht nur für die großen Unternehmen, sondern gerade für die kleinen Unternehmen, die keine eigene Rechtsabteilung haben.“

Künftig müssen Inkassodienstleister Schuldner künftig schon beim ersten Kontakt in der Regel unter anderem darüber informieren, in wessen Auftrag sie handeln, um welchen Vertrag genau es geht und welche Kosten bei Verzug entstehen könnten. Bei kleinen Forderungen von bis zu 50 Euro sollen die Inkassokosten, die Schuldner zusätzlich zahlen müssen, nicht höher ausfallen als die Forderung selbst.

Gläubiger, die sowohl Rechtsanwälte als auch Inkassounternehmen beauftragen, dürfen Kosten dafür nur bis zu der Höhe zurückverlangen, die allein mit der Beauftragung eines Rechtsanwalts entstanden wäre. Sie dürfen also nicht mehr beides abrechnen - vorausgesetzt, der Schuldner hat die Forderung noch bestritten, als bereits ein Inkasso-Dienstleister im Spiel war, und der Anwalt wurde erst dann eingeschaltet.

Aus Sicht der Parlamentarier weitgehend ungelöst bleibt vorerst das Problem des Identitätsdiebstahls, bei dem Betroffene sich mit Bestellungen auf ihren Namen und auf ihre Kosten herumschlagen müssen, die sie aber gar nicht aufgegeben haben - hier soll gegebenenfalls mit einem neuen Vorstoß nachgebessert werden.

Die Aufsicht werde gestärkt, sagte Ministerin Lambrecht. „In Zukunft sollen die Aufsichtsbehörden zum Beispiel auch dann einschreiten, wenn Inkassodienstleister aggressiv oder irreführend auftreten.“ Außerdem könnten bestimmte Verhaltensweisen untersagt und Bußgelder verhängt werden. Die Bundesregierung soll auch prüfen, ob die Aufsicht bundesweit zentralisiert werden soll. Das halten Verbraucherschützer für überfällig. „Die Aufsicht über Inkassounternehmen ist aktuell zersplittert und schwach, unter anderem weil sie von einer Vielzahl von Zivilgerichten als Nebentätigkeit miterledigt wird“, erklärte der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv).

Insgesamt griffen die Neuerungen jedoch zu kurz. „Die Inkassoreform wird aus Sicht des vzbv daher allenfalls in Extremfällen zu leichten Entlastungen für strauchelnde Verbraucher führen“, erklärte der Verband. Es sei daher gut, dass die Wirkung der Novelle in zwei Jahren noch einmal auf den Prüfstand solle.

Der Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen nannte die Reform fatal für Wirtschaft und Zahlungsmoral. „Es ist nicht nachvollziehbar, dass der Fokus des Gesetzgebers nicht auf der Mehrheit der rechnungstreuen Verbraucher und der Wirtschaft, sondern auf dem obstruktiven Schuldner liegt“, bemängelte Verbandspräsidentin Kirsten Pedd. Es sei den Abgeordneten nicht gelungen, zwischen schützenswerten Verbrauchern und bewusst vertragswidrig handelnden Schuldnern zu unterscheiden.

Auch die verbraucherschutzpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Katharina Willkomm, warf den Koalitionsfraktionen vor: „Sie beschränken sich darauf, einseitig die Kosten zu drücken. Der Inkasso-Dienstleister soll ausbaden, dass Ihnen nichts einfällt, um finanzschwache Verbraucher vor neuen Schulden zu bewahren.“

Die Schritte zum Schutz von Verbrauchern gingen nicht weit genug, bemängelten hingegen AfD, Grüne und Linke. Es gebe zwar Schritte in die richtige Richtung, dem „Überfallinkasso“ werde aber kein Riegel vorgeschoben, sagte der AfD-Abgeordnete Jens Maier. Seine Fraktion hätte sich eine weitere Begrenzung der Kosten gewünscht. „Das Geschäft mit der Not, das darf sich nicht mehr lohnen.“

Die Linksfraktionsvorsitzende Amira Mohamed Ali sagte, arme Menschen würden alleine gelassen, und ihre Lage verschärfe sich in der Corona-Krise noch. Unlautere Geschäftspraktiken seien bei Inkassounternehmen an der Tagesordnung, weshalb die Aufsicht dringend gestärkt werden müsste. Es sei zudem falsch, dass sich die Kosten für Mitarbeiter an der Vergütung von Rechtsanwälten orientierten. „Inkassounternehmen leisten keine seriöse Rechtsberatung“, sagte Mohamed Ali. Die verbraucherschutzpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Tabea Rößner, äußerte sich ähnlich: Mahnungen würden teils sogar automatisch verschickt. „Ein Schutz vor Abzocke ist das wahrlich nicht“, bilanzierte sie mit Blick auf die Novelle.

© dpa-infocom, dpa:201127-99-488111/3

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