Wiesbaden (dpa)

Kritik an Schufa-Angebot zur Datennutzung

| 27.11.2020 19:29 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
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Verbraucher können auch Anbietern wie Finanz-Start-ups Einblick in ihr Bank-Konto gewähren. Diese Daten sind für die Bewertung der Zahlungsfähigkeit der Verbraucher interessant. Ein Test der Schufa sorgt für Kritik.

Ein Angebot der Schufa, die Zahlungsfähigkeit von Verbrauchern künftig auch anhand von deren Kontoauszügen zu bewerten, sorgt für Wirbel.

Die Auskunftei hat in Zusammenarbeit mit dem Mobilfunkkonzern Telefónica/O2 getestet, ob Verbraucher bereit sind, die für die Bewertung relevanten Kontodaten für zwölf Monate bei der Schufa speichern zu lassen. „Dabei fließen aktuell noch keine Daten“, sagte Schufa-Vorstandsmitglied Ole Schröder am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. Verbraucherschützer und Politiker kritisierten das Projekt, das der Konzern am Freitagabend für beendet erklärte.

„Die Ergebnisse dieses Tests haben unsere Erwartungen leider nicht erfüllt“, teilte Telefónica/O2 der dpa mit. „Daher hat Telefónica/O2 heute beschlossen, den Test zu beenden und das "CheckNow"-Verfahren der Schufa nicht mehr länger zu nutzen.“

Bei dem Test konnten mögliche Neukunden, die aufgrund ihrer schlechten Bewertung normalerweise keinen Handyvertrag bekommen würden, sich von der Schufa auf ihr Konto schauen lassen. „Denn bei Telefónica gibt es vereinzelt potenzielle Kunden, deren Vertragswunsch aufgrund einer fehlenden beziehungsweise unzureichenden oder älteren negativen Bonitätsinformationen abgelehnt werden musste, obwohl ihre aktuelle finanzielle Situation völlig unproblematisch war“, so der Konzern.

An dem Pilotprojekt nahmen demnach etwa 100 Menschen freiwillig teil. Dazu mussten sie der Schufa ausdrücklich einen Auftrag erteilen. Der Konzern betonte: „Das Verfahren bietet die Schufa den Verbrauchern in komplett eigener datenschutzrechtlicher Verantwortung an.“ Die genutzten Kontoinformationen seien nicht gespeichert worden.

Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands, warf der Schufa „Kontoschnüffelei“ vor. „Eine solch tiefe Datenauswertung der Kontobewegungen für Scoringzwecke erlaubt Rückschlüsse auf Persönlichkeit, wirtschaftlichen Status und selbst politische Orientierungen der Kunden und führt damit letztlich zum vollkommen durchleuchteten Verbraucher.“ Man prüfe rechtliche Schritte für den Fall, dass die Auskunftei diese Pläne umsetzt.

Schufa-Vorstand Schröder betonte: „Sensible Daten wie beispielsweise die Bezahlung einer Arztrechnung werden automatisch herausgefiltert und dürfen nicht verarbeitet werden.“ Die gespeicherten Kontodaten beschränken sich nach Auskunft des Unternehmens ausschließlich auf relevante Daten zur Bonitätsbewertung und Betrugsbekämpfung.

Mit der freiwilligen Daten-Speicherung könne der Verbraucher weitere zukünftige Kontozugriffe durch Dritte vermeiden und seine Daten dennoch für ihn vorteilhaft in eine Schufa-Bonitätsbewertung einfließen lassen. Die Kontoanalyse finde nur einmal bei der Schufa statt. „Ziel ist es, dass Verbraucher von aktuellen positiven Kontoinformationen auch für zukünftige Transaktionen und Bonitätsabfragen profitieren können“, sagte Schröder. „Die Daten sind dadurch aktueller, und wir erfüllen so auch Forderungen von Verbraucherschützern.“

Für Verbraucher, die keinen Auftrag zum Einblick ins Konto erteilten, bleibe es bei der klassischen Bonitätsprüfung, sagte Schröder. „Fällt die Bewertung nach den Kontodaten negativ aus, kann der Verbraucher seine Einwilligung widerrufen.“ Es bleibe dann bei der klassischen Bonitätsprüfung. „Aus unserer Sicht ist es für Verbraucher besser, die Schufa sammelt als neutrale Instanz die Daten treuhänderisch, als Unternehmen, die damit unmittelbar Geschäfte machen.“

Seit Einführung der Zweiten EU-Zahlungsdiensterichtlinie (PSD2) ist es möglich, dass Drittanbieter wie Finanz-Start-ups Einblick auf Konten bekommen können. Voraussetzung ist, dass der Kunde dem zustimmt. Die Schufa hatte Ende Dezember 2018 den Münchner Kontoinformationsdienst Finapi GmbH gekauft.

Schröder zufolge handelt sich bei dem Vorhaben um ein in Europa inzwischen gängiges Verfahren, „das auch andere Auskunfteien seit geraumer Zeit einsetzen“. Die Schufa sei ständig in enger Abstimmung mit den Datenschutzbehörden. „Sie wurden vor dem Test informiert, zustimmen müssen die Datenschützer nicht.“

Ein Sprecher des Bundesjustizministeriums sagte, dieses neue Geschäftsmodell werfe rechtliche Fragen auf. Daher werde sich das Ministerium, das davon erst jetzt erfahren habe, dies „genau anschauen“. Schließlich gehe es hier um „besonders sensible Daten“, und die Verbraucher müssten stets in der Lage sein zu verstehen, wofür sie jeweils ihre Einwilligung erteilen.

Die Grünen-Politiker Tabea Rößner und Konstantin von Notz kritisierten, die Schufa habe bereits heute Zugriff auf weitreichende Informationen über die Verbraucher, „die selbst nach wie vor nicht nachvollziehen können, wie und auf welche Weise diese Daten für den persönlichen Score gewichtet werden“.

Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Stephan Thomae sagte, es sei alarmierend, dass die Schufa Kontoauszüge der Verbraucher durchleuchten wolle. „Für niedrigere Preise und mehr Möglichkeiten im Rechtsverkehr sollen die Bürger mit ihren Daten bezahlen.“ Wenn Bürger am Ende nur durch die Einwilligung in diese Datenverarbeitung durch die Schufa einen Handy- oder Mietvertrag abschließen könnten, hätten sie faktisch keine freie Wahl mehr.

© dpa-infocom, dpa:201127-99-491485/2

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