OZ-Weihnachtsaktion

Nach dem Essen war das alte Leben vorbei

Lena Mimkes
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Von Lena Mimkes
| 01.12.2020 19:16 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 5 Minuten
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In den Kindergarten gehen, Freunde treffen, spielen: Die sechsjährige Lena war ein gesundes Kind. Im Mai 2005 wurde sie plötzlich schwer krank, bis heute ist sie pflegebedürftig. Ihre Eltern erzählen, wie sie dieses Schicksal meistern.

Westoverledingen - Lena war ein gesundes Kind. Sie ging in den Kindergarten, verabredete sich zum Spielen mit Freunden und sollte bald eingeschult werden. Doch im Mai 2005 änderte sich das Leben für Lena und ihre Familie schlagartig. Die damals Sechsjährige war aus dem Kindergarten zurück, aß zu Mittag. Als ihr Vater nach Hause kam, begrüßte sie ihn stürmisch: „Sie lief mir entgegen und ist mir in die Arme gesprungen“, erinnert er sich. Plötzlich fing das Mädchen an zu krampfen.

„Sie kam aus dem Krampf nicht mehr heraus“, erzählt ihre Mutter. „Wir haben sie auf den Boden gelegt und den Notarzt gerufen.“ Lena wurde ins Klinikum Leer gebracht. „Abends war sie ansprechbar und wusste nicht, was passiert ist“, erinnern sich die Eltern. Doch die Krämpfanfälle kamen zurück und wurden immer stärker. Lena wurde nach Oldenburg verlegt, kam auf die Kinderintensivstation. Sie wurde intubiert, musste beatmet und ins künstliche Koma gelegt werden. „Sie hat nur noch gekrampft. Das Bett hat sogar gewackelt“, erinnern sich die Eltern. Die Ursache für die schweren Krampfanfälle konnten die Ärzte nicht finden. „Es wurden immer wieder MRTs gemacht. Irgendwann hat man dann gesehen, dass Hirnschäden da waren.“

„Ein Herz für Ostfriesland“

Die weihnachtliche Spendenaktion, eine Tradition der Ostfriesen-Zeitung, steht seit ein paar Wochen auf juristisch neuen Beinen. Als 100-prozentige Tochter der Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO) wurde die vom Finanzamt als mildtätig anerkannte gemeinnützige GmbH „Ein Herz für Ostfriesland“ gegründet. Über deren Konten läuft nun die Spendenaktion. Geschäftsführer der gGmbH ist Uwe Boden, Leiter des Geschäftskundenbereichs der ZGO. Ihm zur Seite steht ein Beirat, besetzt mit Führungskräften der ZGO.

Für Spender und Hilfsempfänger ändert sich dadurch nichts. Wie zuvor gehen 100 Prozent der Spendengelder an die Hilfsbedürftigen. Weiterhin trägt der Verlag alle Verwaltungs- oder sonstigen Kosten. Spendenquittungen dürfen nun allerdings von „Ein Herz für Ostfriesland“ ausgestellt werden. Wir sind nicht mehr auf gemeinnützige Partnerorganisationen angewiesen.

Spendenkonto:

Ein Herz für Ostfriesland gGmbH

IBAN: DE55 2859 0075 0011 1112 00

Ostfriesische Volksbank eG

Stichwort OZ-Weihnachtsaktion 2020

Acht Monate lang in der Reha

Die OZ sammelt mit ihrer diesjährigen Weihnachtsaktion Spenden für das geplante Schutzengel Huus Michael in Remels. Dort sollen schwer kranke Kinder und ihre Familien nach einem Klinikaufenthalt wohnen, bis ein Pflegeteam für zu Hause aufgebaut ist. Wie wichtig so eine Unterstützung ist, weiß die Familie aus Westoverledingen aus Erfahrung: Erst nach elf Wochen ließen die Anfälle nach – doch sie hinterließen Spuren. Lena kam zurück auf die Normalstation: „Sie war wach, aber sie war ein anderes Kind als vorher“, erzählt ihre Mutter.

Acht Monate war Lena anschließend in der Reha. Das Mädchen blieb schwer behindert. Die heute 21-Jährige sitzt im Rollstuhl, kann nicht mehr laufen, nicht mehr sprechen und nicht mehr lachen. Die Krampfanfälle können jederzeit wiederkommen. Die genaue Ursache für Lenas plötzliche Erkrankung weiß man bis heute nicht. Der Verlauf ihrer Krankheit ist typisch für das seltene und wenig erforschte FIRES-Syndrom. Dabei treten nach einem fieberhaften Infekt aus heiterem Himmel schwere epileptische Anfälle auf. Modernste Therapeutika helfen nicht – letzter Ausweg ist nur die Komatherapie. Nicht alle Kinder wachen daraus gesund wieder auf. Vor ihrem ersten Anfall hatte Lena eine Mittelohrentzündung mit hohem Fieber. „Die wurde behandelt und es ging ihr wieder besser“, erzählen die Eltern.

„Man ist einfach am Ende“

Im April 2006 war die Familie wieder zu Hause, elf Monate nach Beginn der Erkrankung. Der damals dreijährige Sohn der Familie lebte überwiegend bei den Großeltern. Während der Reha-Zeit entwickelten die Eltern ein System, in dem sie abwechselnd bei ihrem Sohn waren. Sich plötzlich mit der Situation, ein schwer krankes Kind zu haben, abfinden zu müssen, war nicht leicht für die Familie. „Es lässt sich nicht beschreiben, wie man sich in so einer Lage fühlt“, sagt der Vater. „Man ist am Ende. Man ist einfach am Ende.“

Trotz der Erkrankung des Kindes gehe das Leben um einen herum weiter: „Ich saß irgendwann im Auto und war mir nicht mehr sicher, wohin ich gerade fahre – zur Reha, zur Arbeit oder nach Hause“, berichtet der Mann. „Es sind sehr viele Dinge, die auf einen einprasseln“, sagt Lenas Mutter. Ob über die Pflege, über Verordnungen oder Finanzielles: „Man kommt aus dem Krankenhaus, und weiß erstmal gar nichts“, so die Eltern. Zusätzlich müsse man sich daran gewöhnen, dass das Leben, welches man vorher hatte, vorbei sei. „Das Kind ist ein anderes, und man hat ja auch noch ein zweites Kind“, so die Mutter. „Man ist zwingend auf Unterstützung angewiesen.“

„Die Krankenkassen sagen nicht, was einem zusteht.“ Die Familie hatte Glück, dass sie schon in der Reha auf zu Hause vorbereitet wurde. Der Kontakt zur mobilen Kinderintensivpflege der Diakonie Hesel-Jümme-Uplengen wurde bereits im Oldenburger Krankenhaus hergestellt. „Wenn man sich aber vorstellt, man kommt aus dem Krankenhaus und hat keinen Pflegedienst – da steht man komplett auf dem Schlauch“, sagt Lenas Mutter.

Das Konzept des Schutzengel Huus könne man deswegen nur begrüßen: „Eine Begleitung ist am Anfang einfach erforderlich“, sagt die Familie. Es sei wichtig, sich mit Fachkräften auszutauschen und andere Familien kennenzulernen: „Man kann sich viel ersparen, wenn man weiß, was man wirklich braucht und gestärkt da rausgehen.“

Gerade durch den Austausch mit anderen betroffenen Familien hätten sie immer wieder Neues erfahren. Zum Beispiel von Stiftungen, worüber sich die Familie ein behindertengerechtes Auto teilfinanzieren konnte.

Langer Kampf um Pflegestunden

Mit der Krankenkasse musste die Familie um jede Pflegestunde kämpfen. „Die Kassen spielen auf Zeit und ziehen Prozesse lange hin“, erzählt der Vater. Erst als sie einen Anwalt aus Dresden eingeschaltet hätten, seien die Stunden genehmigt worden. Etwa 17 Stunden täglich ist heute eine Pflegefachkraft aus einem zwölfköpfigen Team da, um sich um Lena zu kümmern. Auch nachts: „Man weiß nie, wann sie krampft, im schlimmsten Fall könnte sie erbrechen und ersticken“, erklärt Lenas Mutter. Die Pflegefachkräfte der Diakonie gehören mittlerweile zur Familie: „Da ist menschlich wirklich etwas gewachsen“, sagt der Vater. „Wir haben ein ganz tolles Team“, sagt auch die Mutter. „Wir sind sehr dankbar dafür.“

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