OZ-Weihnachtsaktion

Die Pflegerinnen der „Mokids“ sind im Notfall sofort da

Lena Mimkes
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Von Lena Mimkes
| 15.12.2020 19:14 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 5 Minuten
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Sylvia Dojen und Sigrid Wolthaus sind Kinderintensivpflegerinnen. Sie arbeiten rund um die Uhr mit schwerstkranken Kindern. Nicht viele Menschen wollen diesen Beruf ausüben. Der OZ erzählen die beiden Frauen, warum sie ihre Arbeit trotz der hohen Verantwortung lieben.

Ostfriesland - „Deinen Beruf könnte ich nicht machen“ - Diesen Satz hören Sylvia Dojen und Sigrid Wolthaus oft. Die beiden Frauen arbeiten bei „Mokids“, der ambulanten Kinderkrankenpflege der Diakoniestation Hesel-Jümme-Uplengen. Sie pflegen schwerstkranke Kinder und Jugendliche. Außenstehende empfinden ihren Beruf meist als bedrückend. Das ist er aber ganz und gar nicht, sagen die Pflegefachkräfte: „Bei uns steht nicht die Erkrankung, sondern das Leben im Vordergrund. Wir sehen uns als Entlastung und als Stütze für die Familien“, sagt Sylvia Dojen. „Die Eltern freuen sich über ganz banale Dinge, zum Beispiel darüber, dass sie einmal durchschlafen, in Ruhe duschen, lesen oder Rad fahren können“, so Dojen. „Oder auch darüber, dass sie mal allein etwas mit dem Geschwisterkind machen können“, ergänzt Sigrid Wolthaus.

An ihrer Arbeit schätzen die Frauen, dass sie sich dabei ruhige Momente für die Kinder nehmen können. „Wir haben Zeit. Wir rasen nicht von Patient zu Patient“, so Wolthaus. „Das gibt uns die Möglichkeit zum Vorlesen, für einen Spaziergang oder für eine Fußmassage.“ So schön diese Momente auch sind, ein Gedanke ist immer im Hinterkopf: Das Kind könnte einen Notfall erleiden. „Wir haben stabile Patienten. Man muss manchmal aber auch rasend schnell umswitchen und ist wieder in der Intensivpflege“, sagt Dojen.

Im Notfall legt sich ein Schalter um

In solchen Momenten ist es wichtig, sofort zu reagieren. „Man muss wissen, was zu tun ist. Geben wir die Notfallmedikamente? Rufen wir den Rettungsdienst? Das sind alles Dinge, die wir entscheiden müssen“, sagt Dojen. „Gleichzeitig müssen wir Ruhe bewahren, auch gegenüber den Eltern“, sagt Wolthaus. In solchen Notfällen lege sich bei den Pflegekräften ein Schalter um: „Das ist ein Plan, der abläuft.“

Aus dem Grund sei eine Einarbeitung sehr wichtig. „Es dauert eine Zeit, bis man den Patienten lesen kann und weiß, wie lange man warten kann, bis man das Notfallmedikament gibt“, so Dojen. Man müsse die Medikamente blind greifen können und genau wissen, wo etwas liege, betont Wolthaus. Auf das Schutzengel Huus, das die Diakonie in Remels baut und in dem sie ihre Patienten vor der Rückkehr ins eigene Zuhause treffen, freuen sich die Frauen schon sehr: „Wir erhoffen uns von dem Haus, genug Zeit für die Patienten und die Eltern zu haben, bis sie sich an die Situation gewöhnt haben.“ Auch für die Pflegekräfte selbst werde die Einarbeitung verbessert: „Wir arbeiten zwar in Teams, aber vor Ort sind wir Einzelkämpfer. Wir müssen jeden Notfall erstmal allein bei den Patienten zu Hause behandeln“, erklärt Wolthaus. „Wenn man das Kind schon mit den Kollegen über einen längeren Zeitraum gesehen hat, gibt das mehr Sicherheit.“ Die OZ sammelt mit ihrer diesjährigen Weihnachtsaktion Spenden für das Schutzengel Huus.

Der Austausch mit Kollegen ist wichtig

Doch egal, wie gut man sich vorbereitet: „Notfälle sind nicht planbar“, sagt Sylvia Dojen. Auch nach neun Jahren in der Kinderintensivpflege gebe es für sie manchmal schwierige Situationen. „Ich komme immer wieder an Punkte, an denen ich sage, ‚Boah, das war echt heftig‘“, sagt die 49-Jährige. „Dann braucht man auch mal jemanden zum Reden.“ Oft tauschen sich die Kollegen untereinander über Erlebtes aus. „Alte Hasen und junge Menschen können dabei noch voneinander lernen“, so Dojen. „Bei uns achtet man aufeinander“, sagt auch Sigrid Wolthaus.

„Ein Herz für Ostfriesland“

Die Anteilnahme der OZ-Leser am Schicksal schwer kranker Kinder und ihrer Familien ist überwältigend: Auf das Spendenkonto für den Förderverein des Schutzengel Huus Michael sind schon 55.278,94 Euro eingegangen. Die Einrichtung wird von der Diakoniestation Hesel-Jümme-Uplengen in Remels gebaut. Darin sollen Familien von intensivpflegebedürftigen Kindern und Jugendlichen nach einem Klinikaufenthalt auf den Pflegealltag zu Hause vorbereitet werden.

Die weihnachtliche Spendenaktion, eine Tradition der Ostfriesen-Zeitung, steht seit ein paar Wochen auf juristisch neuen Beinen. Als 100-prozentige Tochter der Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO) wurde die vom Finanzamt als mildtätig anerkannte gemeinnützige GmbH „Ein Herz für Ostfriesland“ gegründet. Über deren Konten läuft nun die Spendenaktion. Geschäftsführer der gGmbH ist Uwe Boden, Leiter des Geschäftskundenbereichs der ZGO. Ihm zur Seite steht ein Beirat, besetzt mit Führungskräften der ZGO.

Für Spender und Hilfsempfänger ändert sich dadurch nichts. Wie zuvor gehen 100 Prozent der Spendengelder an die Hilfsbedürftigen. Weiterhin trägt der Verlag alle Verwaltungs- oder sonstigen Kosten. Spendenquittungen dürfen nun allerdings von „Ein Herz für Ostfriesland“ ausgestellt werden. Wir sind nicht mehr auf gemeinnützige Partnerorganisationen angewiesen.

Spendenkonto:

Ein Herz für Ostfriesland gGmbH

IBAN: DE55 2859 0075 0011 1112 00

Ostfriesische Volksbank eG

Stichwort OZ-Weihnachtsaktion 2020

Während ihrer Arbeit sind die Pflegekräfte über Stunden bei den Familien zu Hause und bekommen zwangsläufig sehr viel von deren Alltag mit. In der Hinsicht müsse man eine gewisse Feinfühligkeit entwickeln. „In Alltagsangelegenheiten mischen wir uns nicht ein“, sagt Wolthaus. „Wir kümmern uns um alles, was das Kind anbelangt.“ In Seminaren werden die Mitarbeiter der Diakonie regelmäßig zum Thema Nähe und Distanz geschult. Dennoch lässt die Pflegekräfte nicht kalt, was sie während ihrer Arbeit erleben. „Ich würde lügen, wenn ich sagen würde: ‚Das geht an mir vorbei‘“, sagt Dojen. „Man muss sich aber vor Augen halten, dass man Feierabend hat und wieder gehen kann“, so Dojen. „Man muss sich die Privatsphäre wahren und einen Ausgleich finden“, sagt auch Sigrid Wolthaus: „Das ist ganz, ganz wichtig.“ Aus dem Grund arbeiten die Mitarbeiter in verschiedenen Teams. So arbeitet eine Person parallel in mehreren Familien.

Es gibt nicht viele Menschen, die den Beruf der beiden Frauen machen wollen. Auf das Thema Pflegenotstand angesprochen, kommt von Sandra Groth, Pflegedienstleitung der Diakonie, ein Seufzen: „Ich könnte ohne Weiteres 15 Vollzeitkräfte einstellen, und hätte immer noch nicht alles abgedeckt“, sagt sie. Sie habe mehrere Anfragen von Familien mit schwer kranken Kindern, die sie aus Personalnot nicht annehmen könne. Ihre Erfahrung ist, dass viele Fachkräfte die hohe Verantwortung in dem Beruf abschreckt. „Wenn man nicht direkt aus der Intensivmedizin kommt, schluckt man da erstmal“, sagt sie. „Man hat ja keinen Arzt im Hintergrund und muss genau wissen, was man kann und sich eigene Grenzen eingestehen.“ Hinzu komme die emotionale Komponente: „Das ist nicht jedermanns Sache.“

Kleine Augenblicke geben Kraft

Sylvia Dojen und Sigrid Wolthaus wollen dagegen nichts anderes mehr machen. „Der Beruf gibt uns eine Menge“, sagt Wolthaus. „Es gibt kleine Augenblicke, an denen hält man sich fest“, erzählt sie. Zum Beispiel, wenn die Kinder die Pflegekräfte erkennen. „Manchmal gibt es Sachen, von denen man denkt, das kann gar nicht sein, die aber trotzdem passieren und die man durch seine Beobachtung lernt zu lesen.“ Neben der Beatmung, dem Verabreichen von Medikamenten oder der Krampfversorgung bleibt auch Platz für spaßige Momente. „Bei uns wird viel gelacht“, sagt Dojen. Die Pflegekräfte basteln, malen oder hören Hörspiele mit den Kindern: „Und ab und zu wird auch mal getanzt - auch wenn die Kinder im Rollstuhl sitzen.“

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