Berlin (dpa)

Regierung erwartet Hunderttausende Neuinfektionen pro Tag

| 20.01.2022 00:29 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 3 Minuten
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Pflegerinnen und Pfleger sowie eine Ärztin kümmern sich auf der Intensivstation für Corona-Patienten um einen Patienten. (Archivbild). Foto: Sebastian Gollnow/dpa
Pflegerinnen und Pfleger sowie eine Ärztin kümmern sich auf der Intensivstation für Corona-Patienten um einen Patienten. (Archivbild). Foto: Sebastian Gollnow/dpa
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Die Infektionszahlen in Deutschland schießen immer weiter in die Höhe. Laut Gesundheitsminister Lauterbach ist die Spitze jedoch noch nicht erreicht. Bund und Länder beraten am Montag.

Deutschland wird nach Einschätzung von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) Mitte Februar wahrscheinlich mit mehreren Hunderttausend Corona-Neuinfizierten pro Tag konfrontiert sein.

Am Donnerstag zählte das Robert Koch-Institut bereits über 133.000 Neuinfektionen. Für Mitte, Ende Februar erwartet Lauterbach eine neue Belastungsprobe für die Krankenhäuser. Am Montag wollen Bund und Länder auf Spitzenebene über weitere Schutzmaßnahmen beraten. Lauterbachs Gesundheitsministerium zog heftige Kritik aus der Union auf sich - der Vorwurf: Jüngste Änderungen beim Genesenenstatus und beim Impfstatus von Menschen mit Erstimpfung des Präparats von Johnson&Johnson seien nicht klar mitgeteilt worden.

Lauterbach sagte am Mittwochabend in der ZDF-Sendung „Markus Lanz“, Szenarien mit einem rasante Anstieg der Fallzahlen „haben die größte Wahrscheinlichkeit“. Andere Länder könnten solch hohe Zahlen verkraften. „Da wir in Deutschland eine hohe Zahl von Ungeimpften bei den Älteren haben, kann es bei uns ganz anders ausgehen als beispielsweise in Italien, Frankreich oder England.“ 

Sieben-Tage-Inzidenz über 600

Die Zahlen in Deutschland schnellen weiter rasant in die Höhe. Die Sieben-Tage-Inzidenz stieg am Donnerstag erstmals über 600 - der Wert lag bei 638,8 registrierten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb einer Woche. Lauterbach hatte gesagt, die Dunkelziffer liege etwa bei Faktor zwei.

Lauterbach sagte: „Die richtige Belastung auf den Intensivstationen würde ich Mitte, Ende Februar erwarten, das ist noch ein Monat hin und dann hoffe ich, dass es dann noch gut aussieht.“

PCR-Tests nicht mehr für alle

Angesichts knapper werdender PCR-Tests will Lauterbach Beschäftigte in sensiblen Gesundheitseinrichtungen bei der Laborauswertung bevorzugen. „Wir werden tatsächlich so hohe Fallzahlen bekommen, dass wir die PCR verteilen müssen, priorisieren müssen, dazu werde ich am Wochenende einen Vorschlag vorlegen, wie das passieren soll“, kündigte Lauterbach an. Ein Verordnungsentwurf sieht „eine vorrangige Befundung von Probenmaterial von Beschäftigten mit Kontakt zu besonders vulnerablen Personengruppen“ vor. Die Beschlussvorlage soll laut Lauterbach am Montag bei der Ministerpräsidentenkonferenz beschlossen werden.

Deutsche Kliniken dringen auf mehr Tempo für eine Impfpflicht. „Wir haben die große Sorge, dass die Politik den richtigen Zeitpunkt für eine Impfpflicht verpasst und wir bei der nächsten Variante wieder vor den gleichen Problemen in den Krankenhäusern stehen“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhaus-Gesellschaft, Gerald Gaß, der „Augsburger Allgemeinen“. Auch Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) spricht sich für eine „zügige Entscheidung“ aus, wie er der „Passauer Neuen Presse“ sagte.

Union kritisiert: Kommunikation „ein Totalausfall“

Heftige Kritik an der Kommunikation von Lauterbachs Ministerium kam aus der Union. Stein des Anstoßes sind eine Verkürzung der Geltungsdauer des Genesenenstatus von sechs Monate auf 90 Tage sowie die Änderung, dass man nach einer Johnson&Johnson-Erstimpfung erst mit einer zweiten Impfung als voll geschützt gilt. Bisher reichte eine Impfung. Die Änderungen waren lediglich auf den Internetseiten des Robert Koch-Instituts und des Paul-Ehrlich-Institut bekannt gemacht worden, nachdem eine vom Gesundheitsressort auf den Weg gebrachte Verordnung diese Behörden dazu die Kompetenz gegeben hatte.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) sagte der „Welt“: „Wir müssen versuchen, die Menschen mit Argumenten zu gewinnen und nicht, indem wir sie überrumpeln.“ Er sei nicht mehr bereit, ein Verfahren im Bundesrat mitzutragen, „bei dem man die konkreten Konsequenzen nicht kennt“. Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) sagte dem Blatt, zwar sei es richtig, sich nach den jeweils neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen zu richten. Doch es reiche dafür nicht, „eine Regeländerung auf seine Website zu schreiben“. Der gesundheitspolitischen Sprecher der Unionsfraktion, Tino Sorge (CDU), monierte, die Kommunikation der Entscheidungen sei „ein Totalausfall“ gewesen.

© dpa-infocom, dpa:220120-99-776031/7

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