Serie „Fehntjer Geschichte(n)“ „Ut min Dörp“ – Toni Wübbens setzte Timmel ein Denkmal
Eine Liebeserklärung an Timmel, entstanden in der Ferne: Toni Wübbens schrieb bis 1910 über ihr Dorf und die Kindheit auf dem Fehn. In ihrem Geburtshaus ist die Erinnerung an sie noch sehr lebendig.
Timmel - Mit der Veröffentlichung des Gedichtbandes „Ut min Dörp“ setzte Toni Wübben ihrem Geburtsort Timmel ein Denkmal. Erst kurz vor ihrem Tod im Dezember 1910 durch ein Unglück, vermutlich ein Verkehrsunfall, wurde der im Verlag Heinrich Feesche in Hannover, ihrem letzten Wohnort, gedruckt. Auch begann sie spät mit dem Schreiben. Sie ist neben Wilhelmine Siefkes und Martha Köppen-Bode eine von nur drei ostfriesischen Schriftstellerinnen, die Anfang des 20. Jahrhunderts Bekanntheit erlangten. Neben dem Gedichtband gibt es nur wenige Veröffentlichungen der Timmelerin, darunter der hochdeutsche Familienroman „Die Althofens“. In Ostfriesland aber wird sie vor allem für ihren Gedichtband „Ut min Dörp“ verehrt, in dem sie den Leser mit lebhafter Sprache, Melancholie und Wortwitz in ihre Kindheit im ländlich geprägten Ostfriesland mitnimmt.
Geboren wurde die Schriftstellerin vor 174 Jahren. Sie kam am 17. Mai 1850 als Antonie Louise Caroline Töpfer im einstigen Arzthaus von Timmel auf die Welt. Einem Eintrag im Biographischen Lexikon für Ostfriesland der Ostfriesischen Landschaft zufolge, verfasst von Jürgen Byl, war ihre Mutter Louise Lantzius Beninga vom Gut Stikelkamp (Hesel). Ihr Vater war der Landarzt Carl Wilhelm Töpfer, der das Arzthaus 1842 an der Kreuzung An der Seefahrtschule und Ulbarger Straße hatte bauen lassen. Er stammte aus Aurich und hatte zuvor in Göttingen Medizin studiert. Anschließend hatte er die vakante Arztstelle in Timmel angetreten. Das große Haus im Herzen Timmels steht noch heute in unmittelbarer Nachbarschaft zur historischen Navigationsschule und war über Jahrzehnte hinweg als Arzthaus bekannt.
Die Hartmanns und ihr „Altes Dichterhaus“
Jetzt aber trägt es dank seiner neuen Bewohner den Namen „Altes Dichterhaus“. Im Mai 2014, genau vor zehn Jahren also, eröffneten Stephanie und Jens Hartmann ein Gästehaus in dem denkmalgeschützten Gebäude unter diesem Namen. „Wir haben es 2012 entdeckt“, erinnert sich Stephanie Hartmann. Das Paar lebte damals noch in Köln und wollte sich beruflich verändern und ein gemeinsames Projekt beginnen. Beide seien gelernte Reiseverkehrskaufleute – und gemeinsam viel gereist. So sei der Wunsch entstanden, selbst eine Frühstückspension, ein kleines Bed & Breakfast, zu eröffnen. Sie ist Rheinländerin, er Ostfriese mit Wurzeln in Leer, erzählt sie. Die Suche nach einer geeigneten Immobilie führte sie dann durch Zufall nach Timmel.
Das Haus habe es ihnen direkt bei der ersten Besichtigung angetan: „Wir sind beide hier reingekommen und haben gesagt: Das passt einfach.“ Auch die Geschichte des Hauses habe sie sofort angesprochen. Der Dorfverein „Uns Timmel“ hatte bereits 2009 eine Tafel zur Erinnerung an Antonie Wübbens am Haus angebracht. Schnell sei Hartmanns klar gewesen, dass dieses Haus nicht länger das „Arzthaus“ sein würde. Sie nannten es „Altes Dichterhaus“. Bis das fertig war und die ersten Gäste hier empfangen werden konnten, mussten sie zunächst die Ärmel hochkrempeln und kräftig anpacken. Gut ein Jahr sollte es dauern. Der ursprüngliche Grundriss des Hauses wurde erhalten. Für das Paar selbst entstand Wohnraum in der alten Kutschenremise.
Erinnerungen an eine „fast vergessene“ Heimatdichterin
Die Landschaftsbibliothek machte Toni Wübbens „Ut min Dörp“ im April 2013 zum „Buch des Monats“. Monatlich wechselnd werden so „wichtige Bücher und wertvolle Schätze“ gewürdigt. Damit rückte die „fast vergessene ostfriesische Schriftstellerin“, wie Cornelia Ibbeken, die noch heute ehrenamtlich für die Landschaftsbibliothek tätig ist, sie in ihrem begleitenden Artikel nennt, wieder etwas in den Fokus der Öffentlichkeit. Wübbens Nachlass befindet sich im Besitz der Landschaft.
Im „Alten Dichterhaus“ gibt es ebenfalls eine Ausgabe von „Ut min Dörp“. Eine Originalausgabe, berichtet Stephanie Hartmann nicht ohne Stolz. Eine Schenkung. Toni Wübbens lyrischen Werke versetzen ihre Leser zurück in ihre Kindheit. Sie beschreibt ein Timmel, das es so längst nicht mehr gibt – und wohl auch schon nicht mehr gab, als die Dichterin aus der Ferne ihre lyrischen Zeilen darüber schrieb. Byl arbeitet in seinem Lexikoneintrag eine entscheidende Ambivalenz in der Kindheit der Schriftstellerin heraus: Der bäuerliche Charakter des abgeschiedenen Timmels, in dem ganz natürlich Plattdeutsch gesprochen wurde, und der gutsituierte bürgerliche Arzthaushalt. Wübbens sei von einer Erzieherin betreut worden.
Bodenständige Lyrik, geprägt durch Liebe zu Timmel
Mit zwölf Jahren endete die Timmeler Zeit der späteren Heimatdichterin. Antonie Wübbens besuchte die Töchterschule in Leer. Im Alter von 25 Jahren heiratete sie den Kaufmann Arnold Wübbens aus Norden, mit dem sie nach Hannover ging. Das Paar bekam vier Kinder, der einzige Sohn starb kurz nach der Geburt. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass ihre Tochter Fanny Wübbens den Gedichtband illustriert hatte. Dieser „Buchschmuck“, wie er in „Ut min Dörp“ benannt wird, ist nicht der einzige von ihr. Für mindestens zwei weitere Werke hat sie nachweislich Illustrationen beigesteuert.
Sowohl Byl als auch Ibbeken halten Wübbens Kindheit in Timmel für überaus prägende Jahre in Bezug auf ihr späteres Schaffen. Byl bescheinigt Wübbens Lyrik künstlerische Geschlossenheit, große Einfühlungsgabe und eine künstlerische Nähe zu Theodor Storm. Für Ibbeken hallen in den Zeilen der Gedichte persönliche, tragische Erfahrungen der Verfasserin deutlich nach. Ihr fast schon bodenständiger Stil steht im Einklang mit ihrer ostfriesischen Herkunft und sei untypisch für die damalige Zeit: „Einfachheit und Geschlossenheit kennzeichnen ihre Lyrik.“ Melancholisch, vielschichtig und zugleich voller Empfindsamkeit für die Natur, so skizziert Ibbeken das lyrische Wirken der Schriftstellerin mit den ostfriesischen Wurzel. Und auch das steht für sie fest: „Toni Wübbens Gedichte sind durchdrungen von ihrer Liebe zu dem Dorf Timmel.“
Die Geschichtswerkstatt des „Fehnmuseums Eiland“ in Westgroßefehn hat in seiner Textsammlung auf der Internetseite des Vereins ein Exemplar von “Ut min Dörp“ archiviert, dass Interessierte herunterladen und lesen können.