In eigener Sache Sechs Meinungen zum Einstand

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Eine Kolumne von Lars Reckermann
| 01.11.2023 06:02 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 6 Minuten
Lars Reckermann Foto: Oliver Giers
Lars Reckermann Foto: Oliver Giers
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Moin Ostfriesland! Seit dem 1. November ist Lars Reckermann unser neuer Chefredakteur. Hier verrät er, wie er so tickt.

Ich bin etwas aufgeregt. Diese Zeilen hier sind ja so etwas wie meine Bewerbung …, also bei Ihnen, liebe Leserinnen und Leser. Da muss jedes Wort sitzen. Der erste Eindruck bekommt selten eine zweite Chance.

„Was will der Mann von mir?“, sagen Sie jetzt vielleicht – und mit Recht. Wie unhöflich von mir. Ich habe mich noch gar nicht richtig vorgestellt: Ich heiße Lars Reckermann und bin seit dem 1. November 2023 der neue Chefredakteur der Ostfriesen-Zeitung (OZ), des General-Anzeigers Rhauderfehn (GA) und der Borkumer Zeitung (BZ). Was sollten Sie von mir wissen? Ich bin 53 Jahre alt, gehöre keiner politischen Partei an, halte mich für kommunikativ, liebe die Eckkneipe (so es sie überhaupt noch gibt) und betone bei jeder Gelegenheit, dass ich mir als Schulfach „neugierig sein“ wünschen würde.

Starkes Team in der Redaktion

Ich habe großes Glück, dass ich in der Redaktion auf ein starkes Team zurückgreifen kann. Das macht mir den Start in Ostfriesland leicht. Viele Kolleginnen und Kollegen kenne ich bereits. Jetzt möchte ich mehr über Sie, also die Menschen in dieser wunderbaren Region lernen. Ich komme gerne zu Ihnen – in den Verein, zu Ihren Treffen, um mit Ihnen über Lokalzeitung zu reden oder mir Ihre Geschichten anzuhören. Ich bringe einen Podcast mit. „Ein Glas mit Lars“, heißt die Reihe. Entschuldigung, aber mir ist kein anderer Schüttelreim eingefallen. Wenn Sie mir also Ihre Geschichte erzählen wollen, schreiben Sie mir eine Mail (l.reckermann@zgo.de) und schon gehen wir auf Sendung. So lerne ich eine Menge über Ostfriesland. Sowieso: Was muss ich gesehen haben? Wo atme ich Ostfriesland am besten, wo rieche und schmecke ich es? Immer her mit den Tipps.

Ich möchte mit Ihnen aber auch diskutieren, auch streiten von mir aus, aber bitte ohne Spuckfäden vor dem Mund. Zuzuhören, andere Meinungen zu respektieren, auch wenn es nicht die eigene ist … diese Tugenden stehen ja aktuell nicht allzu hoch im Kurs. Dabei habe ich hier im Norden gelernt, wie wichtig es ist, einander zuzuhören. Mit Junglandwirten in Wildeshausen habe ich 2017 das „Duell der Felder“ ins Leben gerufen. Zeitungsredakteure und Junglandwirte haben je ein Kartoffelfeld bestellt. Außerdem haben die Junglandwirte Zeitung gemacht. Alles wurde journalistisch begleitet. So lernte jede Seite Respekt vor der Arbeit des anderen.

Missstände direkt benennen

Apropos Respekt. Kommt es Ihnen nicht auch so vor, dass uns der abhandengekommen ist? Nein, man brüllt nicht andere Menschen nieder oder schlägt auf sie ein. Ich möchte diesbezüglich auch keine Statistik mehr sehen, die mir aufrechnet, dass rechte oder linke Idioten oder aus welcher Himmelsrichtung auch immer sie kommen mögen, doch für weniger Übergriffe verantwortlich sind. Was soll mir das sagen? Die anderen sind noch schlimmer?

Wir müssen Missstände direkt benennen dürfen, ohne dass uns die ein oder andere Gruppe gleich mit einem Attribut brandmarkt. Ich gebe sechs Statements ab, wohlwissend, wie dünn jetzt gerade das Eis wird, auf dem ich stehe. Ein Redakteur muss das aushalten – und Sie dürfen, nein Sie müssen von meinen Kolleginnen und Kollegen und mir eine klare Meinung verlangen. Ich betone das Wort Meinung, denn es ist meine Meinung, die Sie jetzt lesen. Sie ist persönlich, durch und durch subjektiv. Jetzt also einmal ein Blick in meine Gedankenwelt, stakkatoartig. Sie sollen mich durch diesen Text ja besser kennenlernen:

Sechs Meinungen von Lars Reckermann

  1. Es kann mit Blick auf die abscheulichen Taten der Hamas kein „aber, …“ geben. Diese Tat ist durch nichts zu rechtfertigen.
  2. Es gibt ein Völkerrecht und daran hat sich auch ein Staat Israel zu halten.
  3. Ich finde es richtig, dass aktuell palästinensische Demonstrationen verboten werden und der Staat Härte zeigt, wenn aus Freude über den Mord an Unschuldigen auf der Straße Süßigkeiten verteilt werden und frohlockt wird.
  4. Kein Mensch setzt seine Familie in einen Seelenverkäufer, um in Europa Sozialgeld zu kassieren. Die Menschen wollen menschenwürdig und in Frieden leben. Es ist unsere Pflicht, uns um sie zu kümmern.
  5. Die Migrationspolitik der Bundesregierung ist kläglich gescheitert. Wir haben den Überblick verloren. Wir müssen deutlich machen: Wer sich der Anpassung verweigert, bleibt außen vor. Zu hart finden Sie? Finde ich nicht. Integration lebt vom miteinander, vom gegenseitigen Verständnis. Wenn wir indes zulassen, dass Menschen, die in dieses Land kommen, sich nicht anpassen müssen, weil sie direkt in Gemeinschaften kommen, die überhaupt keine Veränderung wollen, kann das System nicht funktionieren.
  6. Mit Klimaleugnern kann ich nichts anfangen. Mit Menschen, die sich auf die Straße kleben, aber auch nicht. Wir müssen alles tun, um das Überschreiten der 1,5-Grad-Marke so gering wie möglich zu halten. Dafür brauchen wir eine nachvollziehbare Politik. Das Heizungsgesetz hat alle Menschen verunsichert. In der Klimapolitik muss es mehr Pragmatismus statt Ideologie geben.

Teilnahme an der Diskussion

Das waren jetzt sechs Meinungsäußerungen. Sie merken, wie komplex diese Welt ist.

Ihnen diese Welt zu erklären, Sie an der Diskussion teilnehmen zu lassen – das ist die Aufgabe einer Zeitung. Ukraine, Israel, Straßenkämpfe … „das ist doch nicht die Welt vor meiner Haustür“, sagen Sie. Natürlich haben der Ukrainekrieg (ja, der tobt noch immer) und der Nahost-Konflikt genauso wie die Klimapolitik und die Migration direkte Auswirkungen auf Ostfriesland. Meine Kolleginnen und Kollegen berichten darüber täglich. Sie erläutern Verbindungen. Sie erzählen aber auch immer Geschichten fernab internationaler Politik. Geschichten voller Hoffnungen, Geschichten zum Schmunzeln. Gute Nachrichten lesen Sie ebenfalls täglich bei uns. Manchmal hängt es davon ab, ob sie eher zum Team „Glas-halbvoll“ oder „Glas-halbleer“ gehören. Ein Unfall nur mit Blechschaden, ohne Verletzte, ist für mich eine gute Nachricht.

Die Liebe zur Nachricht

Wie vielfältig unsere Arbeit ist, hat mir in meinem Podcast mein geschätzter Kollege Heiko Müller erzählt. Heiko ist ein Lokalreporter durch und durch. Seit mehr als vier Jahrzehnten berichtet er aus der einwohnergrößten Stadt in Ostfriesland, aus Emden. Als Heiko anfing, „Zeitung zu machen“, gab es noch Telefone mit Wählscheiben und Fotos wurden in der Dunkelkammer belichtet. Heute podcastet Heiko, er macht schnelle Fotos und Videos mit seinem Handy und seine Texte erscheinen digital und gedruckt.

Eines hat sich in all den Jahren indes im Reporterleben nie verändert. Die Liebe zur Nachricht, zur Geschichte. Daran dürfen Sie uns, dürfen Sie mich messen. Ich freue mich auf Sie. Moin und auf gute Zusammenarbeit, Ihr Lars Reckermann

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