Erinnerungen ans Blütenmeer Als im Rheiderland noch riesige Tulpenfelder blühten

| | 21.04.2024 10:51 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
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Die Tulpenfelder in Landschaftspolder lockten viele Schaulustige an. Foto: Dollard-Museum
Die Tulpenfelder in Landschaftspolder lockten viele Schaulustige an. Foto: Dollard-Museum
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Nur 15 Kilometer von Bunde entfernt, kann man im niederländischen Reiderwolderpolder derzeit ein riesiges Blütenmeer bestaunen. Das gab es auch im Rheiderland. Dieter Hunken aus Bunde erinnert sich.

Reiderwolderpolder/Bunde - Bei strahlendem Sonnenschein und blauem Himmel ist das Leuchten schon von weitem zu sehen. Die Köpfe von Millionen von Tulpen in allen möglichen Farben wiegen sich sanft im Wind, am Himmel trillert eine Feldlerche. Paradiesisch. Das viele Hektar große Blütenmeer in Reiderwolderpolder in der niederländischen Gemeinde Oldambt ist jedes Jahr im Frühling ein Publikumsmagnet. Auch für Rheiderländer. Dabei wissen viele nicht, dass es solche Felder auch in Landschaftspolder und Bunderhammrich (Gemeinde Bunde) gab. Dieter Hunken aus Bunde hat die Blütezeit der Tulpenzwiebelvermehrung als Kind miterlebt und erinnert sich noch gut an die Zeit.

Mit diesem Rad wurde die Maschine zum Reinigen der Tulpenzwiebeln in Gang gesetzt. Foto: Ortgies
Mit diesem Rad wurde die Maschine zum Reinigen der Tulpenzwiebeln in Gang gesetzt. Foto: Ortgies

„An den Wochenenden war dort richtig was los“, sagt er. Die Familien kamen meist mit dem Auto. Scharenweise. „Ich selbst bin in Bunde aufgewachsen, aber einige meiner Klassenkameraden aus Landschaftspolder hatten am Montag in der Schule immer ordentlich was zu erzählen.“

Fehlfarben nennt man es, wenn in einem Feld Tulpen einer anderen Farbe wachsen. Um eine reine Sorte zu gewährleisten, werden ihren Knollen aussortiert. Foto: Ortgies
Fehlfarben nennt man es, wenn in einem Feld Tulpen einer anderen Farbe wachsen. Um eine reine Sorte zu gewährleisten, werden ihren Knollen aussortiert. Foto: Ortgies

Schüler verkauften Blütengirlanden

Die Schüler verkauften nicht nur Tulpensträuße, sondern auch aufgefädelte Blüten als Tulpengirlanden an die Ausflugsgäste. „Die haben ihnen die Besucher abgekauft und vorne ins Auto gelegt.“ Daran habe man immer sofort erkennen können, wer einen Ausflug nach Landschaftspolder gemacht hatte. Doch nicht nur damit hätten seine Mitschüler vom Polder sich ein Taschengeld verdient. „Einige haben beim Säubern der Tulpenzwiebeln geholfen und dafür ein paar Pfennige bekommen.“

Nicht nur Frauen waren fürs Reinigen der Tulpenzwiebeln zuständig. Auch Schulkinder aus Landschaftspolder verdienten sich damit ein kleines Taschengeld. Foto: Dollard-Museum
Nicht nur Frauen waren fürs Reinigen der Tulpenzwiebeln zuständig. Auch Schulkinder aus Landschaftspolder verdienten sich damit ein kleines Taschengeld. Foto: Dollard-Museum

Das Interesse der Landwirte galt übrigens nicht den Tulpen als Schnittblumen, sondern der Gewinnung und dem Verkauf ihrer Zwiebeln. Der boomte nämlich Anfang der 1930er Jahre. Anfangs war das Tulpenpflanzen mühsame Handarbeit.

Das Blütenmeer ist jedes Jahr im Frühling ein Publikumsmagnet im niederländischen Reiderwolderpolder. Foto: Gettkowski
Das Blütenmeer ist jedes Jahr im Frühling ein Publikumsmagnet im niederländischen Reiderwolderpolder. Foto: Gettkowski

Pflanzpflug als Arbeitserleichterung

„Der Pflanzpflug hat die Arbeit später aber erleichtert“, berichtet Dieter Hunken. Er ist im Rheiderland nicht nur als Müller der Bunder Mühle bekannt. Hunken gehört auch zum Mitarbeiter-Team im Dollart-Museum und kann Besuchern viel Wissenswertes aus erster Hand über die Blütezeit der Tulpenzwiebelgewinnung berichten. Viele Geräte und Maschinen von früher sind dort zu sehen.

Wie aus einem Bilderbuch: Die Tulpenfelder im niederländischen Reiderwolderpolder ziehen viele Schaulustige an – wie einst auch die Felder in Landschaftspolder. Foto: Gettkowski
Wie aus einem Bilderbuch: Die Tulpenfelder im niederländischen Reiderwolderpolder ziehen viele Schaulustige an – wie einst auch die Felder in Landschaftspolder. Foto: Gettkowski

Einige hat der damalige Schmiedemeister Hermann Wessels entwickelt – zum Beispiel die Blumenzwiebel-Waschmaschine. In der länglichen Trommel wurden die Tulpenzwiebeln vor dem Trocknen gewaschen und von Resten des hartnäckigen Kleibodens gesäubert.

Die Tulpenfelder in Reiderwolderpolder strahlen in unterschiedlichsten Farben und erstrecken sich über viele Hektar. Foto: Gettkowski
Die Tulpenfelder in Reiderwolderpolder strahlen in unterschiedlichsten Farben und erstrecken sich über viele Hektar. Foto: Gettkowski

Tulpenköpfmaschine erleichterte die Arbeit

Dieter Hunken fällt dazu beim Erzählen eine Anekdote ein. Als der Schmiedemeister mit dem Bau der Maschine fertig war, musste sie noch gestrichen werden – auch von innen. „Diese Aufgabe hat damals der Grundschullehrer Eckhard Henning aus Landschaftspolder übernommen“, weiß Dieter Hunken zu berichten. Der Lehrer sei so klein und dünn gewesen, dass er problemlos in die schmale Trommel krabbeln konnte. „Er hat sich darin Stück für Stück vorgearbeitet und sie von innen angepinselt.“

Dieter Hunken zeigt im Museum eine Tulpenwaschmaschine. Entwickelt wurde sie von Hermann Wessels. Foto: Ortgies
Dieter Hunken zeigt im Museum eine Tulpenwaschmaschine. Entwickelt wurde sie von Hermann Wessels. Foto: Ortgies

Eine Maschine, die für die Zwiebelgewinnung wichtig war, ist zwar auf Fotos im Museum zu sehen, aber nicht mehr im Original erhalten: die Tulpenköpfmaschine, die ebenfalls vom Schmiedemeister Hermann Wessels entwickelt worden war.

Dieter Hunken zeigt eine Rüttelmaschine, mit der die Tulpenzwiebeln nach unterschiedlichen Größen sortiert wurden. Foto: Ortgies
Dieter Hunken zeigt eine Rüttelmaschine, mit der die Tulpenzwiebeln nach unterschiedlichen Größen sortiert wurden. Foto: Ortgies

Konkurrenz aus den Niederlanden

„Das war eine enorme Arbeitserleichterung, weil die Blüten bis dahin in Handarbeit abgeschnitten werden mussten.“ Davon existierten laut Hunken nur zwei Stück. Dass eine davon zerstört worden war, sei bekannt gewesen. Der Verbleib der zweiten Maschine war aber unklar – bis zu einer Führung im Dollard-Museum. „Ein Besucher aus den Niederlanden erzählte mir, dass sie dort verschrottet worden ist.“

In dieser Trommel wurden die Tulpenzwiebeln gewaschen. Foto: Ortgies
In dieser Trommel wurden die Tulpenzwiebeln gewaschen. Foto: Ortgies

Heute prägen Mais- oder Getreidefelder das Bild in Landschaftspolder. Ein paar Blühstreifen für Insekten findet man dort noch, aber die Zeit der bunten Tulpenfelder ist Geschichte. Sie endete etwa Mitte der 1970er Jahre, nicht zuletzt, weil die Anbau- und Erntemethoden zu personalintensiv waren und die Konkurrenz aus den Niederlanden groß war.

Das Blütenmeer in Reiderwolderpolder lockt auch bei wolkenverhangenem Himmel Schaulustige an, die dort Fotos machen. Foto: Gettkowski
Das Blütenmeer in Reiderwolderpolder lockt auch bei wolkenverhangenem Himmel Schaulustige an, die dort Fotos machen. Foto: Gettkowski

„Dort hatte man die Anbaumethoden nämlich weiterentwickelt“, erzählt Dieter Hunken. Um einen Eindruck zu bekommen, wie Landschaftspolder einst geleuchtet hat, müssen Rheiderländer im Frühling nicht weit fahren. Von Bunde nach Reiderwolderpolder sind es mit dem Auto nur 15 Kilometer.

Ein Teil der Ausstellung im Dollard-Museum in Bunde ist der Blütezeit der Tulpenzwiebelgewinnung gewidmet. Viele alte Maschinen, Geräte und Fotos aus der Zeit sind dort zu sehen. Foto: Gettkowski
Ein Teil der Ausstellung im Dollard-Museum in Bunde ist der Blütezeit der Tulpenzwiebelgewinnung gewidmet. Viele alte Maschinen, Geräte und Fotos aus der Zeit sind dort zu sehen. Foto: Gettkowski