Katastrophen

Katastrophe: Hilfe aus Ostfriesland kommt ins Rollen

| | 18.07.2021 19:22 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 5 Minuten
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Die Hochwasserkatastrophe im Westen der Bundesrepublik hat auch in Ostfriesland viele Aktionen für die Opfer ausgelöst. Landwirte stellen Lkw-Ladungen Heu und Stroh für Tiere in Not bereit.

Was und warum

Darum geht es: Die Hilfsbereitschaft in der Gesellschaft für die Opfer der Flutkatastrophe im Westen Deutschlands wächst auch in Ostfriesland.

Vor allem interessant für: Menschen, die den Folgen der Katastrophe nicht tatenlos zusehen und helfen wollen.

Deshalb berichten wir: Über soziale Medien, Anrufe und E-Mails erfuhr unsere Redaktion von zahlreichen Hilfs- und Spendenaktionen in Ostfriesland. Wir waren außerdem vor Ort, als ein Laster in Emden mit Heu und Stroh für Vieh in Not beladen wurde.

Den Autor erreichen Sie unter: h.mueller@zgo.de

Ostfriesland - Die Hochwasserkatastrophe im Westen der Bundesrepublik hat auch in Ostfriesland große Hilfsbereitschaft in der Gesellschaft ausgelöst. In vielen Orten der Region starteten Privatleute, Organisationen und Landwirte am Wochenende teils spontane Aktionen, um den Opfern in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz zu helfen. Weitere Initiativen kommen laufend hinzu.

Die beiden Emder Timothy Keller und Alan Khalil riefen am Sonnabend beispielsweise kurzentschlossen eine Sammlung von Geld- und Sachspenden ins Leben, um Menschen zu helfen, die infolge der Unwetter binnen weniger Minuten ihre Existenz und ihr Zuhause verloren. „Wir haben selber Freunde vor Ort, die über eine kriegsähnliche Situation sprechen“, schrieben die beiden jungen Emder in ihrem Aufruf bei Facebook.

Zwei Emder engagieren sich

Beide nahmen nach eigenen Angaben auch bereits Kontakt zu Hilfsorganisationen in den betroffenen Gebieten auf, um zu erfahren, was am dringendsten benötigt wird. Zudem haben Keller und und Khalil bereits etwa 300 Kartons organisiert, um Lebensmittel oder Kleidung transportieren zu können.

Der Lions-Club Friesische Freiheit aus Emden stellte am Wochenende unterdessen spontan in Benefiz-Straßenkonzert des Emder Musikers Gerrit Akkermann auf die Beine. Der Gitarrist und Sänger trat am Sonntagvormittag vor vielen Leuten im Emder Stadtgarten auf. Die Schirmherrschaft für das Konzert hatte der Emder Oberbürgermeister Tim Kruithoff (parteilos) übernommen. Es kamen mehr als 2850 Euro zusammen.

Heu und Stroh für Tiere in Not

Hilfe anderer Art kommt von zahlreichen Landwirten, Lohnunternehmen, Pferdehaltern und Reitsportlern in vielen Teilen Ostfrieslands. Sie spenden Heu und Stroh aus ihren Reserven für Pferde und anderes Vieh in den Katastrophengebieten. Die Tiere sind teils schon tagelang ohne Futter und Einstreu. Sie kommen aus überschwemmten Ställen. Das Gras auf den Weiden, die überflutet waren, fressen sie nicht mehr.

Heike Neukötter organisiert die Heutransporte. Foto: Privat
Heike Neukötter organisiert die Heutransporte. Foto: Privat
Die Fäden der Hilfsaktion laufen bei der Pferdehalterin Heike Neukötter in Ostermoordorf (Gemeinde Großheide) zusammen. Sie ereilte am Freitag aus ihrer früheren Heimaststadt Rhede in Nordrhein-Westfalen ein Hilferuf des Vereins Equitrans Pferdetransport, der Pferden in Not hilft.

Sechs Lastzüge kamen schon an

Die 52-Jährige, ihr Mann Sebastian Mohr, ihre 18 Jahre alte Tochter Pia Schmülling und deren Freund Andre Weers setzten daraufhin alle Hebel in Bewegung. Sie sprachen befreundete Landwirte, Pferdehalter und Reitsportler sowie Spediteure und Lohnunternehmen in und außerhalb der Region an und starteten einen Aufruf in den sozialen Medien.

Damit hat Neukötter eine Lawine losgetreten. Ihr Handy und die Mobiltelefone ihrer Angehörigen klingeln fast pausenlos. Die Familie ist quasi rund um die Uhr dabei, die Hilfsangebote zu koordinieren. Binnen von zwei Tagen sind bislang mindestens sechs Lastzüge mit Heu- und Heulageballen von Ostfriesland auf die Reise zu einem zentralen Zwischenlager in Nordrhein-Westfalen gegangen, weitere sind in Vorbereitung oder in Planung.

Lastwagen in Emden beladen

Neukötter sucht noch Spediteure, die weitere Transporte übernehmen wollen, sowie einen Lohnunternehmer, der rund 20 Hektar Grünland bei Emden mähen und das Heu aufbereiten kann. „Dringend benötigt wird unter anderem auch Material für Weidezäune“, sagte die Initiatorin. Sie geht davon aus, dass die Futterhilfe noch einige Wochen lang notwendig bleiben wird.

An der Hilfsaktion für Not leidendes Vieh in den Katastrophengebieten beteiligen sich unter anderem mehre Landwirte und Pferdefreunde aus dem Petkumer Hammrich bei Emden. Sie beluden am Sonntagmorgen einen 40-Tonner mit etwa 35 Heu- und Heulageballen. Mindestens vier weitere Transporte aus der Umgebung von Emden sind bereits in Planung, hieß es.

Initiativen in ganz Ostfriesland

Einer der Initiatoren in Emden ist der Reitsportler Thomas Haneborger, der am Wochenende nach einem Anruf von Neukötter eine Telefonkette in der Nachbarschaft startete und überall offene Ohren fand „Die Aktion stand innerhalb von einer Stunde“, sagte der Landwirt Henk Feerksen, der ebenfalls sofort mitmachte.

Der erste Laster, den die Petkumer beluden, war am Sonntagmorgen leer aus dem nordrhein-westfälischen Bergheim gekommen. Am Steuer saß Christian Hommen. Er war am Sonnabend in den späten Abendstunden mit seiner Partnerin in Bergheim gestartet und fast die ganze Nacht durchgefahren.

Chef zögerte nicht lange

„Ich hatte in einer Trucker-Gruppe bei Facebook von der Aktion gelesen und wollte helfen“, sagte er, Der Spediteur, für den er arbeitet, habe ihm nach einem Anruf den Lkw zur Verfügung gestellt: „Mein Chef sagte, ich könne den Transporter sofort vom Hof holen.“ Ähnliche Initiativen von Landwirten und Pferdehaltern wie die aus dem Petkumer Hammrich gibt es auch laut Neukötter auch in anderen Orten Ostfrieslands, unter anderem in der Krummhörn, in Esens und in Moormerland.

„Wir sind für euch da“, heißt es einer Sprachnachricht, die Neukötter von einem befreundeten Heu- und Streuhändler erhielt. Die Landwirte hätten zwar eigene Probleme, aber das sei „alles nicht so schlimm wie das“, meint er. Die Initiatorin müsse nur sagen, wie viele Laster sie benötige. „Und wenn es 20 oder 30 sein müssen, ich schicke sie euch“, so der Anrufer.

Wer Kontakt zu Heike Neukötter oder ihrer Tochter Pia Schmülling aufnehmen möchte, kann sie unter den Mobilfunknummern 0172 / 2 85 58 00 beziehungsweise 0174 / 3 42 41 04 erreichen.

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