Justiz

Bootsunfall von Barßel wird in Emden weiterverhandelt

Claus Arne Hock
|
Von Claus Arne Hock
| 15.08.2021 17:58 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 5 Minuten
Artikel hören:
2016 gab es einen schweren Unfall mit zwei Sportbooten im Barßeler Tief. Der Prozess zum Unfall wird nun in Emden fortgesetzt. Foto: nonstopnews/Archiv
2016 gab es einen schweren Unfall mit zwei Sportbooten im Barßeler Tief. Der Prozess zum Unfall wird nun in Emden fortgesetzt. Foto: nonstopnews/Archiv
Artikel teilen:

Ab diesem Montag wird in Emden der Sportboot-Unfall im Barßeler Tief verhandelt – fünf Jahre, nachdem er passierte. Zwei Menschen starben 2016, ein Bootsführer steht jetzt vor Gericht.

Was und warum

Darum geht es: Rund fünf Jahre nach einem schweren Sportbootunfall in Barßel gibt es nun den erneuten Versuch einer Klärung vor Gericht.

Vor allem interessant für: Diejenigen, die sich an den schweren Unfall erinnern.

Deshalb berichten wir: Die unklaren Zuständigkeiten und die lange Dauer der Aufarbeitung des tragischen Unfalls haben bundesweit Schlagzeilen gemacht. Nun soll der Fall endgültig geklärt werden.

Den Autor erreichen Sie unter: c.hock@zgo.de

Barßel/Emden - Rund fünf Jahre ist es jetzt her, dass in Barßel im Landkreis Cloppenburg zwei PS-starke Sportboote beim Hafenfest auf dem Barßeler Tief verunglückten. Sie rasten mit jeweils vier Insassen auf einer nächtlichen Spritztour ineinander. Ein Bootsführer und eine junge Frau wurden getötet, die anderen Mitfahrer verletzt. Die Aufarbeitung des Unglücks zieht sich. Zunächst erklärten sich mehrere Gerichte für nicht zuständig. Erst der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe verwies die Sache an das Schifffahrtsgericht beim Amtsgericht Emden. Dort wurde im September 2019 erstmal verhandelt.

Ein Urteil erging damals aber nicht, weil die Verteidigung den bestellten Sachverständigen in Zweifel zog. Der kenne sich mit Sportbooten, aber nicht mit Unfallanalyse aus. Der Richter forderte deshalb eine weitere Expertise eines Spezialisten für Bootsunfälle an. An diesem Montag, 16. August, wird die Verhandlung vor dem Schifffahrtsgericht nun fortgesetzt. Verhandelt wird unter anderem der Vorwurf der fahrlässigen Tötung. Zwei Sachverständige und drei Zeugen sollen gehört werden. Es gibt drei Nebenklagen. Das Gericht hat zunächst vier weitere Verhandlungstage festgelegt.

Was war passiert?

Im August 2016 kam es auf dem Barßeler Tief in der Nähe des Tanger Aussichtsturms zu einem Bootsunfall. Der Schiffsführer fuhr auf ein anderes Boot auf. Zwei Menschen starben an Bord des gerammten Bootes, eine 24-jährige Frau und der 27 Jahre alte Bootsführer. Sechs weitere Menschen wurden verletzt, einer davon schwer. Alkohol war im Spiel, so viel steht fest. Auch der überlebende Bootsführer, der das rammende Boot gefahren hat, war betrunken, eine Messung ergab 1,98 Promille. Er steht jetzt vor Gericht.

Die Bootsführer und die Insassen kannten sich, das ergaben die bisherigen Ermittlungen. Man hatte sich zum Fest im Barßeler Hafen auf einem Partyboot getroffen, gefeiert und getrunken. Der Angeklagte sagte bei einer früheren Verhandlung, der tote Bootsführer sei sein Freund gewesen. Beide luden Gäste, darunter fünf Frauen, zu einer Nachtfahrt auf den Sportbooten ein.

Der Angeklagte hatte erst einige Wochen zuvor seinen Sportbootführerschein gemacht und sich dann eine PS-starke Maschine zugelegt. Er sei „aber praktisch mit Booten aufgewachsen“, berichtete der Angeklagte in der Verhandlung in Emden im September 2019 über seinen Anwalt. Ein Handyvideo zeigt, dass der Angeklagte auch am Steuer trank. Eine Zeugin im Unglücksboot sagte, sie hätte Angst gehabt, hinauszufallen. Eine Frau wechselte von den Vordersitzen nach hinten - das rettete ihr beim Zusammenprall mutmaßlich das Leben.

Der Angeklagte gestand 2019 ein, dass er am Unfallabend alkoholisiert gewesen sei. Bei ihm waren 1,89 Promille Alkohol im Blut gemessen worden. Er sei aber nicht zu schnell gefahren, beteuerte er. Das andere Boot sei ihm unbeleuchtet mit hohem Tempo entgegengekommen.

Warum dauert es so lange?

Die Staatsanwaltschaft Oldenburg erhob im Juni 2017 Anklage vor dem Amtsgericht Westerstede. Doch Westerstede fühlte sich nicht zuständig und verwies auf das Schifffahrtsgericht in Emden. Doch auch Emden wollte nicht. Nach einer ersten Prüfung sprach sich die Generalstaatsanwaltschaft in Oldenburg dann für Emden aus. Entscheiden sollte nun das Oberlandesgericht in Oldenburg. Das aber fühlte sich zunächst nicht zuständig, weil es nur das vorgesetzte Gericht für das Amtsgericht in Westerstede ist, nicht aber für Emden. Für Emden ist das Oberlandesgericht in Hamburg zuständig. Dann wurde in Oldenburg im März 2018 die Entscheidung gefällt, den Fall an den Bundesgerichtshof in Karlsruhe abzugeben. Dann lag die Akte aber zunächst noch eine gewisse Zeit bei der Generalbundesanwaltschaft, bevor sie beim Bundesgerichtshof landete. Der Bundesgerichtshof verwies den Fall im Januar 2019 dann endgültig nach Emden. Dort wurde im September 2019 erstmals verhandelt.

Warum wird jetzt erneut in Emden verhandelt?

Um kurz nach 14 Uhr am Montag, 2. September 2019, hatte der zuständige Richter den Prozessbeteiligten dann auch noch erklärt, die seit morgens um 9 Uhr laufende Hauptverhandlung am ersten Verhandlungstag beenden zu wollen. Doch knapp zwei Stunden später gab der Richter des Schifffahrtsgerichtes in Emden einem Antrag der Verteidigung statt. Diese hatte erhebliche Bedenken an der Qualifikation des Gutachters formuliert, der das Unfallgutachten für die Verhandlung erstellte. Der Gutachter sei zwar Sportboot-Sachverständiger, aber kein Unfall-Sachverständiger, kritisierte die Verteidigung. Nötig sei ein weiteres Gutachten eines Spezialisten für Bootsunfälle, befand dann auch der Richter.

Dieser Gutachter wurde, wie im November 2019 bekannt wurde, gefunden. Auch das Gutachten selbst dürfte nun vorliegend. Für die erneute Verhandlung an diesem Montag, 16. August, sind zumindest zwei Sachverständige angekündigt.

Die Boote selbst können für das neu beauftragte Unfallgutachten derweil nicht mehr untersucht werden. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Oldenburg bestätigte bereits im Oktober 2019 gegenüber dieser Zeitung, dass die beschlagnahmten Boote bereits zwölf Tage nach dem Unfall auf dem Barßeler Tief an den Angeklagten und die Familie des verstorbenen Bootsführers zurückgegeben wurden. Die Staatsanwaltschaft und die Polizei hätten die Asservate freigegeben. Zuvor habe der Sachverständige, dessen Kompetenz im konkreten Fall von der Verteidigung vor zwei Jahren in Zweifel gezogen wurde, die erheblich beschädigten Boote im Auftrag der Justiz begutachtet. Nach der Rückgabe an den Angeklagten und die Familie des verstorbenen Bootsführers seien beide Boote aber verschrottet worden.

Mit Material der DPA und aus dem OZ-Archiv.

Ähnliche Artikel