Berlin (dpa)

Länder lockern Regeln - Debatte über Masken an Schulen

| 01.10.2021 05:42 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
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Masken hängen zusammen mit Taschen und Rucksäcken an Kleiderhaken in einem Klassenraum einer Grundschule. (Archivbild). Foto: Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa
Masken hängen zusammen mit Taschen und Rucksäcken an Kleiderhaken in einem Klassenraum einer Grundschule. (Archivbild). Foto: Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa
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In mehreren Bundesländern enden am Freitag Corona-Beschränkungen, im Saarland auch die Maskenpflicht an Schulen. Der Lehrerverband warnt vor diesem Schritt.

In weiteren Bundesländern treten zum Wochenende Corona-Lockerungen in Kraft. Tanzen in Clubs ohne Abstand und Maske ist in Bayern oder dem Saarland wieder möglich, für Menschen die geimpft, genesen oder negativ getestet sind.

Im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen dürfen wieder mehr Zuschauer zu Konzerten oder ins Fußballstadion. Hintergrund sind neue Corona-Verordnungen in den Ländern. Parallel dazu werden auch Maskenregeln an Schulen gelockert. Das stößt auf Zustimmung aber auch auf Kritik.

Lehrerverband: Schritt „zu früh“

Der Deutsche Lehrerverband zeigte sich skeptisch. Präsident Heinz-Peter Meidinger nannte den Schritt „zu früh“. Der Verzicht auf Masken, Tests und die „zu starke Reduzierung“ von Quarantänemaßnahmen erhöhe die Gefahr, dass die Schule zur Black Box werde, was eine Kontrolle von Infektionen nicht mehr zulasse, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Maike Finnern, sagte dem RND, eine Maskenpflicht bleibe als „Teil des Maßnahmenbündels abhängig vom Infektionsgeschehen sinnvoll“.

Die Bildungsgewerkschaft VBE rief ebenfalls zur Vorsicht auf. „Jedes kurze Aufatmen ob leicht sinkender Zahlen wird genutzt, um Schutzmaßnahmen in den Wind zu schießen“, kritisierte der VBE-Vorsitzende Udo Beckmann. „Bei schwächelnder Impfquote in der Gesamtgesellschaft und fehlender technischer Unterstützung für das Lüften kann das Maskentragen einen wirkungsvollen Schutzmechanismus anbieten, der nicht bedenkenlos abgeschafft werden sollte“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur.

Länder mit unterschiedlichen Regeln

In Bayern beispielsweise soll die Maskenpflicht ab nächster Woche im Unterricht wegfallen. Auch in Baden-Württemberg und Sachsen wird ein solcher Schritt für die nächste Zeit erwogen. Im Saarland muss seit Freitag generell keine Maske mehr in der Schule getragen werden. An Berliner Schulen wird sie bis zur sechsten Klasse aufgehoben. In Brandenburg ist das bereits der Fall.

Für die Jüngsten ist das aus Sicht von Edgar Bohn, dem Vorsitzenden des Grundschulverbandes aus pädagogischer Sicht sinnvoll. „Das Kennenlernen unserer Erstklässler mit Maske ist schwierig. Wenn Kinder nur die Augen sehen, fehlen viele Ausdrucksmöglichkeiten“, sagte der ehemalige Grundschulleiter der dpa. Es gehe auch um den Erwerb der wichtigen sozialpsychologischen Fähigkeit, aus der Mimik von Mitschülern Rückschlüsse zu ziehen, wie es diesen gehe, sagte Bohn.

Zudem gestalte sich der Erwerb der Schriftsprache mit Maske schwierig, „weil man dort auf Mund- und Zungenstellung achten muss und darauf, wie der Laut gebildet wird, der dann auch in einem Wort beim Lesen erkannt werden muss.“ Bohn betonte aber auch, dass weiterhin die Infektionslage zum Beispiel durch Tests beobachtet werden müsse. „Das Weglassen der Maskenpflicht muss mit der Absicherung passieren, dass bei sich verschlechternder Infektionslage schnell entsprechende Maßnahmen ergriffen werden.“

Lauterbach warnt vor weiterer Welle

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach warnte vor einer Corona-Welle im Herbst und Winter. „Immer noch sind 30 Prozent der Unter-60-Jährigen nicht geimpft. Wir unterschätzen diese enorme Zahl. Sie ist zu hoch, um einen Anstieg der Infektionszahlen zu verhindern“, sagte er dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Auch das Robert Koch-Institut (RKI) erwartet nach einem Rückgang der Zahlen in den vergangenen Wochen für Herbst und Winter wieder einen Anstieg, wie es in seinem Wochenbericht vom Donnerstagabend schreibt.

Regierungssprecher Steffen Seibert sagte in Berlin, man sei in einer etwas besseren Situation als vor einigen Wochen, „aber wir haben keine Gewissheit, dass es so gut weitergeht und müssen deswegen natürlich vorsichtig bleiben“.

Das Coronavirus geht nach den RKI-Daten besonders stark bei Kindern ab dem Vorschulalter und Jugendlichen bis 19 Jahren um. Gegen Covid-19 geimpft werden kann bisher ab einem Alter von 12 Jahren. Unter den Kindern und Jugendlichen von 12 bis 17 Jahren sind laut RKI inzwischen 34,6 Prozent vollständig geimpft. In Deutschland insgesamt sind es nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums 64,6 Prozent der Bevölkerung.

Die Frage der Gefährdung von Kindern und Jugendlichen durch Covid-19 wird kontrovers diskutiert. Befürworter strengerer Sicherheitsmaßnahmen an Schulen argumentieren damit, dass auch Kinder schwer erkranken könnten und weisen auf mögliche Langzeitfolgen („Long Covid“) hin. Kinder- und Jugendmediziner hatten Anfang September dagegen in einem offenen Brief für weniger strenge Maßnahmen geworben: Es sei wissenschaftlicher Konsens, dass Kinder und Jugendliche selbst nur in seltenen Fällen schwer durch eine Corona-Infektion erkrankten und in der Regel schnell genesen würden. „Auch die unter Long-Covid diskutierten Symptome treffen Kinder selten und nicht oder kaum häufiger als Gleichaltrige, die nie eine Sars-CoV-2-Infektion durchlaufen haben.“

© dpa-infocom, dpa:211001-99-436971/7

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