Was Sie heute wissen müssen

James Lauterbach | KfW schockiert | Der gute Endzweck

Joachim Braun
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Eine Kolumne von Joachim Braun
| 26.01.2022 06:26 Uhr | 2 Kommentare | Lesedauer: ca. 6 Minuten
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Das Wichtigste aus der Region, jeden Morgen um 6.26 Uhr zusammengefasst von der Chefredaktion der Ostfriesen-Zeitung.

Das Nachrichten-Magazin „Spiegel“ machte den neuen Gesundheitsminister Karl Lauterbach vor zehn Tagen zum Titelhelden, als James Bond, mit der spöttischen Unterzeile „Ein Quantum Angst“. Der „Volkshochschullehrer“, der als Dauer-Talkshowgast dem Land die Pandemie erklärt hatte, ist nun in Vderantwortung für die Pandemie-Bekämpfung. Und was tut er? Er warnt vor der „Omikron-Wand“. Während andere europäische Staaten, trotz der bisher höchsten Inzidenz, Lockerungen beschließen und auch bei uns die Hospitäler einigermaßen entspannt sind, haben wir eine unerträgliche Diskussion für und gegen eine Impfpflicht. Keiner weiß, wie sie ausgestaltet sein wird, wer sie umsetzen und wer sie überwachen soll. Und der Gesundheitsminister ist das Gesicht des Chaos, oder wie unser Berlin-Korrespondent Tobias Schmidt schreibt: „Vertrauen zerstört - Der vermurkste Start von Karl Lauterbach“.

Einen Vorgeschmack für das, was da kommen könnte, ist die schon beschlossene Impfpflicht für Beschäftigte in Gesundheitseinrichtungen. Wie die ostfriesischen Gesundheitsämter, die vor Ort zuständig sein werden, damit umgehen sollen, weiß bisher niemand, angesichts der schon jetzt eklatanten Kapazitätsprobleme, schreibt Andreas Ellinger. Er kritisiert im Kommentar: „Impfpflicht geplant – ohne einen Plan zu haben“.

Die NZZ, die Neue Zürcher Zeitung, schreibt in einem Kommentar über die Politik der sich selber als „Fortschrittskoalition“ bezeichnenden Bundesregierung: „Vielleicht tut man der Schnecke unrecht, wenn man dem Fortschritt unterstellt, er sei eine solche. Die Schnecke kommt voran. Der Fortschritt, den sich Politiker auf ihre Fahne schreiben, ist oft ein Krebs. Jede Bewegung nach vorne wird mit einem Ausweichmanöver zur Seite erkauft, manchmal geht es retour.“ Dieses Hin und Her, dieses Fehlen einer Strategie, spielt jenen in der Hand, die gerade zielsicher versuchen, das Land zu spalten: Indem sie ehrbare Bürger, die aus für sie realen, aber gleichwohl objektiv falschen Gründen mehr Sorgen vor einer Impfung als vor einer Covid-Erkrankung haben, missbrauchen, um das Vertrauen in die Demokratie zu erschüttern.

Fast täglich bekommen wir Mails von Lesern, die in etwa so anfangen: „Wir sind weder Coronaleugner, keine Aluhutträger und nicht rechts. Im Gegenteil; wir hatten fast vier Jahre einen afghanischen Flüchtling in 2016 bei uns aufgenommen und ihm einiges mitgeben können.“ Und dann erklären, waum sie empört sind über unsere Berichterstattung, die sie als einseitig empfinden. Vor allem, wenn es um Corona-Demos geht. Das ändert aber nichts daran, dass man mitverantwortlich ist, wenn man Seite an Seite mit den Feinden der Demokratie protestiert. Claus Hock, der seit vielen Monaten den „Querdenkern“ in Telegram-Gruppen nachrecherchiert, analysiert deren Aktivitäten in Ostfriesland und ist auf eine neue Leitfigur gestoßen: Frank Blaß.

In Leer waren an diesem Montag rund 350 „Spaziergänger“ unterwegs, mehr als noch in der Woche davor. Unter diesen Teilnehmer waren auch nachweislich viele Nicht-Leeraner, darunter auch Mitglieder aus dem „Organisationsteam“ der Emder Demo. Alles lief friedlich. Ebenso wie vor einer Woche habe es von den Kritikern keine Verstöße gegen die Auflagen gegeben, wie die Polizei auf Anfrage mitteilte. Für kommenden Montag hat ein Zusammenschluss aus Linken, Grünen, SPD, CDU, FDP, das Bündnis „ Leer zeigt Haltung“ und Fridays for Future eine Gegendemo angezeigt, wie Michael Kierstein berichtet. Sollen wir die „Spaziergänge“ eigentlich tatsächlich Spaziergänge nennen, auch wenn sie nichts anderes sind als Demonstrationen? Bei der „Rheinpfalz“ in Ludwigshafen verwendet man diesen Ausdruck jedenfalls nicht mehr, wie ein Kollege heute in einer Videokonferenz berichtete.

Ganz andere Sorgen haben derzeit private und institutionelle Bauherren. Völlig überraschend hat nämlich die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) am Montag einige Förderprogramme für energieeffizientes Bauen ausgesetzt. In Bunde ist ein Millionenprojekt geplant, das Alten und Menschen mit Beeinträchtigung bezahlbares Wohnen ermöglichen soll. In Emden stehen eine Wohnstätte, eine Halle für einen Inklusionsbetrieb und Wohnplätze für Kinder und Jugendliche mit Beeinträchtigung auf der Kippe. Bauherr ist in Bunde der gemeinnützige Verein Open Dören, in Emden ist es die Ostfriesische Beschäftigungs- und Wohnstätten GmbH (OBW). „Das trifft uns extrem. Jetzt müssen wir die laufenden Planungen umwerfen“, hat Vera Vogt von der OBW erfahren. Wie es weiter geht, ist unklar. Auch wenn örtliche Bundestagsabgeordnete versuchen zu beruhigen, ein Ruhmesblatt für die Bundesregierung ist diese Entscheidung nicht.

Von den Donnerzügen in Leer war in diesem Newsletter schon öfter die Rede. Auf der einen Seite aufgebrachte Bahnanlieger, die nachts fast aus dem Bett fallen, auf der anderen Seite die Deutsche Bahn, die einen auf „Ich heiße Hase“ macht. Möglicherweise gibt es jetzt eine Erklärung für das vor einem Jahr erstmals aufgetretene Phänomen: Der moorige Untergrund der Gleise könnte sich durch den Klimawandel und die vergangenen trockenen Jahre gesetzt haben. Das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) hält dies zumindest für plausibel. Jetzt muss ein Gutachten her. Wer es bezahlt, ist unklar.

Es ist so eine Art Zeitenwende in Emden. Volker Lange, seit 25 Jahren Betreiber des erlauchten „Klub zum guten Endzweck“, hat den Pachtvertrag gekündigt, wie Gordon Päschel erfahren hat. Er übernimmt das Café und Restaurant Strandlust der AG Ems. Was mit der Heimat für 500 Klub-Mitglieder geschieht, ist noch unklar. Die historische Bürde ist groß. 1802 gründeten schwerreiche Kaufleute und angesehene Bürger den Verein, dessen Ziel der selbst erklärte „gute Endzweck“ ist: Vergnügungen, Erholung von den Berufsgeschäften sowie nützliche Einflüsse auf die Kultur des Geistes und Bildung von Sitten.

Was heute wichtig wird:

  • An Weihnachten hatte in Neermoor-Kolonie ein Unbekannter ein bizarres Grabgesteck abgelegt. Die Staatsanwaltschaft hat daraufhin ermittelt und ist zu einem Ergebnis gekommen. Welches das ist, berichtet Nikola Nording.
  • Jährlich erhalten vor allem die beiden großen Kirchen in Deutschland rund 520 Millionen Euro vom Staat. Die Bundesregierung will diese Zuwendung aus Steuergeldern streichen. Was sind die Konsequenzen? Christine Schneider-Berents hat nachgefragt.
  • Vorfahrt für umweltbewusste Radler? Vor knapp vier Jahren wurde vom Auricher Stadtrat der Masterplan Radverkehr beschlossen. Wie viel davon ist bis heute verwirklicht worden? Marion Luppen berichtet.
  • Für die OZ-Serie „Watt ´n Meer“ widmet sich Nicole Böning der Ems. Viel von ihren ursprünglichen Lebensräumen ist nicht mehr übrig. Neben dem Schlick ist die ökologische Wertigkeit des Gewässers eher traurig. Aber es gibt Hoffnung.
  • In der Stadt Emden werden in dieser Woche die Abgabenbescheide verschickt. Doch was steht da eigentlich drin? Was müssen da die Bürger bezahlen? Heiko Müller schlüsselt die Bescheide auf.
  • Ostfriesische Insel ist nicht gleich ostfriesische Insel. Juist und Baltrum schneiden in Sachen Coronazahlen in der Omikron-Pandemie viel besser ab als Norderney. Woran liegt das? Michael Hillebrand fragt nach.

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