Ternopil (dpa)

Weltcup nur Nebensache: Biathlet Pidrutschnji im Krieg

Thomas Wolfer, dpa
|
Von Thomas Wolfer, dpa
| 02.03.2022 11:43 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
Artikel hören:
Rief mit einem emotionalen Post aus seinem Kriegsdienst viele Reaktionen aus der gesamten Biathlon-Welt hervor: Dmytro Pidrutschnji. Foto: Josef Vostárek/CTK/dpa
Rief mit einem emotionalen Post aus seinem Kriegsdienst viele Reaktionen aus der gesamten Biathlon-Welt hervor: Dmytro Pidrutschnji. Foto: Josef Vostárek/CTK/dpa
Artikel teilen:

Der Krieg in der Ukraine ist im Biathlon-Weltcup allgegenwärtig. Ein Ex-Weltmeister und eine Olympiasiegerin verteidigen neben vielen anderen ihr Heimatland vor dem Angriff Russlands.

In seiner Militär-Uniform wirkt Dmytro Pidrutschnji müde. Keine zwei Wochen nach seiner Teilnahme bei den Olympischen Winterspielen in Peking verteidigt der ehemalige Biathlon-Weltmeister aus der Ukraine plötzlich an der Front sein Land.

„Ich bin derzeit in meiner Heimatstadt Ternopil und diene in der Nationalgarde der Ukraine. Dieses Foto wurde während des Luftalarms aufgenommen“, schrieb der 30-Jährige bei Instagram.

Hätte Russland nicht in der Vorwoche die Ukraine angegriffen und würde keinen Krieg führen, wäre Pidrutschnji gerade in Finnland. In Kontiolahti beginnt am Donnerstag mit der Staffel der Frauen der drittletzte Weltcup der Saison. Doch bei den ersten Rennen nach Olympia wird nichts mehr so sein wie zuvor. Die Skijägerinnen und Skijäger der Ukraine haben ihre Saison für beendet erklärt. Neben Pidrutschnji verteidigen weitere Landsleute die Heimat, in Julia Dschima gehört auch eine Staffel-Olympiasiegerin von 2014 dazu.

„Ich bin allen dankbar, die mir schreiben und sich Sorgen um meine Familie machen, und denen, die die Ukraine unterstützen und helfen“, schrieb Pidrutschnji zu einem Porträt-Foto, das ihn mit Helm und in militärischer Kleidung zeigt. Es ist nicht das erste Mal, dass sich der Verfolgungs-Weltmeister von 2019 aus der Kampfzone im Westen des Landes meldet.

„Ich bitte euch, uns zu helfen!“

„Erzählt mir nicht, Sport und Politik hätten nichts miteinander zu tun. Sie haben miteinander zu tun, wenn Soldaten und Zivilisten in meinem Heimatland sterben, während du das hier liest“, hatte Pidrutschnji schon am Samstag bei Instagram geschrieben und fragte nach finanzieller Hilfe für die ukrainische Armee: „Ich bitte euch, uns zu helfen! Ich bitte dich, bleib' nicht weg!“

Für seinen Einsatz erhält Pidrutschni viel Zuspruch. „Bleib stark“, antwortete der deutsche Ex-Weltmeister Benedikt Doll auf Pidrutschnjis Post. „Wir alle sind mit dir“, ergänzte der Italiener Thomas Bormolini. Die norwegische Olympiasiegerin Tiril Eckhoff schrieb: „Pass auf dich auf und bleib stark.“ Dazu hinterließen viele Rivalen Herzen in den ukrainischen Nationalfarben gelb und blau.

Große Betroffenheit löste indes der Tod eines Nachwuchs-Biathleten aus, der nach Angaben des Weltverbandes im Kampf gefallen ist. Der 19-Jährige galt als großes Talent und musste seinen Einsatz mit dem Leben bezahlen. „Das ist einer zu viel. Beendet den Krieg“, forderte Johannes Thingnes Bö, der Vierfach-Olympiasieger von Peking. Der ukrainische Verband schrieb zur Schreckensnachricht martialisch: „Helden sterben nicht.“

Auch Russen und Belarussen fehlen

Wenn es bis Sonntag in Finnland wieder um Weltcup-Punkte geht, werden auch die Russen und Belarussen fehlen. Der Biathlon-Weltverband IBU verkündete am Mittwoch bis auf Weiteres ein Startverbot für alle Sportler aus beiden Nationen. Zudem soll spätestens bei der regulären Vorstandssitzung am 17. März über eine mögliche Suspendierung der IBU-Mitgliedschaft der beiden nationalen Verbände gesprochen werden.

Die IBU verschärfte damit ihre Maßnahmen, nachdem in der Vorwoche zunächst noch beschlossen worden war, dass Biathletinnen und Biathleten aus Russland und Belarus bei den verbleibenden drei Weltcups zumindest noch unter neutraler Flagge hätten antreten dürfen. Als Reaktion darauf hatten das russische und das belarussische Team bereits erklärt, unter diesen Umständen in diesem Winter nicht mehr bei den restlichen Stationen in Finnland, Estland und Norwegen starten zu wollen. Nach Estland hätten sie nach dem Beginn des Kriegs ohnehin nicht einreisen dürfen. Ebenso hatte Norwegen angekündigt, sie nicht in Oslo dabei haben zu wollen.

Auch im deutschen Team ist die Situation um die Ukrainer ein großes Thema. „Ich bin ja selbst bei der Bundeswehr angestellt. Ich kann mir nur im Ansatz vorstellen, wie es denen gehen muss. Das hätten wir uns nicht in den schlimmsten Träumen vorstellen können, das so etwas passiert“, sagte Einzel-Olympiasiegerin Denise Herrmann im „Blickpunkt Sport“ des Bayerischen Rundfunks. Gemeinsam überlege man, wie man ein Zeichen setzen könne: „Wir wollen definitiv mithelfen.“

© dpa-infocom, dpa:220302-99-349298/3

Ähnliche Artikel