Was Sie heute wissen müssen

300.000 Euro für Ukraine-Flüchtlinge | Gefängnis für Bananenflagge | Das fliegende Spaghettimonster

Joachim Braun
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Eine Kolumne von Joachim Braun
| 29.03.2022 06:26 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 7 Minuten
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Das Wichtigste aus der Region, jeden Morgen um 6.26 Uhr zusammengefasst von der Chefredaktion der Ostfriesen-Zeitung.

„Was ist, wenn die Pressefreiheit missbraucht wird zu Propagandazwecken?“, fragte gestern ein Leser in einer Mail, in der er der OZ und auch den anderen „Mainstream-Medien“ (ich kann dieses Wort nicht mehr hören) vorwarf, propagandistisch über den Ukraine-Krieg zu berichten und die historischen Ursachen (Nato-Osterweiterung) und westlichen Völkerrechts-Verletzungen (Irakkrieg) unter den Tisch fallen zu lassen. Ich finde nicht, dass wir das tun. Ich finde aber auch, dass es in der jetzigen Situation, in der die Zivilbevölkerung in den wichtigen ukrainischen Städten regelrecht abgeschlachtet wird, nur darum gehen kann, den Krieg zu beenden. Ganz abgesehen davon, und das schrieb ich dem Leser auch, „kann Pressefreiheit nicht für Propaganda missbraucht werden, denn auch diese wäre lediglich ein Ausdruck der Freiheit“. Soll heißen, Propaganda ist deshalb Propaganda, wie derzeit in Russland, weil sie zum einen vom Staat vorgeschrieben ist und weil zum anderen keine anderen Darstellungen möglich sind.

Die Gefühlslage der Menschen in Ostfriesland ist jedenfalls - davon bin ich überzeugt - bestimmt davon, dass niemand es verdient hat, solche Barbarei zu erleben, wie derzeit die ukrainische Bevölkerung. Die große Hilfsbereitschaft zeigt sich bei der Spendenaktion von „Ein Herz für Ostfriesland“, die von unserem Verlag durchgeführt (und auch organisiert und bezahlt) wird: Gestern war die Grenze von 300.000 Euro Spendengeldern überschritten, schreibt Carmen Leonhard. „Der totale Wahnsinn“, freut sich Geschäftsführer Uwe Boden. Noch in dieser Woche beraten wir uns mit anerkannten Hilfsorganisationen in den Landkreisen und der Stadt Emden, um zu überlegen, wofür diese Spenden am dringendsten benötigt und am sinnvollsten ausgegeben werden. Für jetzt sage ich erst einmal an Sie alle, liebe OZ-Leserinnen und -Leser ein herzliches „Vergelt’s Gott“ (so hätte man es in meiner früheren Heimat Bayern formuliert, und eigentlich klingt das in diesem Fall auch ganz passend).

Die Hilfsbereitschaft der ostfriesischen Bevölkerung äußert sich aber nicht nur in der Bereitschaft zu spenden, sie geht viel weiter. Viele Menschen in der Region haben bei sich zuhause oder in leerstehenden Wohnungen Flüchtlinge aufgenommen und versorgen sie dort. In Leer, wo der Landkreis vergangene Woche eine Turnhalle zur Erstaufnahme-Unterkunft mit 126 Plätzen umgebaut hat, mangelt es an Unterstützung. Ein Aufruf von Bürgermeister Claus-Peter Horst hatte große Resonanz. „Bei unserer Ehrenamtsstelle haben sich bisher 548 Menschen als freiwillige Helferinnen und Helfer registrieren lassen. Aus der Stadt Leer kommen 259 Angebote“, so Kreissprecher Philipp Koenen. Die Angebote aus der Bevölkerung seien dabei vielfältig. Neben Wohnraum geht es auch um Hilfe im Alltag, wie Michael Kierstein berichtet.

Eines der wenigen russischen Produkte, die ich benutze, ist der Virenscanner von Kaspersky. Ein absolut überzeugendes, gutes Produkt, das in Fachtests immer Bestnoten bekam und für das ich seit Jahren jedes Jahr Geld ausgebe. Vorige Woche aber gab es eine offizielle Warnung an alle Nutzer - an Unternehmen und Behörden ebenso wie an Private. Rein theoretisch könnte Kaspersky im „Cyberkrieg“ auch von der russischen Regierung als Waffe missbraucht werden. Jetzt bin ich ja ein ganz kleines Licht, und problematische Daten habe ich auch nicht auf meinem Rechner. Trotzdem bin ich verunsichert und fast schon sicher, dass ich in den nächsten Tagen umsteigen werde. Ob und für wen das angeraten ist, hat Claus Hock recherchiert.

Markus P. aus Ihlow hat in seinem Garten einen Fahnenmast und daran weht eine Deutschland-Fahne, die eine halb geschälte Banane zeigt. Deutschland, die Bananenrepublik, so in etwa. Was P. bis vor kurzem nicht wusste, die Banane ist ein Straftatbestand. Laut Strafgesetzbuch gilt die Banane in diesem Zusammenhang als eine „Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole“. Darauf kann eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren verhängt werden. Wer ist dieser P., und was will er mit dieser Flagge? Das hat sich Nicole Böning gefragt und mit Markus P. ein Gespräch geführt. Und in der Tat, für den Mann ist die Fahne ein politisches Statement: Die Kita-Kosten, die Kita-Platzvergabe, die Corona-Maßnahmen. Schon allein die Aussicht auf die Impfpflicht sei ein Grund, die Flagge hängen zulassen, so P. Jetzt denken er und seine Familie ans Auswandern.

Warum schweigen die Polizei Leer und die Staatsanwaltschaft Aurich über die näheren Umstände eines Tötungsdelikts am Samstag in Leer? Weder über den Tatort noch über die Tatwaffe oder das Tatmotiv dringt irgendetwas Offizielles nach außen. Grund genug für Katja Mielcarek zu versuchen, etwas herauszubekommen. Viel war es nicht, auch wenn die Gerüchteküche brodelt. Sicher ist nun, dass die Gewalttat in einem Mehrfamilienhaus in Leer-Loga stattfand und die Tatwaffe eine Machete war.

Auch OZ-Reporter sind nicht davor gefeit, Telefon-Betrügern auf den Leim zu gehen. Trotzdem reagierte Ole Cordsen gestern genau richtig, als er einen Anruf von unbekannter Nummer bekam, bei dem eine Stimme auf Englisch behauptete, sie sei eine Mitarbeiterin der europäischen Polizeibehörde Europol. Eine Bandansage. Angeblich sei mit seinen persönlichen Identitäts-Daten Schindluder getrieben worden und Kriminelle würden nun Straftaten mit ihnen begehen. Um mehr zu erfahren, solle er doch bitte die Eins auf seiner Handytastatur drücken und bestätigen. Was die Polizei in Leer dazu sagt, lesen Sie hier.

Manche mögen es als Blasphemie betrachten, andere als Witz: Die „Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters“ soll weltweit Millionen Anhänger haben. In Scharrel im Saterland steht ein Sakralbau dieser Glaubensgemeinschaft, die sich als wissenschaftliche Religion versteht. Tatsächlich handelt es sich um einen eingetragenen Verein, der sich als Weltanschauungsgemeinschaft versteht, wie Holger Tallowitz, in dessen Garten die „Kapelle“ steht, erklärt: „Das von uns als Gottheit verehrte Spaghettimonster lehrt uns, alles kritisch zu hinterfragen. Wir sollen an allem zweifeln.“ Der Freitag ist für die Pastafari, wie sich die Anhänger des Spaghettimonsters nennen, der wöchentliche Feiertag, wie für Christen der Sonntag. „Das Spaghettimonster hat die Welt in vier Tagen erschaffen“, behauptet Tallowitz. Horst Kruse hatte bei diesem Termin viel Spaß, Sie hoffentlich auch beim Lesen seines Artikels.

Was heute wichtig wird:

  • Egal, ob in der Innenstadt von Leer, auf Borkum oder in anderen ostfriesischen Orten, überall scheint es Friesennerze zu geben. Volontärin Dorothee Hoppe, die ursprünglich aus dem Ruhrgebiet stammt, wollte mehr über das Kleidungsstück wissen.
  • In dieser Woche könnten die Arbeiten an der Bummert-Kreuzung in Leer abgeschlossen werden. Doch bisher gab es wegen Lieferengpässen immer wieder Verzögerungen. Wie ist der aktuelle Stand? Michael Kierstein fragt nach.
  • Eine 27-jährige Wiesmoorerin soll 2019 zwei Männer vermöbelt haben, einmal ihren Mann, einmal ihren Schwager, dessen Daumen dem Gewaltansturm nicht standhielt. Nun steht die Frau vor Gericht. Gabriele Boschbach berichtet.
  • Für die Serie „Aktenzeichen Ostfriesland“ hat sich Gabriele Boschbach einem Mord aus dem Jahr 1970 gewidmet. Am 2. September war in Aurich-Popens eine 49-jährige Frau erwürgt worden. Doch erst 50 Jahre später wurde ihr Mörder überführt.
  • Auch aus der Krummhörn gibt es Geld für ein besonderes Ukraine-Hilfsprojekt. Mit der „eisernen Hilfe“ wird medizinisches Gerät direkt in ukrainische Krankenhäuser geliefert. Claus Hock hat mit den Initiatoren gesprochen.
  • Die Mitarbeiter der Kita in Hinte streiken heute. Sie fahren nach Oldenburg, wo es eine Demonstration geben soll. Aufgerufen zum bundesweiten Streik hat die Gesellschaft Verdi. Claus Hock ist in Oldenburg vor Ort und spricht mit den Streikenden.
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