Was Sie heute wissen müssen

Norder Bunker | Hohe Preise | Geklaute Bienen

| | 22.04.2022 06:26 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 6 Minuten
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Das Wichtigste aus der Region, jeden Morgen um 6.26 Uhr zusammengefasst von der Chefredaktion der Ostfriesen-Zeitung.

Gestern Abend bin ich nach der Arbeit auf einen interessanten Satz gestoßen: „Es gibt Jahrzehnte, in denen nichts passiert, und Wochen, in denen Jahrzehnte passieren.“ Der Satz wird Lenin zugeschrieben. Ob er wirklich von ihm ist, ist völlig unklar. Aber auch völlig egal. Er stimmt. In den letzten Wochen, seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine, hat sich die Welt um Jahrzehnte verändert. Was mein Sicherheitsempfinden angeht, sieht es bei mir wieder in etwa so aus wie vor 40 Jahren, als die Welt in zwei Blöcke geteilt und die atomare Bedrohung allgegenwärtig war. Da heulten am Vormittag schon mal die Sirenen im Testbetrieb, um zu prüfen, ob das alles klappt, wenn der Russe kommt, wie es damals landläufig hieß. 

In allen größeren Städten gab es Luftschutzbunker, zum Teil waren unterirdische Krankenhäuser eingerichtet mit Hunderten von Betten, um potenzielle Kriegsopfer zu versorgen. Ich glaube, es war im Studium in Hamburg, da habe ich so eine Anlage mal besichtigt. Ab den 90er Jahren galten die Einrichtungen schon als Relikt einer längst vergangenen Zeit. 1989 waren in einer Woche auch Jahrzehnte vergangen. Nur in die andere Richtung. Die Bunker waren etwas für Touristen, die sich mal gruseln wollten. Heute sieht das wieder anders aus. Auf einmal gibt es wieder eine Bedrohung – und es gibt auch noch Bunker. Sogar in Ostfriesland, genauer in Norden. Die unterirdische Schutzanlage wurde einst für 3355 Menschen gebaut. Michael Hillebrand ist abgetaucht in das Betonungetüm, dessen Eingang als Tiefgarage getarnt ist. Bis 2007 wurde es noch gewartet. Wie der aktuelle Stand ist, weiß man nicht so genau. Gelandet ist Michael jedenfalls in einer etwas heruntergekommenen Zeitkapsel mit 70er-Jahre-Charme.

Nicht erst und ausschließlich, aber vor allem durch Russlands Krieg sind die Energiepreise durch die Decke gegangen. Öl, Gas, Strom – alles ist deutlich teurer, aber niemand von uns könnte auf das Energie-Trio verzichten. Viele Menschen, ich schätze mich glücklich dazuzugehören, ärgern die höheren Preise, aber sie bedrohen sie nicht. Für Menschen mit niedrigem oder ohne eigenes Einkommen ist es eine Katastrophe. Die Schuldnerberatungen registrieren schon eine steigende Nachfrage, wie Ole Cordsen erfahren hat. Er hat außerdem mit einer Frau aus dem Kreis Aurich gesprochen. Sie bekommt Arbeitslosengeld II und möchte nicht, dass wir ihren Namen veröffentlichen. Sie berichtet aus ihrem Leben, in dem es jetzt normal ist, unter der Dusche die Sekunden zu zählen, für die man sich warmes Wasser leisten kann.

Steigende Energiepreise setzen immer eine generelle Preisspirale in Gang. Alles wird teurer, weil die Produktion, der Transport und die Lagerung von Produkten teurer werden. Man sieht die Folgen im Supermarkt. Die Tagesschau berichtete kürzlich: „Für Butter etwa muss man rund 44 Prozent mehr zahlen als noch vor einem Jahr, eine Gurke ist gut ein Drittel teurer und das Roggenmehl knapp 22,5 Prozent im Preis gestiegen“ – wenn das Mehl nicht weggehamstert ist. Mona Hanssen hat sich angeguckt, wie man durch ein paar Tricks die Endsumme auf dem Kassenbon wenigstens ein bisschen drücken kann. Und der Umwelt kann es auch noch nützen.

Inzwischen gibt es in der Politik die Idee, bei bestimmten Lebensmitteln die Mehrwertsteuer komplett zu streichen. Martin Alberts hat die Hintergründe.

Deutschland soll unabhängiger werden von russischem Erdgas. Das soll der Versorgungssicherheit, aber natürlich mittelfristig auch dem Preis dienen. Das wird sich ohne die Anlandung von LNG, also verflüssigtem Erdgas, nicht machen lassen. Nur hat Deutschland gar kein LNG-Terminal. Pläne, eine solche Anlage in Wilhelmshaven zu bauen, wurden fallengelassen. Jetzt werden sie reaktiviert und alles soll ganz schnell gehen. So schnell, dass sich Skeptiker des Projekts vom Tempo der Politik überfahren fühlen. Wann hat es das mal gegeben. Imke Oltmanns berichtet.

Ist Honig eigentlich auch teurer geworden? Billig war der süße Brotaufstrich ja noch nie, aber gibt es da gerade eine Preisexplosion wie bei Diesel-Kraftstoff? Selbst wenn dem so sein sollte, reicht das vermutlich noch nicht als Begründung dafür, dass irgendjemand gerade Bienenvölker in größerem Umfang klaut. Imker Hermann Splinter aus Weener sind in dieser Woche gleich neun der Kleinstaaten abhandengekommen. Freiwillig umgezogen sein werden die Insekten nicht. Splinters Bienen sind auch kein Einzelfall. In Papenburg wurden gleich 14 Völker entführt. Tatjana Gettkowski hat sich auf die Suche gemacht. Nicht nach den Bienen, aber nach den Gründen.

Zum Schluss muss ich auf den Krieg gegen die Ukraine zurückkommen. Die Nacht war für mich kürzer als gedacht, weil ich beim Spiegel auf einen sehr langen Artikel gestoßen bin, der mich nicht mehr losgelassen hat: „Russisches Kriegsschiff, fick dich!“ ist ein Essay von Constantin Seibt, der eigentlich für die Schweizer Nachrichtenseite republik.ch schreibt (Sie sollten den Artikel so lesen können, aber es lohnt sich auch ein Spiegel-Probeabo). In dem Essay, dessen Titel zugegebenermaßen leicht verwirrt, seziert Seibt auf unglaublich präzise und spannende Art und Weise Putins Weg in den Faschismus, schlägt die Brücke zu populistisch-faschistischen Ansätzen in Europa und den USA und macht die Gefahr deutlich, die für uns alle davon ausgeht. Das kann Angst machen, aber es rüttelt auf und zeigt Chancen. Denn es gibt jemanden, der die Demokratie retten kann: Wir.

Was heute wichtig wird

  • Bloß nicht noch einen Optiker in Leer, hieß es, als bekannt wurde, wer Nachmieter von Julien Moden in Leer ist. Doch gibt es wirklich so viele Brillen-Experten in der Stadt und was gibt es eigentlich für Läden in der Fußgängerzone? Nikola Nording hat nachgezählt.
  • Sie ist ein Dauerbrenner in der Moormerländer Politik: die Kurbelfähre für Radfahrer am Fehntjer Tief. Jetzt könnte es tatsächlich vorangehen. Karin Lüppen berichtet.
  • Mit einer ungewöhnlich pathetischen und irreführenden Abschiedsbotschaft an der Ladentür hat sich der Betreiber eines Cafes am Auricher Markt aus dem Staub gemacht. Ist das der richtige Weg Good-bye zu sagen?, wollten wir vom ostfriesischen Dehoga-Vorstand wissen.  Gabriele Boschbach geht der Sache nach.
  • Heute wird nach zweijähriger Pause in Bagband wieder ein großer Markttag abgehalten. Ole Cordsen ist dabei und fängt Impressionen vom Tierhandel, Blumenverkauf und Fassbieranstich ein.
  • Die Leeraner Kaffeerösterei Baum eröffnet heute ihr Café in Emden. Mona Hanssen schaut, was aus der ehemaligen Haifischbar geworden ist und wirft einen Blick hinter die Kulissen.
  • Wer mit dem E-Bike länger unterwegs ist, muss zwischendurch laden. Wo kann man das in der Krummhörn? Claus Hock guckt sich die Ladeinfrastruktur an.
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