OZ-Weihnachtsaktion Leeraner Tafel – Anfänge in kalter Halle ohne Strom

Nora Kraft
|
Von Nora Kraft
| 06.12.2022 19:24 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 6 Minuten
Artikel hören:
Adelheid Lünemann arbeitet 30 Stunden in der Woche ehrenamtlich bei der Leeraner Tafel. Foto: Ortgies
Adelheid Lünemann arbeitet 30 Stunden in der Woche ehrenamtlich bei der Leeraner Tafel. Foto: Ortgies
Artikel teilen:

Adelheid Lünemann ist seit vielen Jahren bei der Tafel tätig. Wie die 83-Jährige die Anfangszeit in einer kalten Halle erlebte und mit welchen Herausforderungen die Einrichtung heute kämpft.

Leer - Dass hinter den Kulissen einer Tafel weit mehr Aufgaben anfallen, als „nur“ aussortierte Waren von Supermärkten abzuholen und an bedürftige Menschen auszugeben, weiß Adelheid Lünemann. Die 83-Jährige arbeitet seit der Eröffnung der Leeraner Tafel im Jahr 2008 ehrenamtlich 30 Stunden in der Woche dort. Im November wurde sie für ihr Engagement mit dem Blinkfüür 2022, dem Ehrenamtspreis vom Landkreis Leer, ausgezeichnet.

Aus einer Zeitungsanzeige hatte sie damals von einer Tafelöffnung in Leer erfahren. Für die neue Einrichtung seien Mitarbeiter gesucht worden. Drei Jahre zuvor sei ihr Mann gestorben. Sie habe Abwechslung und eine Verpflichtung gesucht, erzählt Lünemann. „Dann bin ich da so reingewachsen. Ich hatte immer Zeit und war immer da“, sagt sie. „Ich mache einfach alles“, sagt sie, wenn man sie heute nach ihren Aufgaben fragt. Das bewunderte auch die Jury des Blinkfüürs: „Alle Fragen zur Organisation und Planung der Abläufe liegen bei ihr. Sie kümmert sich um die Einteilung der Fahrer, die die Lebensmittelspenden abholen, dem Sichten und Sortieren der Spenden und teilt die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Tafel gewissenhaft und sehr zuverlässig ein“, hieß es in der Laudatio.

Angefangen in kalter Halle ohne Strom

Das war allerdings nicht immer so. Anfangs habe sie beim Sortieren der Waren mitgearbeitet und sonnabends noch gewischt. Im Laufe der Jahre sind immer mehr Aufgaben dazugekommen. In den Anfängen habe es in der Halle in der Friesenstraße nicht einmal Strom gegeben, erinnert sich Lünemann heute. „Das werde ich nie vergessen“, sagt die 83-Jährige. „Da standen wir Helfer hier im Dunkeln und sollten unseren Namen, unsere Adresse und Telefonnummer angeben. Wir konnten kaum schreiben, so dunkel war das“, fährt sie fort. Ein Tisch habe für die Ausgabe am Anfang gereicht. „Irgendwann hatte jemand die Idee, dass wir uns ein Gartenhäuschen in die Halle stellen“, erzählt Lünemann. Auf der Eckbank aus dem gespendeten Häuschen sitzen die Ehrenamtler noch heute. Allerdings in einer warmen Küche. Vor zwei Jahren wurde die Halle umgebaut, in der es zuvor keine Heizung gab. „Es war so kalt“, erinnert sich die 83-Jährige.

Acht Kunden habe die Tafel zu Beginn gehabt. Zu den ersten Kunden der Tafel gehörten unter anderem Witwen, erzählt Lünemann. Die Tafel hat sich schnell vergrößert. Durch Mundpropaganda und Zeitungsartikel habe es stetig mehr Anmeldungen gegeben. Nur kurze Zeit später kamen Ausgabestellen in Moormerland und Hesel dazu. Heute kommen in einem zweiwöchentlichen Rhythmus täglich 66 Kunden zur Leeraner Tafel, erzählt Andreas Poppen. 512 Kunden hätten derzeit einen gültigen Bescheid. Poppen ist seit 2009 hauptamtlich für die Verwaltung der Einrichtung zuständig. Bis vor vierzehn Tagen seien fast täglich neue Kunden zur Tafel gekommen, sagt er. Derzeit hat sich die Lage etwas entspannt. Es seien jedoch immer noch etwa zwei bis drei neue Kunden in der Woche. Von einem Aufnahmestopp, den es in anderen Einrichtungen bereits gibt, sieht man in Leer derzeit ab. „Wir wollen es so lange verhindern, wie es irgendwie möglich ist“, sagt der 56-Jährige. Auch, wenn die Lebensmittel knapper sind, sage sie am Ende immer: „Wie schön, wir haben es wieder hingekriegt“, so Lünemann.

Familiärer Zusammenhalt unter den Helfern

Lebensmittelspenden sind immer willkommen und können täglich bei der Tafel in der Friesenstraße 66 abgegeben werden. „Es gibt Spender, die sogar extra für die Tafel einkaufen. Das war ganz neu für uns“, sagt Adelheid Lünemann. Das habe sie sehr gefreut und überrascht. An ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit gefällt der 83-Jährigen die Gemeinschaft unter den Helfern besonders gut. „Ich kann mich auf meine Leute verlassen“, sagt sie. „Wir müssen nicht nur sortieren. Wir müssen die Räume zum Beispiel auch sauberhalten und alles im Auge behalten, da die Lebensmittel auch kontrolliert werden.“ Die Zusammenarbeit sei sehr familiär. In der Küche habe sogar jeder seinen festen Sitzplatz, sagt die Ehrenamtliche und lacht. Derzeit sind, inklusive der Fahrer, 15 Ehrenamtliche bei der Tafel engagiert.

„Ehrenamt macht glücklich“, sagt die 83-Jährige fröhlich. Einer helfe dem anderen. „Wir nehmen uns auch gegenseitig in den Arm und trösten uns“, sagt sie. Dass sie zum Beispiel nicht mehr schwer heben könne, wüssten alle, und packten immer mit an. Es seien schließlich Tonnen an Lebensmitteln und Getränken, die verarbeitet würden. Allerdings hätten viele, die neu bei der Tafel anfingen, oft eine andere Vorstellung von der Arbeit. Die Arbeit sei körperlich sehr anstrengend. Angefangen bei den Fahrern, die die Waren bei den Supermärkten erst aufladen und dann später bei der Tafel abladen. Dann werden die Lebensmittel in der Einrichtung erneut in die Hand genommen, geordnet und sauber in Kisten geräumt. Diese kommen dann vom Lager zur Ausgabe. „Alle Lebensmittel, die wir kriegen, werden ausgepackt“, erklärt Adelheid Lünemann. Schlechte Stücke seien immer mal dabei. Die müssten aussortiert werden. „Und das ist viel Arbeit“, sagt sie. Viele könnten sich nicht vorstellen, wie viel Aufwand allein in der Sichtung der Waren stecke. „Wir verwerten vieles, was andere wegschmeißen würden“, erklärt Lünemann. Dunkle Stellen, zum Beispiel an einem Salat oder Blumenkohl, würden weggeschnitten. Dadurch falle viel Müll an, dessen Entsorgung viel Geld koste. „Wir passen auf, dass es nicht zu viel wird“, sagt die Ehrenamtliche.

Schwierige Zukunft für soziale Einrichtung

Schöne Momente seien in ihrem Arbeitsalltag zum Beispiel diejenigen, in denen neue Kunden zur Tafel kämen. Manche von ihnen weinten, wenn sie das erste Mal zur Ausgabe kämen. „Das erste Mal muss sehr schwer für sie sein. Sie sind traurig. Aber dann tröstet man sie. Und beim zweiten Mal wird es besser und sie lächeln schon wieder“, sagt Lünemann. Die Hemmschwelle sei teilweise sehr groß für die Kunden, ergänzt Poppen. Umso schöner, wenn diese überwunden werde.

Über die Zukunft der Leeraner Tafel wolle sie nicht nachdenken, sagt Adelheid Lünemann. „Das ist ein Trauerspiel. Wer hilft uns?“, fragt sie. Denn nur noch im kommenden Jahr darf die Tafel in den Räumen in der Friesenstraße bleiben. Das Gebäude ist bereits verkauft, unter anderem wird mit einer Vervielfachung der Miete gerechnet. Zudem entschied der Sozialausschuss der Stadt im September mehrheitlich, dass die Stadt der Leeraner Tafel in diesem Jahr kein Geld gibt. Die Tafel hatte zuvor unter anderem die Stadt Leer gebeten, für die nächsten fünf Jahre einen festen Betrag zuzusagen, damit die Einrichtung eine sichere finanzielle Basis hat, von der aus sie arbeiten kann.

So können Sie spenden

Jeder Euro hilft den Einrichtungen in Ostfriesland, die bedürftige Menschen mit Lebensmittel-Spenden unterstützen. Wer spenden möchte, kann dies per Überweisung unter dem Stichwort „OZ-Weihnachtsaktion 2022“ tun. Die Bankverbindung lautet: Ein Herz für Ostfriesland gGmbH, IBAN DE28 2859 0075 0011 1112 01, Ostfriesische Volksbank eG.

Es kann außerdem via Paypal gespendet werden. Alle Informationen gibt es auch auf der Internetseite von „Ein Herz für Ostfriesland“ .

Ähnliche Artikel