OZ-Weihnachtsaktion Wenn aus Helfern Freunde werden

Nora kraft
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Von Nora kraft
| 13.12.2022 18:46 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 6 Minuten
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Seit Corona wurde die Ausgabestelle der Spieskamer in Rechtsupweg nach draußen in den Hof verlegt. Die ehrenamtliche Helferin Simone Janssen-Weerts (links) packt Lebensmittel in den Wagen einer Kundin. Fotos: Ortgies
Seit Corona wurde die Ausgabestelle der Spieskamer in Rechtsupweg nach draußen in den Hof verlegt. Die ehrenamtliche Helferin Simone Janssen-Weerts (links) packt Lebensmittel in den Wagen einer Kundin. Fotos: Ortgies
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Die sozialen Warenausgaben in den kleinen Gemeinden nahe der Küste arbeiten wie die Tafeln. Dabei sind sie mehr als nur Versorger.

Landkreis Aurich/Holtriem - Sie arbeiten wie die Tafeln und versorgen bedürftige Menschen gegen einen kleinen Obolus mit Lebensmitteln, die sie von Supermärkten und Erzeugern aus dem Umland beziehen. Der Unterschied: Die Einrichtungen in Rechtsupweg, Großheide und Dornum tun dies selbstständig und unter anderem Namen. Sie werden von keinem großen Verband getragen. Wir haben mit den Leitern dieser kleineren Einrichtungen gesprochen, die ebenfalls von der Weihnachtsaktion der OZ und „Ein Herz für Ostfriesland“ bedacht werden. Besonders schätzen sie alle den engen Kontakt zu ihren Kunden, der teils weit über die Lebensmittelausgabe hinausreicht.

Die Spieskamer in Rechtsupweg besteht seit 2008. Sie ist eine gemeinnützige Einrichtung der Gemeinschaft für Arbeit. Weil sich die Einrichtung alleine nicht trägt, sei darüber hinaus ein soziales Kaufhaus gegründet worden, sagt Adolf Kümmel. „Mit den Einnahmen von unserem sozialen Kaufhaus finanzieren wir unter anderem die Autos, Miete und Versicherungen“, erläutert der erste Vorsitzende des Vereins. Im Jahr entstünden etwa 20.000 Euro Unkosten. Spenden deckten etwa die Hälfte dieses Betrags. Mit Flohmärkten und Sonderaktionen wie zum Beispiel einem Weihnachtsmarkt kämen weitere Einnahmen zusammen.

Persönlicher Kontakt zu den Kunden

Mit den Geflüchteten aus der Ukraine versorgt die Spieskamer derzeit etwa 60 Familien. Hochgerechnet seien das etwa 180 bis 200 Personen. Auch, wenn immer mehr Menschen kämen – einen Aufnahmestopp gebe es nicht. „Dann verteilen wir eben etwas weniger“, sagt Kümmel. Die Lebensmittel holen Fahrer von Supermärkten und Discountern aus dem Umkreis ab. Täglich seien sie unterwegs. Bis Münkeboe und Norddeich reichten die Fahrten. Was bei der Emder Tafel an deren Ausgabetag am Donnerstag übrig bleibt, könne die Spieskamer außerdem abholen, sagt Kümmel.

Adolf Kümmel leitet die Spieskamer. In Notfällen springt der 81-Jährige auch bei der Ausgabe ein.
Adolf Kümmel leitet die Spieskamer. In Notfällen springt der 81-Jährige auch bei der Ausgabe ein.

Der 81-Jährige hat bereits bei der Tafel in Wuppertal, in seiner alten Heimat, Erfahrungen gesammelt. Seit 2014 lebt er in Ostfriesland. Worin liegen die Unterschiede zwischen einer kleinen Ausgabestelle wie der Spieskamer und den Tafeln? „In unserem Betrieb steckt mehr Persönlichkeit. Das ist das Schöne“, sagt Kümmel. Bei der Tafel sei der Umgang häufig anonymer. „Wir kennen hier die Leute. Ihre Wehwehchen und Bedürfnisse“ – die der Kunden und die der Helfer. Kümmels Einsatz reicht weit über seine Tätigkeit für die Spieskamer hinaus. Er sei zum Beispiel schon mit den Kindern eines Mitarbeiters, der bei der Einrichtung Sozialstunden leistete, zum Kinderarzt gefahren. „Das ist bei uns wie in einer großen Familie“, sagt er. Für einen kleinen Betrieb wie seinen sei es schwieriger, Geld aufzutreiben. „Wir sind selbstständig und finanzieren uns aus eigenen Stücken.“

Kunden kennen sich untereinander

Ähnlich organisiert ist der Verein „Großheider Kontor – Etereé un Dit un Dat“. Der Verein gibt einmal in der Woche in einem ehemaligen Spar-Markt in Großheide Lebensmittel aus. In den Räumen ist ebenfalls ein soziales Kaufhaus angeschlossen. In allen dieser kleineren Einrichtungen müssen Menschen Nachweise über ihr Einkommen vorzeigen, bevor sie Lebensmittel für einen geringen Betrag kaufen können. Das Großheider Kontor habe derzeit etwa 50 Kunden, sagt Theo Weber, Schriftführer und Pressewart des Vereins. „Wir haben ganz klein angefangen“, ergänzt Hildegard Brüning. „Anfangs haben wir noch Lebensmittel von zu Hause mitgebracht“, erzählt die 1. Vorsitzende. Nach und nach habe sich die Ausgabe vergrößert. Seit 2010 gibt es das Kontor. Von den Einnahmen der Lebensmittelausgabe könne sich der Betrieb jedoch nicht tragen, sagt Weber. Die Haupteinnahmen kämen vom Sozialkaufhaus. Das laufe sehr gut, so Brüning. Weitere Einnahmequellen seien zum Beispiel zusätzliche Flohmärkte. 1800 Euro fielen im Monat etwa für Sprit, Miete und Strom an.

Im Vergleich zu den Tafeln sei der Verein ohne einen Dachverband freier, sagt Weber. Zum Beispiel was die Auswahl der Lebensmittelbezüge betrifft. Wie Adolf Kümmel von der Spieskamer, beschreibt auch Brüning den Kontakt zu den Kunden als eng und teilweise sogar als freundschaftlich. Die 59-Jährige höre vonseiten der Kunden nur Positives. „Die Kunden kennen sich auch untereinander“, sagt Weber. In dem kleinen Ort sähen sie sich auch so, außerhalb der Ausgabe. Allerdings gebe es immer noch welche, die sich schämten, zur Ausgabe zu kommen. „Die Hemmschwelle ist bei diesen Personen noch immer da“, sagt Hildegard Brüning. Zum Beispiel bei Witwen, die von einer geringen Rente lebten. Brüning arbeitet in einem Pflegeheim. Beim Kontor arbeite sie voll mit, wie sie sagt. Ob bei der Organisation oder der Ausgabe.

Kosten für Miete und Strom sind zusätzliche Belastung

Eine Lebensmittelknappheit spüre der Verein nicht so sehr, sagt Weber. „Das geht bei uns noch, weil wir nicht so groß sind.“ Zudem sei der Kontakt zur Spieskamer und dem Verein „Leib und Seele“, der eine Ausgabestelle unter anderem in Dornum betreibt, eng. Im Normalfall unterstützt man sich untereinander mit Lebensmitteln. „Nur ist mittlerweile nicht mehr so viel über“, sagt Brüning.

Der Verein „Leib und Seele“ ist mit seinen beiden Ausgabestellen in Dornum und Holtriem ebenfalls keinem Verband angeschlossen. In beiden Ausgabestellen unterstützt der Verein etwa 140 Kunden mit Lebensmitteln. Die heute selbstständige Einrichtung war 2007 unter dem Träger der Bartholomäuskirche in Dornum an den Start gegangen. Mit eigener Satzung folgte später der Umzug in Privaträume. „Miete und Strom sind eine enorme zusätzliche Belastung für einen ehrenamtlich tätigen Verein“, sagt Rosenboom. Die Räume in Neuschoo in Holtriem dürfe der Verein hingegen mietfrei nutzen. Dort fielen lediglich Stromkosten an. Mit den beiden Ausgabestellen seien es dennoch 25.000 Euro Betriebskosten jährlich.

Über die Zusammenarbeit mit den Einrichtungen im Umkreis freut sich Rosenboom. „Das ist eine ganz tolle Sache, auf diese Verbindungen würde ich nicht wieder verzichten“, sagt der 82-Jährige. „Wir ziehen alle an einem Strang. Aus der Not heraus sind Freundschaften entstanden.“ Zudem arbeite der Verein eng mit den Tafeln in Emden und Wilhelmshaven zusammen. In einem Radius von etwa 170 Kilometern seien die Fahrer unterwegs. Wie seine Kollegen aus den anderen Gemeinden, führe auch Rosenboom eine enge Beziehung zu den Kunden. Die Unterstützung gehe manchmal weit über die bloße Lebensmittelvergabe hinaus. „Wir helfen, wo wir können. Das ist unser Anspruch“, so der Vorsitzende. „Ich kann die Welt nicht retten, aber im Kleinen kann man das“, sagt Rosenboom.

So können Sie spenden

Jeder Euro hilft den Einrichtungen in Ostfriesland, die bedürftige Menschen mit Lebensmittel-Spenden unterstützen. Wer spenden möchte, kann dies per Überweisung unter dem Stichwort „OZ-Weihnachtsaktion 2022“ tun. Die Bankverbindung lautet: Ein Herz für Ostfriesland gGmbH, IBAN DE28 2859 0075 0011 1112 01, Ostfriesische Volksbank eG.

Es kann außerdem via Paypal gespendet werden. Alle Informationen gibt es auch auf der Internetseite von „Ein Herz für Ostfriesland“ .

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