Mobilität der Geflüchteten Warum ukrainische Autos keinen deutschen TÜV brauchen

Michael Hillebrand
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Von Michael Hillebrand
| 15.01.2023 07:54 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 5 Minuten
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An diesen Markierungen kann man erkennen, ob ein Fahrzeug in der Ukraine zugelassen wurde. DPA-Symbolfoto: Robert Michael
An diesen Markierungen kann man erkennen, ob ein Fahrzeug in der Ukraine zugelassen wurde. DPA-Symbolfoto: Robert Michael
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Autos ohne TÜV und Fahrer mit ukrainischem Führerschein: Beides ist hier erlaubt. Eine neue Option könnte in Zukunft zudem für mehr Busfahrerinnen sorgen.

Ostfriesland - Sie tragen blau-gelbe Streifen und das Kürzel „UA“: die Markierungen an Kennzeichen, mit denen man sofort ein in der Ukraine zugelassenes Fahrzeug bestimmen kann. Ab und zu sieht man auch in Ostfriesland Autos, die die Geflüchteten aus ihrer Heimat mitbringen konnten, auch wenn das eher selten vorkommt. So ist beispielsweise Johann Schüller vom Asylkreis Krummhörn nur eine ukrainische Familie mit Wagen bekannt, während es in der Gemeinde derzeit etwa 70 Geflüchtete von dort gibt. Einer der Ukrainer fährt nun zudem regelmäßig mit einem Bulli der Pewsumer Kirchengemeinde zur Emder Tafel und nimmt dabei weitere Landleute mit. Wie aber sieht da eigentlich die Rechtslage aus? Müssen die Geflüchteten mit ihren Autos erst zum TÜV? Wer haftet bei Unfällen? Darf ich Ukrainer hinters Steuer setzen, auch wenn sie nie zu den deutschen Verkehrsregeln geprüft wurden?

Was und warum

Darum geht es: um Fragen rund um die Themen ukrainische Führerscheine, Berufskraftfahrer, Verkehrsregeln und Autos

Vor allem interessant für: Verkehrsteilnehmer aus der Ukraine und Einheimische, die ihnen Fahrzeuge zur Verfügung stellen wollen

Deshalb berichten wir: Wir hatten gelesen, dass hier normalerweise Zugezogene aus Nicht-EU-Staaten nach einem Jahr ihren Führerschein umschreiben müssen. Weil bald ein Jahr seit dem Beginn des Flüchtlingsstroms vergangen ist, hatten wir uns gefragt, ob das zu einer plötzlichen Antragswelle bei den Verkehrsbehörden führen wird.

Den Autor erreichen Sie unter: m.hillebrand@zgo.de

Dieter Quentin ist der Vorsitzende des Fahrlehrerverbands Niedersachsen. Als unsere Zeitung ihm Fragen zu diesen Themen stellt, verweist er zunächst auf eine geltende Sonderregelung, die als Folge des Krieges festgelegt wurde. Demnach dürfen Ukrainer mit Geflüchtetenstatus noch bis zum 6. März 2025 auf den Straßen in der Europäischen Union fahren, ohne ihren ukrainischen Führerschein umschreiben lassen zu müssen. Quentin betont noch einmal, dass dieser Status dabei die Grundvoraussetzung ist: „Studierende beispielsweise, die vor dem Krieg aus der Ukraine hier herkamen, müssen ihn bereits nach einem Jahr umschreiben lassen.“ Einen Aufbaukurs bei einer EU-Fahrschule müsse nicht besucht werden, da die Verkehrsregeln wohl ähnlich genug seien, vermutet er.

Verkehrsregeln und Versicherungen

Ein Blick auf die Website des Allgemeinen Deutschen Automobilclubs (ADAC) bestätigt das. Dort sind Tipps für hiesige Kraftfahrer zu finden, die in das ukrainische Land fahren und wichtige Unterschiede kennen müssen. Demnach wird zum Beispiel ein internationaler Führerschein nur empfohlen, den man aber ohne Prüfung bei der zuständigen Verkehrsbehörde kaufen kann, wenn man einen nationalen Führerschein besitzt. Es gilt in der Ukraine zudem Tagfahrlicht, die Promillegrenze liegt bei 0,0 und das Telefonieren am Steuer ist nur mit Freisprecheinrichtung erlaubt. An Bergstraßen hat das aufwärts fahrende Fahrzeug Vorrang – ebenso wie Straßenbahnen an Kreuzungen. Es folgen weitere Anmerkungen zum Parken, zu Kindersitzen, Warnwesten und mehr. Alles in allem sind die Regeln aber ähnlich wie auf europäischen Straßen und teilweise sogar strenger.

Bei Unfällen eines aus der Ukraine stammenden Verursachers traten bis zum 31. Mai vergangenen Jahres die deutschen Kfz-Haftpflichtversicherer gemeinsam ein, selbst wenn der Fahrer unversichert war. Seitdem müssen diese selbst eine Haftpflichtversicherung abschließen. Sie haben die Möglichkeit, hier oder bereits an der EU-Außengrenze eine bis auf zu einem Jahr befristete sogenannte Grenzversicherung abzuschließen, schreibt das Bundesverkehrsministerium auf seiner Website. Alternativ können „Grüne Karten“ aus der Ukraine anerkannt werden, die den Versicherungsschutz garantieren. Erhältlich sind sie auch digital von hier aus.

Busfahrerinnen sollen leichter arbeiten dürfen

Problematisch sei es dahingegen derzeit noch für Berufskraftfahrer aus der Ukraine, fügt der Fahrlehrerverbands-Vorsitzende Quentin im Gespräch hinzu. Eigentlich sehe es die EU vor, dass in ihren Mitgliedsländern abgespeckte Qualifizierungen für Geflüchtete mit Vorerfahrung angeboten werden. Bislang sei es der zuständigen Industrie- und Handelskammer (IHK) aber noch nicht gelungen, in Deutschland Prüfungen in ukrainischer Sprache anzubieten. Man hoffe darauf, dass es in diesem Frühjahr so weit sei. Von dieser Möglichkeit könnten nämlich auch die Einheimischen profitieren.

So sei es in der Ukraine vor dem Krieg normal gewesen, dass viele Busse von Frauen gefahren wurden, die jetzt zusammen mit ihren Kindern den Großteil der Geflüchteten ausmachen. Wenn man ihnen hier Arbeit vermitteln könnte, wäre das ein gutes Mittel gegen den hiesigen Fachkräftemangel unter den Lastwagen- und Busfahrern. Allerdings: Auch hierbei würde es sich erst einmal nur um eine befristete Sondergenehmigung handeln, die für die Frauen im März 2025 auslaufe. Danach müsse sich zeigen, wie es mit den Qualifizierungen weitergehe, so Quentin.

Hauptuntersuchung und mehr

Schließlich bleibt noch die Frage nach den Haupt- und Abgasuntersuchungen offen, die bei Neuwagen alle drei und danach alle zwei Jahre anstehen. Gelten sie auch für in der Ukraine zugelassene Fahrzeuge? „Die deutsche HU-Pflicht gilt nur für in Deutschland zugelassene Fahrzeuge. Fahrzeuge aus anderen EU-Staaten unterliegen der periodisch technischen Inspektion (PTI) ihres jeweiligen Landes.

Fahrzeuge aus Nicht-EU-Staaten müssen verkehrssicher und umweltkonform sein, wenn sie in der EU unterwegs sind“, schreibt auf Anfrage Claas Alexander Stroh, Sprecher der TÜV NORD Mobilität GmbH & Co. KG. Also so lange die Autos der Geflüchteten in der Ukraine zugelassen wurden und diese ihre alten ukrainischen Kennzeichen hier behalten, müssen sie nur eigenverantwortlich darauf achten, dass ihre Autos verkehrssicher und umweltkonform sind? „Genau, das ist korrekt“, bestätigt Stroh. Darum seien auch bislang keine ukrainischen Fahrzeuge einer HU unterzogen worden.

Falls mal hier hingegen ein aus der Ukraine oder einem anderen Nicht-EU-Land stammendes Fahrzeug ummelden möchte, hänge das Vorgehen von der EU-Typgenehmigung ab, ergänzt er. Liegt diese vor, dann müsse das Auto zur HU und häufig sei auch eine „Datenbestätigung“ erforderlich. Gibt es keine EU-Typgenehmigung, „ist eine positive Begutachtung gemäß § 21 StVZO erforderlich.“ Wie ein Blick an diese Stelle der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung zeigt, bedeutet das, dass zum Beispiel das Gutachten eines amtlich anerkannten Sachverständigen oder Technischen Dienstes (zum Beispiel GTÜ oder TÜV) notwendig ist, um eine Betriebserlaubnis zu bekommen. „Das Gutachten muss die technische Beschreibung des Fahrzeugs in dem Umfang enthalten, der für die Ausfertigung der Zulassungsbescheinigung Teil I und Teil II erforderlich ist“, so der Gesetzestext.

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