Angesichts drohender Schuldenberge Sollte Emden überhaupt ein neues Frauenhaus bauen?


Die Stadtverwaltung und die Politik müssen jeden Cent umdrehen. Im kommenden Jahr droht ein dickes Defizit. Der Neubau eines Frauenhauses gehört nicht zu Pflichtaufgaben. Sollte man hier sparen?
Emden - Das Emder Frauenhaus befindet sich schon seit Jahren in einem schlechten Zustand. Jetzt ist endlich der Förderbescheid für die Sanierung und Erweiterung eingetroffen. Gesamtkosten von mehr als 1,5 Millionen Euro wurden für den Antrag errechnet - allerdings stammt die Planungsversion von 2021, „sodass mit Kostensteigerungen zu rechnen ist“, teilt Stadtrat Volker Grendel auf Nachfrage über die Stadtpressestelle mit.
Weil es allerdings eine sehr detaillierte Kostenermittlung gewesen sei, hoffe man auf „nur geringe Kostensteigerungen, genauere Daten werden aber erst nach Ausschreibung der einzelnen Gewerke vorliegen“, erklärt er. Derzeit werde mit Hochdruck am Bauantrag gearbeitet, weil mit diesen Arbeiten erst nach dem Bewilligungsbescheid begonnen werden durfte. Die Frage, wann es mit dem Bau losgehen könnte, für den schon vor mehr als drei Jahren der erste Förderantrag gestellt wurde, wird nicht beantwortet.
Was muss die Stadt zahlen?
Die Stiftung Hermann und Cäcilie Isensee, durch die auch bereits der Neubau des Emder Tierheims und der Bau des Hospizes finanziert wurden, will auch das Frauenhaus bauen lassen. Betreiberin wird - wie zuvor - die Arbeiterwohlfahrt (Awo). Der rechnerische Anteil der Stiftung an den Baukosten beträgt 450.000 Euro, während Land und Bund den Rest übernehmen. Allerdings: Der tatsächliche Eigenanteil der Stiftung wird durch die Stadt Emden im Rahmen eines später mit der Stiftung zu schließenden langfristigen Mietvertrages kofinanziert.
Einfach gesagt: Die Stiftung zahlt die Baukosten und die Stadt mietet das Gebäude. „Derzeit betragen die jährlichen Miet- und Betriebskosten für das Bestandsgebäude ca. 16.000 Euro, mit dem neuen Anbau werden diese sich sicherlich verdoppeln“, erklärt Grendel. Nach Fertigstellung des neuen Wohn- und Schlaftraktes soll aber auch das Bestandsgebäude unter Nutzung von Fördermitteln energetisch saniert werden, um die Betriebskosten weiter zu senken.
Ist das Frauenhaus eine Pflichtaufgabe für die Stadt?
Angesichts der spätestens im kommenden Jahr drohenden finanziellen Schieflage müssen Verwaltung und Politik in Emden jeden Cent umdrehen. Ab 2024 soll es nach aktuellem Stand extrem ins Minus gehen. Mehr als 20 Millionen Euro Defizit wird ab da erwartet. Ab 2027 könnte die Stadt so verschuldet sein, dass sie finanziell nicht mehr eigenständig handeln kann. Volker Grendel erklärte im kürzlich tagenden Gesundheitsausschuss des Emder Rats, dass der Betrieb eines Frauenhauses nicht zu den sogenannten freiwilligen Leistungen einer Stadt gehört. Bei diesen Leistungen ist beispielsweise eine Finanzspritze für Kulturhäuser, Sportvereine oder Veranstaltungen gemeint. Die werden als erstes gestrichen, wenn gespart werden muss.
Allerdings: Es sei zwar Pflicht, den Zugang zu einem Frauenhaus zu ermöglichen, aber offenbar nicht zwangsläufig selbst eines vorzuhalten. Die Stadt könnte betroffene Emderinnen auch in Frauenhäuser woanders unterbringen und dort den Platz bezahlen. Für Volker Grendel ist allerdings klar: „Eine kreisfreie Stadt braucht ein Frauenhaus.“ Es wäre schon fast beschämend, wenn Emden keines hätte, wird aus seinem Tonfall deutlich. Frauenhäuser sind dafür gedacht, Frauen in Extremsituationen Schutz zu bieten. In den Einrichtungen können sie sich geschützt damit auseinander setzen, wie sie in Zukunft ihr Leben gestalten wollen und können.
In Emden gab es das erste Frauenhaus der Region
Der Bedarf ist offenbar da: 36 Frauen und 34 Kinder waren im Verlauf des vergangenen Jahres im Emder Frauenhaus untergebracht, hieß es im Ausschuss. Ein Drittel der Frauen stammte aus Emden. Die anderen kamen aus anderen Städten und Bundesländern, wenn bei ihnen ein Hochrisiko dafür bestand, dass ihre Ehemänner oder Partner sie töten könnten. Im neuen Emder Frauenhaus sollen durch ein variables Raumkonzept bis zu acht Frauen gleichzeitig mit ihren Kindern untergebracht werden können.
In Emden wurde das erste Frauenhaus der Region gegründet, nachdem 1979 der Arbeitskreis „Ein Frauenhaus für Ostfriesland“ entstand, wie auf der Website der Emder Einrichtung nachzulesen ist. Mittlerweile gibt es solche Notfall-Adressen auch in anderen ostfriesischen Städten - etwa in Aurich, Leer und Friedeburg.