Organspende-Zahlen rückläufig Tattoo soll Organspende populärer machen

| | 30.05.2023 13:01 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
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Auf dem Arm von Meike Steen (links) ist das Organspende-Tattoo aufgemalt. Foto: Ortgies
Auf dem Arm von Meike Steen (links) ist das Organspende-Tattoo aufgemalt. Foto: Ortgies
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Die Zahlen der Organspenden sind rückläufig. Ein Tattoo soll das jetzt aufhalten. Ein Arzt und eine Tätowiererin erklären ihre Meinung dazu.

Landkreis Leer - Zwei Halbkreise, ein Strich und ein weiterer Kreis - so sieht das Tattoo aus, das nach Hoffnung seiner Schöpfer Leben retten soll. Der Verein Junge Helden hat sich ein Tattoo für Organspender ausgedacht. Die Träger sollen damit deutlich sichtbar machen, dass sie als Organspender eingesetzt werden möchten, sollte es mal der Fall sein. Tätowierer, die das Bild stechen, sollen es kostenlos anbieten. So die Theorie: Doch wie sieht es in der Praxis aus? Kann man sich das Tattoo überall stechen lassen? Ersetzt es den Organspende-Ausweis? Und findet ein Arzt im Fall der Fälle das Tattoo überhaupt?

Was und warum

Darum geht es: Der Verein Junge Helden hatte die Idee, mit einem Organspende-Tattoo die Aufmerksamkeit auf das Problem zu legen. Mediziner und Tätowierer sehen es positiv.

Vor allem interessant für: Diejenigen, die sich mit dem Thema noch nicht auseinandergesetzt haben.

Deshalb berichten wir: Uns wurde berichtet, dass auch in Ostfriesland die ersten Tattoos gestochen wurden.

Die Autorin erreichen Sie unter: n.nording@zgo.de

Das Problem

Deutschlandweit ist die Zahl der Organspender nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation 2022 zurückgegangen – auf 869 Spender im Vergleich zu 933 im Jahr 2021. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte als Reaktion angekündigt, einen neuen Anlauf für die Einführung einer Widerspruchsregelung beim Thema Organspende starten zu wollen. Bei einer solchen Regelung würden Menschen automatisch als Organspender gelten – außer, sie haben zu Lebzeiten widersprochen. Der Bundestag hatte eine solche Widerspruchslösung 2020 abgelehnt.

Zwei Halbkreise und ein Kreis – so sieht das Tattoo aus. Foto: Ortgies
Zwei Halbkreise und ein Kreis – so sieht das Tattoo aus. Foto: Ortgies

Kritiker beklagen unter anderem eine fehlende Aufklärung von Angehörigen darüber, dass sie die Sterbenden nicht bis zur letzten Minute begleiten könnten. Sie fordern deshalb, dass Organe und Gewebe nur entnommen werden können, wenn die Verstorbenen dem zu Lebzeiten explizit zugestimmt haben. Laut der Deutschen Stiftung Organtransplantation sind finanzielle Anreize für Krankenhäuser im Hinblick auf Organspenden ausgeschlossen. Mediziner seien verpflichtet, Leben zu retten – erst wenn dies aussichtslos erscheine, könnten Hirntote theoretisch zu Spendern werden.

Die Tätowiererin

Emma Steen bietet das Tattoo in ihrem Studio Brotlose Kunst in Weener an. Man kann ihren Laden auch auf der Homepage des Vereins Junge Helden zum Organspende-Tattoo finden. Neben ihrem Studio gibt es noch Studios in Emden, Leer und Papenburg, die es anbieten. „Eine Kundin hat mich auf die Idee gebracht“, erklärt Steen. Sie habe sie angeschrieben und gefragt, ob sie das Tattoo stechen würde. „Da habe ich mich das erste Mal damit beschäftigt.“ Doch es blieb nicht nur bei der Beschäftigung mit dem Bild an sich. Sie habe darüber nachgedacht, wie sie zum Thema Organspende steht. „Ich habe auch mit meiner Familie darüber gesprochen“, so Steen. Darum geht es den Jungen Helden nämlich eigentlich. Das Tattoo ist eine eindeutige Willensbekundung zur Organspende. Ist es zu sehen, könnten Angehörige sicher sein, dass der mögliche Spender seine Organe zur Verfügung stellen würde. „Das ist eine coole Sache und das Tattoo sieht auch gut aus“, sagt sie.

Emma Steen hat das Organspende-Bild tätowiert. Foto: Ortgies
Emma Steen hat das Organspende-Bild tätowiert. Foto: Ortgies

Der Arzt

Markus Becker ist Oberarzt im Klinikum Leer. Er ist der Transplantationsbeauftragte für das Krankenhaus. Auch er steht dem Tattoo positiv gegenüber. „Es ist eine klare Willensbekundung“, sagt er. Die Befürchtung, dem Arzt oder den Pflegekräften könnte das Tattoo auf dem Körper des möglichen Spenders entgehen, sieht er nicht. „Die Pflegekräfte pflegen in der Regel den ganzen Körper, da fällt es schon auf“, sagt er. Doch der Mediziner betont: Das Tattoo ist nur eine Willensbekundung. Ähnlich wie der Organspende-Ausweis ist es kein amtliches Dokument. „Wenn die Angehörigen - und wenn es nur einer ist - der Spende nicht zustimmen, werden die Organe nicht gespendet“, betont er deutlich. Es führe also kein Weg daran vorbei, mit seinen Angehörigen über die Organspende zu sprechen.

Es sei für die Menschen, die darüber entscheiden müssten, in dem Moment ohnehin schon schwer. „Der irreversible Hirnfunktionsausfall gilt als Todeszeitpunkt“, so Becker. Doch sehe der Mensch nicht so aus, wie man sich landläufig den Tod vorstelle: „Das Herz schlägt noch, durch die Lungenfunktionsmaschine bewegt sich der Brustkorb und die Haut ist rosig und warm“, sagt er. Das Bild vom Tod stelle man sich anders vor. „Dabei ist der Mensch tot“, sagt Becker. Das bedarf viele Gespräche mit den Angehörigen, früh genug werde mit ihnen gesprochen. Und eine Möglichkeit zur Organspende gibt es gar nicht so häufig: „Wir hatten im vergangenen Jahr keine Organspende und in den Jahren davor jeweils eine“, sagt Becker. Mögliche Patienten gebe es im Jahr rund neun bis zehn. Das Alter spiele dabei keine Rolle. Nur Vorerkrankungen wie Krebs und HIV seien Ausschlusskriterien, sagt Becker. Es sei auch legitim, sich gegen eine Spende zu entscheiden: „Wichtig ist, dass sich jeder Gedanken darüber macht.“

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