Gleichstellung im Beruf Zu dick, zu dünn, falscher Lippenstift – was Frauen in der Politik erleben

| | 06.06.2023 12:11 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
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Bürgermeisterin Ramona Schumann (Pattensen, rechts) ist Sprecherin des Arbeitskreises „Frauen in die Kommunalpolitik“. Ihre Amtskolleginnen Kathrin Alte (Anzing, Bayern, 2. von links), Nicole Berka (Neunkirchen-Seelscheid, NRW, links) und Heike Horn (Langeoog, Mitte) wurden als Stellvertreterinnen bestimmt. Die Frau des Bundespräsidenten, Elke Büdenbender, war Schirmherrin der Bürgermeisterinnenkonferenz. Foto: DStGB/Svea Pietschmann
Bürgermeisterin Ramona Schumann (Pattensen, rechts) ist Sprecherin des Arbeitskreises „Frauen in die Kommunalpolitik“. Ihre Amtskolleginnen Kathrin Alte (Anzing, Bayern, 2. von links), Nicole Berka (Neunkirchen-Seelscheid, NRW, links) und Heike Horn (Langeoog, Mitte) wurden als Stellvertreterinnen bestimmt. Die Frau des Bundespräsidenten, Elke Büdenbender, war Schirmherrin der Bürgermeisterinnenkonferenz. Foto: DStGB/Svea Pietschmann
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Rock, Bluse, Frisur – was das mit dem Chefsessel in Rathäusern zu tun hat? Eigentlich nicht viel, sollte man meinen. Bürgermeisterinnen wehren sich gegen Vorurteile und blöde Bemerkungen.

Langeoog/Berlin - Langeoogs Bürgermeisterin Heike Horn (parteilos) kann sich manchmal richtig ärgern. Über Dinge, die auf der Insel passieren, aber auch über Dinge, die nicht nur auf der Insel passieren. Wenn es zum Beispiel um die Arbeit und Wahrnehmung von Frauen in Führungspositionen geht. Frauen wie sie also. „Ist der Rock zu kurz, ist der Rock zu lang, ist man zu dick, ist man zu dünn, sitzen die Haare, passt der Lippenstift“, zählt Horn die Fragen auf, mit denen Frauen konfrontiert werden. Und fährt gleich fort: „Ich glaube nicht, dass ein Mann so beobachtet wird, was er für einen Anzug anhat.“

Die Bürgermeisterinnenkonferenz am Mitte Mai in Berlin. Foto: DStGB/Svea Pietschmann
Die Bürgermeisterinnenkonferenz am Mitte Mai in Berlin. Foto: DStGB/Svea Pietschmann

Diese Erfahrungen sind nach Angaben der Langeooger Bürgermeisterin keine Ausreißer oder Einzelfälle. Und auch nicht auf Deutschland beschränkt. „Sie werden überall gemacht, egal ob in Deutschland, Österreich oder in der Schweiz.“ Horn weiß das aus Gesprächen mit Bürgermeisterinnen aus diesen drei Ländern, denn die Langeoogerin gehört zu einem Netzwerk, in dem sich die Frauen zusammengeschlossen haben. Mitte Mai kamen rund 100 Kommunalpolitikerinnen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz in Berlin zum ersten Bürgermeisterinnenkongress zusammen. Dabei konstituierte sich auch der Arbeitskreis „Frauen in die Kommunalpolitik“ innerhalb des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Heike Horn ist stellvertretende Vorsitzende des Arbeitskreises.

Wie Frauen ticken

„Wenn über die Hälfte der Bevölkerung weiblich ist, dann sollte sich das doch auch in den Stellen widerspiegeln, die mitverwalten und mitgestalten“, findet Horn. Gemischte Teams seien erfolgreicher, das wisse man aus der freien Wirtschaft. Und da die Denkweise von Männern und Frauen unterschiedlich sei, könne am Ende die Mischung das bestmögliche Ergebnis für alle Beteiligten garantieren.

Bleibt die Frage, wie sich diese Denkweisen auf der Ebene von Bürgermeisterämtern unterscheiden? Es gebe vielleicht in Teilen eine klarere Haltung bestimmten Dingen gegenüber, formuliert Horn vorsichtig, ein deutlicheres Benennen von Sachverhalten. Klare Antworten, ein Ja oder ein Nein. Auch würden Missstände deutlicher benannt. So höre sie es auch von den anderen Bürgermeisterinnen. Obwohl vieles natürlich auch vom persönlichen Charakter abhänge, schiebt sie hinterher.

Was Frauen wollen

Die Bürgermeisterinnenkonferenz hat eine gemeinsame Erklärung formuliert. Sie fordern unter anderem flexiblere Arbeitszeitmodelle, um politische Mandate in der Gemeindeführung wieder interessanter zu machen. Auch eine familienfreundlichere Sitzungskultur in der Kommunalpolitik müsse angestrebt werden. „Ich habe eine Kämmerin, die drei schulpflichtige Kinder hat und die sich sehr oft wünschen würde, dass sie nicht abends in Sitzungen sitzen müsste“, sagt Horn. Tatsächlich tagen Stadt- oder Gemeinderäte samt ihren Ausschüssen in der Regel am späten Nachmittag oder abends. Denn ihre Mitglieder übernehmen diese kommunalen Mandate ehrenamtlich, neben ihren normalen Jobs. Tagsüber hat kaum jemand Zeit.

Außerdem fordern die Bürgermeisterinnen den Ausbau von Mentoring-Programmen und anderen Instrumenten der Nachwuchsförderung. Es müsse auch mehr Wertschätzung, mehr Anerkennung und Respekt geben, wünschen sie sich. „Bürgermeisterinnen“, heißt es in der Erklärung, „sind Vorbilder und enorm wichtig, um Frauen Mut zu machen, in der Kommunalpolitik Führungspositionen anzustreben.“

Frauen in Zahlen

Die Suche nach konkreten Zahlen, wie viele Bürgermeisterinnen in Deutschland in den Rathäusern arbeiten, gestaltet sich schwierig. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) nennt keine, auch der niedersächsische Städtetag zuckt mit den Schultern. Im Vorwort der gemeinsamen Erklärung der Bürgermeisterinnen ist zumindest eine grobe Einordnung zu finden: Zehn bis 15 Prozent aller Bürgermeister in Deutschland, Österreich und der Schweiz seien weiblich, heißt es dort. Einen Vergleich gibt es auch: „In Schweden liegt der Anteil der Bürgermeisterinnen dagegen bei über 36 Prozent.“

Im Gleichstellungsatlas des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ist eine Reihe von Frauenanteilen in unterschiedlichen Berufs- und Lebensfeldern zu finden. Zum Beispiel der Frauenanteil in den Verwaltungsspitzenpositionen in Landkreisen, kreisfreien Städten und Bezirken der Stadtstaaten. Am weitesten vorn sind da die Stadtstaaten Hamburg, Bremen und Berlin (25 Prozent und mehr), gefolgt von Schleswig-Holstein und Thüringen (20 bis 24 Prozent). Niedersachsen liegt mit 15 bis 19 Prozent im Mittelfeld.

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