Zum Tag des Strandkorbs War doch die Nordsee Strandkorb-Vorreiter?

Dorothee Hoppe
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Von Dorothee Hoppe
| 15.06.2023 08:04 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 6 Minuten
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Im Meer von Strandkörben behält er den Überblick: Uwe von der Pütten, Strandkorb-Aufbereiter von Norddeich. Foto: Ortgies
Im Meer von Strandkörben behält er den Überblick: Uwe von der Pütten, Strandkorb-Aufbereiter von Norddeich. Foto: Ortgies
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Dem Strandkorb auf der Spur stieß die Redaktion auf eine fragwürdige Legende, eine interessante Tradition, innovative Ideen und einen Strandkorb-Aufbereiter. All das nur durch den Strandkorbtag.

Ostfriesland - Wer den Blick über die Strände Ostfrieslands schweifen lässt, sieht nicht nur die Nordsee, sondern auch ein Meer aus Strandkörben. Egal, ob Borkum, Norderney, Norddeich oder Carolinensiel – an der gesamten Nordseeküste stehen in der Hochsaison Tausende der beliebten Sitzgelegenheit. Doch die standen nicht immer da.

Was und warum

Darum geht es: Wissen rund um das wind- und wetterfeste Möbelstück

Vor allem interessant für: alle, die sich gerne in den Strandkorb setzen.

Deshalb berichten wir: Am 15. Juni ist der bundesweite Strandkorbtag.

Die Autorin erreichen Sie unter: d.hoppe@zgo.de

Übrigens hält sich das Gerücht hartnäckig, der Strandkorb sei an der Ostsee erfunden worden. Dabei gab es sie zum Beispiel auf Norderney schon viel eher... Außerdem befinden sich die Strandkörbe nicht dauerhaft am Strand. Doch wo sind sie, wenn nicht dort? Anlässlich des bundesweiten Strandkorbtags am 15. Juni haben wir uns auf die Spur der Strandlaube gemacht.

Seit rund 150 Jahren gehören Strandkörbe zum Bild der Küste. Foto: Hoppe
Seit rund 150 Jahren gehören Strandkörbe zum Bild der Küste. Foto: Hoppe

Eine fragwürdige Legende

Das Datum für den kuriosen Ehrentag hat eine Geschichte. Dieser nach zu urteilen, stellte der deutsche Korbmacher Ludolph Wilhelm Eduard Bartelmann am 15. Juni 1882 den ersten Strandkorb auf, und zwar an der Ostsee in Warnemünde. Das war vielleicht der erste an der Ostsee, aber nicht der erste an der Nordsee. Denn bereits seit der Saison 1872 gibt es Strandkörbe auf Norderney – also ein Jahrzehnt vor der vermeintlichen Erfindung durch den Korbmacher an der Ostsee. „Bartelmann kann seinen später gebauten Strandkorb gerne erweitert beziehungsweise verbessert haben, erfunden hat er ihn jedenfalls definitiv nicht“, hält Matthias Pausch gegen die Legende. Er ist Stadtarchivar und Leiter des Museums Nordseeheilbad Norderney. Wer allerdings den ersten Strandkorb tatsächlich erfunden hat, sei bisher noch nicht belegt.

Die ersten Dokumente findet sich laut der Patent-Forschungsabteilung der Universitätsbibliothek der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen im 1871 veröffentlichten Musterbuch des Korbmachers Ernst Karl Nikolaus Freese. „Freese könnte es gewesen sein, aber seine Erfindung eines Strandstuhls ist nicht identisch mit denen von Norderney, die wir auf den Fotos um 1880 sehen. Es könnte sich hier aber auch um eine Weiterentwicklung handeln, die zwischen der Erfindung durch Freese 1871 und den ersten Fotografien der Strandkörbe auf Norderney stattfand“, sagt Pausch dazu. Die Erfindung durch Bartelmann sei jedenfalls „eine Legende, deren Wahrheitsgehalt inzwischen widerlegt ist“. Auch in den Niederlanden gab es laut dem Museumsleiter schon in den 1870er Jahren Strandkörbe. Es spricht also einiges dafür, dass der Strandkorb seinen Ursprung doch an der Nordsee hat – ob nun auf niederländischer oder ostfriesischer Seite.

So sahen die ersten Strandkörbe Ende der 1870er/Anfang der 1880er Jahre auf Norderney aus. Foto: Stadtarchiv Norderney
So sahen die ersten Strandkörbe Ende der 1870er/Anfang der 1880er Jahre auf Norderney aus. Foto: Stadtarchiv Norderney

Die Bedeutung für Norderney und der Ursprung einer Tradition

Für die Nordseeinsel Norderney hatten die Strandmöbel eine besondere Bedeutung, da sie ein Strandleben ermöglichten. In diesem Zusammenhang zitiert Pausch aus der Norderneyer Badezeitung: „Während man sonst nur Spazierengehen konnte, findet sich jetzt bequeme Gelegenheit zur Niederlassung [...] – kurz: das Ganze gewährt ein buntes, interessantes und freundliches Bild.“ Fotos von damals zeigen, dass sich eine Art „Strandkorbkolonie“ in der Nähe der Marienhöhe am Weststrand bildete. Dort war sogar der deutsche Schriftsteller Theodor Fontane damals zu Gast. In einem Brief aus dem Norderney-Urlaub an seine Frau vom 12. August 1882 beschrieb Fontane „viele Hunderte von Korbhütten“. Dazu erklärt der Norderneyer Museumsleiter: „Korbhütte und Strandkorb sind lediglich verschiedene frühe Benennungen, von denen sich die Bezeichnung Strandkorb durchgesetzt hat.“

Um 1900 begann der Trend der Strandburg. Foto: Stadtarchiv Norderney
Um 1900 begann der Trend der Strandburg. Foto: Stadtarchiv Norderney

Um 1900 hatte sich die beliebte Sitzgelegenheit bereits an der gesamten deutschen Ost- und Nordseeküste verbreitet. Der Tourismus erlebte dort Hochkonjunktur und mit ihm der Strandkorb. Zu dieser Zeit „begann das ‚große Graben‘“, wie Pausch es formuliert. Sandburgen wurden um den Strandkorb errichtet. Es etablierte sich die Tradition des „Küsten-Schrebergartens“, so das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA). „Es musste auch nicht immer ein Strandkorb das Zentrum der Strandburg sein“, erklärt der Stadtarchivar. Das Hissen einer Fahne komplettierte das Werk. Die sandigen Schrebergärten kann man auch heutzutage noch an den Stränden beobachten.

Was man an vielen Stränden sieht: Um den Strandkorb entsteht eine Art Festung, oft inklusive Fahnenmast. Foto: Hoppe
Was man an vielen Stränden sieht: Um den Strandkorb entsteht eine Art Festung, oft inklusive Fahnenmast. Foto: Hoppe

Wo die Strandkörbe überwintern

Das geht jedoch nicht das ganze Jahr über, denn die Strandkörbe stehen nur von Ostern bis Ende September an den Stränden. Dann werden die, die sonst in Norddeich stehen, in einer großen Halle in Norden gelagert. Aktuell sind das rund 720 Stück „Vor der Sturmflutsaison muss alles weg sein“, weiß Uwe von der Pütten. Seit neun Jahren arbeitet er bei den Wirtschaftsbetrieben Norden als Strandkorbaufbereiter. Der 60-Jährige weiß also alles über Strandkörbe.

Die Strandburgen um die mietbaren Zweisitzer findet er nicht schlimm. „Man hat Urlaub und will sein Areal haben.“ Kritisch wird es erst bei sehr tiefen Buddelarbeiten der Strandgäste: „Ab und zu werden Löcher gegraben, in denen man viel verschwinden lassen kann. Teilweise musste ich Strandkörbe heraushieven, die bis hier im Sand steckten“, sagt er und legt die Hand in Höhe der befestigten Tischbrettchen auf einen Korb, den er gerade repariert.

In seiner Werkstatt in einer Lagerhalle für Strandkörbe geht Uwe von der Pütten seiner Arbeit nach. Foto: Ortgies
In seiner Werkstatt in einer Lagerhalle für Strandkörbe geht Uwe von der Pütten seiner Arbeit nach. Foto: Ortgies

Innovative Strandkorb-Ideen

Wie es vom starren Einsitzer zum komfortablen Modell mit kippbarer Rückenlehne und ausziehbaren Fußbänken kam, ist wie auch der Ursprung nicht eindeutig belegt. Aus verschiedenen Quellen geht hervor, dass 1883 Bartelmann ein Modell für zwei Personen entwickelte, das er mit Markise, Fußstützen und Seitentischen versah. 1910 erfand dann Bartelmanns ehemaliger Geselle Johann Falck die Mechanik zum Klappen des Strandkorbs, was die verstellbare Lehne möglich machte. Dadurch vollendete Falck den bis heute typischen Aufbau.

In den etwa 150 Jahren Strandkorb-Geschichte gab es verschiedene Ideen zur Weiterentwicklung oder Umgestaltung, wie sich den Aufzeichnungen des DPMA entnehmen lässt. Bereits 1907 meldete ein Berliner den „in eine Lagerstätte umwandelbaren Strandkorb“, dessen Lehne vollständig umgelegt werden konnte, zum Patent an. Diesen Ansatz führte Herbert Broszeit aus Hameln 1950 mit seinem „verstellbaren Strandkorb“ weiter aus. Die Idee wurde erst vor wenigen Jahren für den Schlafstrandkorb wieder aufgegriffen. Im Jahr 2016 wurde der erste Schlafstrandkorb der Region in Dangast aufgestellt. Seit 2022 kann am Strand des Nordseeheilbades Carolinensiel-Harlesiel die Nacht verbringen. Auch auf den Inseln Norderney und Wangerooge sowie am Festland in Bensersiel und im Wangerland gibt es Schlafstrandkörbe.

Schlafstrandkörbe gibt es unter anderem auf Norderney und in Harlesiel. Foto: Hauke-Christian Dittrich/DPA/Archiv
Schlafstrandkörbe gibt es unter anderem auf Norderney und in Harlesiel. Foto: Hauke-Christian Dittrich/DPA/Archiv

Diese Idee hat sich also im Vergleich zu anderen durchgesetzt. Es gibt weitere Ansätze, zum Beispiel für einen zusammenklappbaren Strandkorb aus Stahlrohren, einen inklusiven „Rollstuhlfahrerstrandkorb“ oder die innovative Idee, den Korb mit einer Photovoltaikanlage auszustatten, um kleine Elektrogeräte betreiben oder laden zu können. Einige barrierefreie Strandkörbe stehen tatsächlich seit zwei Jahren in Norddeich. „Da kann man rückwärts mit einem Rollstuhl reinfahren und ist von Wind und Sonne geschützt“, erklärt Aufbereiter Uwe von der Pütten. Was bisher nicht patentiert zu sein scheint, es aber in Norddeich gibt, sind Mini-Strandkörbe für Hunde.

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