„Bürgerenergie Hinte & Krummhörn“ Was macht eigentlich eine Energiegenossenschaft?


Das Thema erneuerbare Energien ist derzeit aktueller denn je. In den Gemeinden Hinte und Krummhörn hat man sich deshalb schon vor einigen Jahren zusammengetan.
Hinte/Krummhörn - In vielen Lebensbereichen lassen sich Herausforderungen heute in Genossenschaften meistern. Das wohl bekannteste Beispiel dafür sind sicherlich die Genossenschaftsbanken. Die Idee dahinter hatte vor über 160 Jahren Friedrich Wilhelm Raiffeisen im Westerwald in Rheinland-Pfalz. Sein Ideal: Solidarität und Selbsthilfe statt Profit. Die Genossenschaft wird von den Mitgliedern getragen - die Entscheidung gemeinschaftlich gefällt. Weltweit organisieren sich nach Angaben der Raiffeisen-Gesellschaft heute mehr als 800 Millionen Menschen in rund 900.000 Genossenschaften. Heute gibt neben den Banken etwa Genossenschaften für Handwerk, Landwirtschaft oder sogar für erneuerbare Energien.
Was und warum
Darum geht es: die Energiegenossenschaft „Bürgerenergie Hinte & Krummhörn“
Vor allem interessant für: alle Bewohner der Gemeinden Krummhörn und Hinte, sowie alle, die sich für erneuerbare Energien und alternative Geschäftsmodelle interessieren
Deshalb berichten wir: im Umwelt- und Bildungsausschuss der Gemeinde Krummhörn war die Genossenschaft Thema. Die Autorin erreichen Sie unter: h.weiden@zgo.de
In den Gemeinden Hinte und Krummhörn etwa schimmern 16 Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen) der Energiegenossenschaft „Bürgerenergie Hinte & Krummhörn“ auf den Dächern. Mit der erzeugten Energie von ca. 750.000 kWh pro Jahr können rechnerisch über 200 Haushalte mit Strom versorgt werden. „Wir sind seit mittlerweile 12 Jahren unterwegs und haben 125 Mitglieder“, sagt Helmut Uphoff. Gemeinsam mit Karsten Bruns ist er ehrenamtliches Vorstandsmitglied der Genossenschaft. Die beiden haben vergangene Woche im Krummhörner Umwelt- und Klimaausschuss ihr Engagement und die Arbeit der Genossenschaft vorgestellt.
Welche Ziele hat die Genossenschaft?
Die Genossenschaft wurde 2009 auf Initiative der Volksbank und des Genossenschaftsverbands Weser-Ems gegründet. Das Ziel: Die Mitglieder der Genossenschaft erzeugen gemeinsam nachhaltige, erneuerbare Energie - und erwirtschaften damit einen gemeinschaftlichen Gewinn. „Das Interesse war damals groß, irgendwas zu machen“, sagt Karsten Bruns. Das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) und mit ihm die Themen Windkraft und PV traten damals nach und nach in den Fokus.
Wie funktioniert das Ganze?
Die Genossenschaft pachtet eine Privatfläche und 15 Flächen von der Gemeinde. Die Anlagen befinden sich etwa auf den Dächern der Grundschulen Jennelt, Greetsiel und Loquard, auf dem Dach der Mensa in Pewsum oder den Dächern der Feuerwehren in Loppersum, Greetsiel und Hamswehrum. Die letzte Anlage ging 2019 ans Netz. Der erwirtschaftete Strom wird an die EWE verkauft, der Gewinn als Rendite ausgezahlt. In den letzten Jahren seien das immer um die sechs Prozent gewesen. Die Beteiligung an der Genossenschaft kostet mindestens 1000 und maximal 10.000 Euro. „Wir wollten möglichst viele Leute einbinden“, sagt Bruns. Die Genossenschaft richtet sich an alle, die in der Krummhörn oder in Hinte wohnen.
Inwiefern sind die Gemeinden daran beteiligt?
Die Gemeinden sind selber Mitglied der Genossenschaft. Außerdem sind Krummhörns Bürgermeisterin Hilke Looden und Uwe Redenius, Bürgermeister von Hinte (beide parteilos) Teil des Aufsichtsrats. Das dritte Mitglied im Aufsichtsrat ist Georg Alder, Vorstandsmitglied der Ostfriesischen Volksbank. Laut Karsten Bruns bietet das System viele Vorteile für die Kommunen: Da die Gemeinden Mitglied sind, bekommen sie auch die Dividende. Außerdem erhalten sie Pachtbeträge für die Dächer und Gewerbesteuer.
Welche Schwierigkeiten gibt es?
„Wir hatten bei der Gründung die Hoffnung auf mehr private Dächer“, sagt Bruns. Viele Privatpersonen, die die Genossenschaft angesprochen hatte, hätten nach den Gesprächen häufig beschlossen, lieber selbst eine Anlage zu kaufen. Ein weiterer Punkt: „Wir können nicht unbegrenzt neue Leute aufnehmen, weil wir nicht wissen, wohin mit dem Geld.“ Das Eigenkapital liegt mittlerweile bei 619.000 Euro - investiert wurden bisher über 2 Millionen Euro. Eine weitere Schwierigkeit seien die aktuellen Wartezeiten für Module und Wechselrichter. Durch den Krieg in der Ukraine seien erneuerbare Energien „sehr angesagt“.
Welche Pläne gibt es für die Zukunft?
Die Genossenschaft hofft, den Strom nicht komplett an die EWE verkaufen zu müssen - vorstellbar und wünschenswert wäre stattdessen, ihn dort zu verbrauchen, wo er hergestellt werde. Die Gemeinden könnten den Strom so von der Genossenschaft abkaufen und für zum Beispiel Schulen nutzen - auf dessen Dächern der Strom ja auch produziert wird. Außerdem können sich Bruns und Uphoff gut vorstellen, künftig auch größere Projekte anzupacken. Etwa, bei einem Windpark einzusteigen. Dann könnten auch wieder weitere Mitglieder aufgenommen werden.
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