Jubiläum in Rhauderfehn Fehntjerin feiert ihren 100. Geburtstag

Holger Weers
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Von Holger Weers
| 20.07.2023 08:03 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
Johanne Krawinkel feiert am 20. Juli ihren 100. Geburtstag. Foto: Weers
Johanne Krawinkel feiert am 20. Juli ihren 100. Geburtstag. Foto: Weers
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Am Donnerstag. 20. Juli, feiert die Fehntjerin Johanne Krawinkel ihren großen Ehrentag. Die Seniorin wird 100 Jahre alt und gibt zu diesem Anlass einen Einblick in ihr zeitweise sehr hartes Leben.

Rhauderfehn - Rhauderfehn - Für Johanne Krawinkel aus Rhauderfehn ist der heutige Donnerstag ein ganz besonderer Tag: Die rüstige Dame feiert nämlich ihren 100. Geburtstag. Und die Schar der Gratulanten ist groß: Am Vormittag wollen Vertreter der Gemeinde Rhauderfehn, Hartmut Kutsche, Pastor der Kirchengemeinde Westrhauderfehn, und der Direktor des Bauvereins Leer bei ihr vorbeischauen. Der Nachmittag bleibt der Familie vorbehalten. Zu der gehören zwei Kinder, sieben Enkelkinder und insgesamt zwölf Urenkel.

Früheste Kindheit auf dem Schiff verbracht

Johanne Krawinkel erblickte am 20. Juli 1923 in Rhaudermoor das Licht der Welt. Ihre Eltern, Heibedine und Hermann Krawinkel, führten einen kleinen Hof in der Jürgenaswieke in Rhaudermoor. Eine Schwester sowie ein Bruder machten die Familie komplett. „Mein Vater war Binnenschiffer und arbeitete für die Firma WTAG. Bis meine Geschwister eingeschult wurden, durften wir auf dem Schiff immer mitfahren. Es ging nach Düsseldorf oder Dortmund“, sagt die Seniorin, die noch gerne an diese Zeit zurückdenkt.

Doch Johanne Krawinkel hatte in ihrem bisherigen Leben auch einige Herausforderungen zu meistern. Keine guten Erinnerungen hat sie vor allem an die Kriegszeiten: Während des Zweiten Weltkrieges wurde sie zum Arbeitsdienst verpflichtet. „Ein halbes Jahr lang musste ich Dokumente nach Bremen bringen, das andere halbe Jahr habe ich in einer Munitionsfabrik in Bremen gearbeitet“, erzählt die Rentnerin. Auch das Zubereiten des Mittagessens für die Soldaten gehörte in den Kriegswirren zu ihren Tätigkeiten.

Das schlimmste Erlebnis war nach ihren eigenen Angaben aber die Bombardierung von Rhauderfehn, der auch die Mühle „Zeldenrüst“ in Westrhauderfehn am 12. April 1945 zum Opfer fiel. „Die Familien Müller und von Halem waren tot. Nur der Junge des Mühlenbesitzers hatte überlebt. Ich habe noch einen verletzten Mitarbeiter der Mühle versorgt“, erzählt Johanne Krawinkel.

Trotz Kindern nie verheiratet gewesen

Sie lernte nach Kriegsende ihren Mann kennen, mit dem sie zwei Kinder bekam. Geheiratet wurde jedoch nicht.

„Als uneheliches Kind zur Welt zu kommen, war nicht leicht“, sagt Krawinkels Tochter Heidi Hopp. „In der Schule wurde man deshalb gehänselt. Das haben wir als Kinder gemerkt.“

Um ihre Familie über die Runden zu bringen, verdingte sich Johanne Krawinkel als Haushaltshilfe bei mehreren Familien in Rhauderfehn. Unter anderem für den Apotheker Sarazin, den Friseur Rosenfeld oder für die Familie Plümer, die in Rhauderfehn in Höhe des heutigen Kreisels die Gaststätte „Plümers Eck“ führte. „Verdient habe ich nicht viel. Es gab 30 Deutsche Mark im Monat. Mein Stundenlohn betrug 20 Pfennige“, erinnert sich die hundertjährige Krawinkel.

Dann folgte der nächste Schicksalsschlag in ihrem Leben: Ihr Vater starb im Jahr 1969 mit Anfang 60 an einem Herzinfarkt. Johanne Krawinkel blieb bei ihrer Mutter und kümmerte sich fortan um den Hof, den kleinen Viehbestand und den Garten.

Da sie nur Sozialhilfe bezog und um ihre Familie über Wasser zu halten, fing sie an, für andere Leute zum Beispiel Gobelin-Kissen zu sticken und zu nähen und zu häkeln. Auch erledigte Johanne Krawinkel die Bügelwäsche. „Ich hätte gerne etwas gelernt“, sagt Johanne Krawinkel, die trotz ihrer vielen Talente nie einen Beruf erlernen konnte. Um den Verdienst aufzubessern, war Johanne Krawinkel sogar in jungen Jahren unter anderem als Filmvorführerin im damaligen Hotel Bahns (später: Hotel Wester Fehn) im Einsatz. „Als Kinder konnten wir die Filme immer umsonst mitschauen. Das war klasse“, sagt ihre Tochter Heidi Hopp.

Erste Bewohnerin der Seniorenwohnung

Mitte der 1980er Jahre zog Johanne Krawinkel, als erste Bewohnerin überhaupt, in eine Seniorenwohnung des Bauvereins Leer in der Goethestraße: „Hier ist es schön.“ Sie wird von einem Pflegedienst versorgt.

Auch ihre Tochter Heidi, die bis zu ihrer Rente für den Pflegedienst arbeitete, sowie ihre Enkelin kümmern sich rührend um das Wohlbefinden der Hundertjährigen. „Das ich so alt werde, hätte ich nicht gedacht. In meiner Familie ist keiner älter als 80 Jahre geworden.“

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