EWE plant Großprojekt Die EU verlangsamt den Wasserstoff-Ausbau in Emden erheblich

| | 05.08.2023 08:03 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 5 Minuten
Artikel hören:
Busse, die mit Wasserstoff betrieben werden, gibt es in Niedersachsen bereits - etwa im Landkreis Friesland (Foto). Auch im Landkreis Aurich wurde einer schon testweise eingesetzt, im Landkreis Leer sollen im kommenden Jahr welche fahren. Foto: Dittrich/dpa
Busse, die mit Wasserstoff betrieben werden, gibt es in Niedersachsen bereits - etwa im Landkreis Friesland (Foto). Auch im Landkreis Aurich wurde einer schon testweise eingesetzt, im Landkreis Leer sollen im kommenden Jahr welche fahren. Foto: Dittrich/dpa
Artikel teilen:

Um den geplanten Elektrolyseur von EWE in Emden war es zuletzt ruhig geworden. Der Grund: Man wartet noch auf den Förderbescheid aus Brüssel. Wir haben zum Stand der Planung nachgefragt.

Emden - Emden soll die Wasserstoff-Drehscheibe für Europa werden. Der Oldenburger Energieversorgers EWE wollte dafür eigentlich schon in diesem Jahr im Borssumer Hammrich mit dem Bau eines 320 Megawatt (MW) starken Elektrolyseur beginnen. So hieß es im Oktober. Durch die Anlage sollen jährlich mehr als eine Milliarde Kilowattstunden grüner Wasserstoff für Mobilität und Industrie erzeugt werden. Zum Vergleich: Ein Vier-Personen-Haushalt verbraucht im Jahr etwa 4.000 Kilowattstunden Strom. Doch die EU bremst das ehrgeizige Projekt aus.

Was und warum

Darum geht es: den Ausbau der erneuerbaren Energie in Emden

Vor allem interessant für: Wirtschafts-, Umwelt- und Energieinteressierte

Deshalb berichten wir: Beim Besuch vom Niedersächsischen Energieminister Christian Meyer (Grüne) sprach Oberbürgermeister Tim Kruithoff an, dass der Energieversorger EWE noch immer auf den Förderbescheid von der EU für den geplanten Elektrolyseur in Emden wartet. Wir haben dazu bei der EWE nachgefragt.

Die Autorin erreichen Sie unter: m.hanssen@zgo.de

Der Elektrolyseur soll - simpel formuliert - aus Windstrom von der Nordsee und Millionen Liter Wasser aus ostfriesischen Tiefs speicherbare Energie erzeugen. Um das Mammut-Projekt umzusetzen, braucht es aber erst einmal eines: viel Geld. Die EWE aber wartet immer noch auf die Zusage für Fördermillionen der EU. Der Bescheid hätte eigentlich schon im vergangenen Sommer da sein sollen. Eine halbe Milliarde Euro soll der Bau insgesamt kosten. Über die Verzögerung durch Brüssel hatte sich schon Oberbürgermeister Tim Kruithoff (parteilos) beim Besuch des Niedersächsischen Energieministers Christian Meyer (Grüne) vor kurzem geärgert. Ist die Planung nun überhaupt noch einzuhalten?

Warum dauert das so lange?

Seit dem vergangenen Jahr werde die EU-Förderung für die IPCEI-Projekte („Important Project of Common European Interest“, also ein wichtiges Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse) zur Wasserstoffinfrastruktur geprüft, erklärt EWE-Sprecherin Nadine Auras auf Nachfrage. „Dieser Prozess verzögert sich aufgrund des Umfangs der Projekte und Ressourcenengpässen auf der Seite der EU-Kommission.“

So soll der Elektrolyseur aussehen, der grünen Wasserstoff erzeugt. Grafik: EWE
So soll der Elektrolyseur aussehen, der grünen Wasserstoff erzeugt. Grafik: EWE

Aktuell gebe es keine verbindliche Aussage, wann der Prozess abgeschlossen sein wird, schreibt sie weiter. Zwischendurch war Ende vergangenen Jahres im Gespräch. Jetzt rechne die EWE bis Ende dieses Jahres mit einer Rückmeldung. Eigentlich sollte es schon in diesem Jahr mit dem Bau der Anlage direkt neben dem ebenfalls recht neuen Umspannwerk von Tennet losgehen. Ende 2026 war für den Start der Anlage genannt worden.

Wie verändert das den Zeitplan insgesamt?

Vor Bestätigung einer Förderung könne aber keine Investitionsentscheidung für das angekündigte Projekt getroffen werden, erklärt Nadine Auras. EWE-Chef Stefan Dohler hatte schon im Oktober gesagt: „Ein solches Mammutprojekt können wir nicht allein umsetzen. Mit der Bundes- und Landesförderung sowie der beihilferechtlichen EU-Genehmigung würde der Rahmen stehen und die weiteren Planungen und Untersuchungen könnten beginnen.“ Um den Zeitplan nicht zu gefährden, würden nun aber bereits erste mögliche Arbeitspakete, wie Genehmigungs- und Vergabeplanung, bearbeitet, so die Sprecherin.

Hier im Borssumer Hammrich steht schon das Umspannwerk von Tennet. In der Nähe soll auch der EWE-Elektrolyseur gebaut werden. Foto: Päschel/Archiv
Hier im Borssumer Hammrich steht schon das Umspannwerk von Tennet. In der Nähe soll auch der EWE-Elektrolyseur gebaut werden. Foto: Päschel/Archiv

Zweifel an dem Projekt hat die EWE aber offenbar nicht. Die Grundstücke in Emden sind - nach Auskunft im Oktober - schon gekauft. Die Elektrolyse-Anlage in Emden ist ein Teilprojekt der Gesamt-Maßnahme „Clean Hydrogen Coastline“. Bei dieser werden Erzeugung, Transport, Speicherung und Nutzung von grünem Wasserstoff in Industrie und im Schwerlastverkehr zusammengebracht, heißt es von der EWE.

Was bringt Emden der Elektrolyseur eigentlich?

Die neue Anlage soll direkte Gewerbesteuereinnahmen in die Stadtkasse spülen. Allerdings: Tim Kruithoff bezifferte im Oktober die zu erwartende jährliche Summe ungefähr sechsstellig. Zum Vergleich: Durch Volkswagen fließen in guten Jahren zweistellige Millionenbeträge nach Emden. Als direkter Jobmotor wird die Anlage, die nur etwa sechs Hektar Fläche beansprucht, auch nicht gesehen. Nach dem Bau würden für den Betrieb lediglich 20 bis 30 Fachkräfte benötigt.

Eine vereinfachte Darstellung von der Wasserstoff-Produktion. Quelle: Helmholtzinstitut/dpa; Grafik: Bökelmann/Lorenz/dpa
Eine vereinfachte Darstellung von der Wasserstoff-Produktion. Quelle: Helmholtzinstitut/dpa; Grafik: Bökelmann/Lorenz/dpa

Aber: Es wird davon ausgegangen, dass es nicht allein bei der Ansiedlung eines Elektrolyseurs bleibt, meinte nicht nur Matthias Arends, SPD-Landtagsabgeordneter aus Emden, im Oktober. „Wir reden nicht nur über ein paar 100 Arbeitsplätze, die außerhalb von VW entstehen können“, sagte er.

Welche Neu-Ansiedlungen sind schon geplant?

Ende Juni wurde mitgeteilt, dass Emden eine chemische Lithium-Raffinerie bekommen soll. Das Luxemburger Unternehmen Livista Energy Europe plant die Anlage im Wybelsumer Polder angrenzend an das VW-Gelände. Lithium, das für Elektro-Auto-Batterien gebraucht wird, wird bislang hauptsächlich in Asien hergestellt. In Emden will man nun eine wichtige Lücke schließen. Gut eine Milliarde Euro soll langfristig am Standort investiert werden. Der Bau wiederum könnte - so die Hoffnung von Livista und der Stadt Emden - auch eine Batteriezellenfabrik in die Seehafenstadt ziehen. Volkswagen beispielsweise will 2025 mitteilen, wo eine ihrer weiteren geplanten Fabriken dieser Art in Europa entstehen könnte. Emden hofft auf den Zuschlag.

Rund 350 direkte Arbeitsplätze könnten bei der Lithium-Raffinerie entstehen, heißt es von Livista. Etwa 500 Jobs für den Bau der Produktionsstätte kämen hinzu. Wenn weitere Unternehmen rund um die Batterie-Erzeugung und die E-Auto-Mobilität folgen, rechnet das Unternehmen sogar mit weiteren 2000 Stellen.

Und was ist mit dem Emder Elektrolyseur-Projekt?

In Sachen Wasserstoff gibt es auch noch einen anderen Player in Emden, nämlich den Firmen-Zusammenschluss H2Nord aus Emden. Dieser plant den Bau einer Zehn-Megawatt-Elektrolyseanlage inklusive Befüllstation für mobile Speicher-Container beim Emder Kraftwerk. Wenn alles genehmigt ist, könnten die Bauarbeiten im kommenden Jahr beginnen, der Start der Anlage wäre dann Mitte 2025, hieß es im April vom norwegischen Energiekonzern Statkraft, der an dem Projekt beteiligt ist. Ende März seien entsprechende Genehmigungsunterlagen eingereicht worden.

Im Wybelsumer Polder soll der Strom für die Anlage durch eine geplante Photovoltaik-Freiflächenanlage mit rund 170.000 PV-Modulen produziert werden. Mit dem Wasserstoff sollen Tankstellen in Ostfriesland beliefert werden. Die Emder Tankstellen und Mineralöl GmbH Score gehört zu dem Firmen-Zusammenschluss. Ab Mitte kommenden Jahres soll der erste grüne Wasserstoff fließen - dann aber noch mit Strom aus einem Windpark in Brandenburg. Der PV-Park muss noch entstehen.

Ähnliche Artikel