Chloreinleitung in die Nordsee Umrüstung des LNG-Terminals wohl erst im nächsten Jahr

| | 09.08.2023 07:05 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
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Das LNG-Tankschiff „Golar Seal“ (links) liegt neben dem Spezialschiff „Hoegh Esperanza“ am Anleger im Jadebusen. Die „Hoegh Esperanza“ wird als schwimmender LNG-Anleger genutzt. Foto: Dittrich/dpa
Das LNG-Tankschiff „Golar Seal“ (links) liegt neben dem Spezialschiff „Hoegh Esperanza“ am Anleger im Jadebusen. Die „Hoegh Esperanza“ wird als schwimmender LNG-Anleger genutzt. Foto: Dittrich/dpa
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Das Wilhelmshavener LNG-Terminal ist Umweltschützern ein Dorn im Auge, unter anderem weil es umweltschädliche Biozide nutzt. Auch die Politik fordert schnelles Umrüsten. Aber was heißt schon schnell?

Wilhelmshaven/Hannover - Bis zur umweltfreundlichen Umrüstung des schwimmenden LNG-Terminals vor Wilhelmshaven wird es wohl noch einige Monate dauern. Das niedersächsische Umweltministerium in Hannover nennt auf Nachfrage „wahrscheinlich“ das Frühjahr 2024 und verweist dabei auf logistische Überlegungen. So müsse das Schiff für die Umrüstung erst in eine Werft. Also weg von der Anlage vor Wilhelmshaven, wo die „Hoegh Esperanza“ fast jede Woche eine neue Ladung verflüssigtes Erdgas (LNG) entgegennimmt, es in seinen gasförmigen Zustand zurückversetzt und ins Netz einspeist.

Die Zeit bis zum Frühjahr soll aber offenbar nicht ungenutzt bleiben. „Trotzdem wird zur Zeit mit Hochdruck an einer Lösung mit reduzierter Dosierung von Chlor gearbeitet“, heißt es in der Antwort des Ministeriums weiter. Dieses Konzept werde demnächst in einem Feldversuch vor Ort auf der Plattform von der holländischen Firma H2O durchgeführt. Konkret würde die notwendige Chlordosierung zum Antifouling getestet. Die daraus resultierenden Ergebnisse sollen dann auf der „Hoegh Esperanza“ umgesetzt werden. Fouling ist ein englischer Begriff und bedeutet so viel wie Verschmutzung. Unter Antifouling versteht man in diesem Fall Maßnahmen, die das Verschmutzen – oder auch Zuwachsen – von Oberflächen verhindern sollen.

Das Problem mit der Esperanza

Im vergangenen Dezember war die „Hoegh Esperanza“ das erste LNG-Terminal, das in Deutschland in Betrieb gegangen ist. Das Schiff liegt vor Wilhelmshaven und dient als schwimmende Regasifizierungsanlage für ankommendes verflüssigtes Erdgas (LNG). Nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs und dem daraus folgenden Ausbleiben russischen Pipelinegases hatte die Bundesregierung in aller Eile beschlossen, zunächst schwimmende und später auch stationäre LNG-Terminals an der Küste zu schaffen. Damit die Versorgung mit Gas für Bevölkerung und Industrie erst einmal gewährleistet bleibt. Erklärtermaßen eine Übergangsregelung; grundsätzlich will die Ampelkoalition in Berlin weg von fossilen Energieträgern wie Öl und Gas und hin zu erneuerbaren Energiequellen wie Wind und Sonne.

Projekt „Zukunft Nordsee“

Dieser Beitrag ist Teil des Projekts „Zukunft Nordsee“ von Ostfriesen-Zeitung, General-Anzeiger, Borkumer Zeitung, Nordsee-Zeitung, Kreiszeitung Wesermarsch und Deutscher Presse-Agentur (DPA). In dieser Serie beschäftigen wir uns mit Themen, die für die gesamte Küstenregion relevant sind – zum Beispiel mit dem Klimawandel, erneuerbaren Energien, der Entwicklung der Wirtschaft und dem Tourismus. Weitere Beiträge dazu finden Sie hier.

Ohne eine Reinigung der Seewassersysteme kann das LNG-Terminalschiff allerdings nicht verlässlich arbeiten. Hintergrund: Wenn das verflüssigte Erdgas ankommt, hat es eine Temperatur von minus 162 Grad Celsius. Um es zu erwärmen und damit in den gasförmigen Zustand zurückzuversetzen, wird durch ein Rohrsystem Meerwasser am Gas vorbeigeleitet – Nordseewasser aus der Jade in diesem Fall. Dabei erwärmt sich das Gas. Das Meerwasser läuft durch die Rohre und zurück in die Jade. Mit dem Meerwasser kommen aber auch Mikroorganismen in die Rohre. Schließlich setzen sich dort Muscheln und Seepocken fest und das stört dann den Durchfluss des Wassers. Um das zu verhindern, wird auf der „Hoegh Esperanza“ ein Reinigungsverfahren mit Bioziden eingesetzt, an dessen Ende das durchlaufende Meerwasser mit Chlor versetzt in die Jade zurückfließt. Umweltschützer kritisieren das.

Mehr Geld für die Esperanza

Eine Umrüstung des Schiffes hin zu umweltfreundlicheren Reinigungsmethoden ist auch politisch gewollt. In der Antwort des niedersächsischen Umweltministeriums heißt es dazu: „Für die ‚Hoegh Esperanza‘ hat der Haushaltsausschuss des Bundestages (...) ebenfalls beschlossen, mehr Geld für eine nötige Umrüstung bereitzustellen und gefordert, es so schnell wie möglich umzurüsten.“ Das „ebenfalls“ bezieht sich auf das zweite LNG-Terminalschiff, das nach Wilhelmshaven kommen soll, voraussichtlich diesen Herbst. Das, so das Ministerium, werde auf ein Ultraschallverfahren ohne Biozideinsatz umgerüstet.

Jan Kelling von der Firma Hasytec bestätigt das. Sein Unternehmen habe den Auftrag dazu bekommen und werde dieses zweite Terminalschiff im Oktober umrüsten. Die Kosten für diese Umrüstung habe auch schon der Bund übernommen, schreibt das niedersächsische Umweltministerium noch. Das zweite Schiff soll von der Firma TES betrieben werden, die „Hoegh Esperanza“ wird von dem Energieunternehmen Uniper betrieben. Ob die Esperanza auch auf Ultraschall umgerüstet wird, oder eine andere Lösung zum Einsatz kommt, ist noch nicht raus. Uniper hat bis Ende August Zeit, seine Vorschläge bei der Genehmigungsbehörde NLWKN einzureichen.

Wut auf die Esperanza

Beim Telefonat mit Stefanie Eilers ist vor allem Wut und Empörung herauszuhören. „Frühjahr 2024, das ist wesentlich zu spät“, schimpft sie. Eilers gehört zum Netzwerk Energiedrehscheibe, einem Zusammenschluss von mehr als einem Dutzend Klima- und Umweltschutzverbänden, die sich praktisch parallel zum Aufbau der LNG-Infrastruktur entwickelt hat. „Wir fordern ein schnelleres Handeln“, sagt Eilers noch, und am liebsten solle „diese Dreckschleuder“ die Jaderegion ganz verlassen.

Das Netzwerk geht auch juristisch vor. So habe man Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Oldenburg erstattet, gegen den NLWKN wegen der Erlaubnis zur Einleitung von Schadstoffen in die See. Zuvor seien in gleicher Angelegenheit auch schon Strafanzeigen gegen Landesumweltminister Christian Meyer (Grüne) und das Unternehmen Uniper erstattet worden. Die habe die Staatsanwaltschaft aber zurückgewiesen.

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