Naturschutz im Kreis Leer Störche in Backemoor begeistern Anwohner

Elke Wieking
|
Von Elke Wieking
| 09.08.2023 15:47 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 6 Minuten
Artikel hören:
Drei Jungstörche sind in dem Nest, das Anja und Gerold Stratmann in Backemoor aufgestellt haben, groß geworden. Foto: Wieking
Drei Jungstörche sind in dem Nest, das Anja und Gerold Stratmann in Backemoor aufgestellt haben, groß geworden. Foto: Wieking
Artikel teilen:

Bei Anja und Gerold Stratmann in Backemoor wachsen gerade drei Jungstörche auf. Die beiden sind ganz begeistert.

Backemoor - Gerold und Anja Stratmann stehen auf der Bietzestraße in Backemoor und blicken gen Himmel. Hinter ihrem Haus liegt in luftiger Höhe ein Storchennest auf einem Mast. Ab und zu sind drei Jungstörche zu sehen, die ihre Flügel ausbreiten. Lange werde es nicht mehr dauern, dann seien die Vögel flügge, mutmaßt Gerold Stratmann.

Anja und Gerold Stratmann wohnen in Backemoor zwischen Wiesen und Feldern. Hinter ihrem Haus haben sie ein Storchennest gebaut. Dieses Jahr ist es zum ersten Mal besetzt. Foto: Wieking
Anja und Gerold Stratmann wohnen in Backemoor zwischen Wiesen und Feldern. Hinter ihrem Haus haben sie ein Storchennest gebaut. Dieses Jahr ist es zum ersten Mal besetzt. Foto: Wieking

Es ist das erste Mal, dass ein Storchenpaar in ihrem Nest brütet. Dass gleich drei Junge dort aufgezogen worden sind, begeistert das Ehepaar. Vor drei Jahren haben die beiden das Nest selbst gebaut. Weil sie gerne mit ihrem Schiff unterwegs sind, kam Gerold Stratmann auf die Idee, den Mast für das Nest so zu bauen, dass er ihn wie einen Segelmast herunterklappen kann. Schließlich müsse das Nest, das einen Durchmesser von etwa 1,60 Meter hat, Jahr für Jahr gereinigt und ausgebaut werden.

„Das ist wie im Dschungel“

Kennen- und schätzengelernt hat Gerold Stratmann die Vögel auf der Insel Föhr in Schleswig-Holstein. Dort gibt es einen Storchenpark. Die großen schwarz-weißen Vögel fliegen und staksen überall herum. Man begegne ihnen ständig, macht der Backemoorer deutlich. „Mensch, was sind das für tolle Tiere“, stellte er fest. Prompt begannen er und seine Frau zu Hause mit den ersten Versuchen, ein Storchenest zu bauen.

Hilfe hatten die Stratmanns von Freunden und Bekannten. Im Umkreis von Backemoor gebe es mehrere Storchennester, wissen beide. Auf den weiten Wiesen in Backemoor, Breinermoor und Schatteburg würden diese genug Futter bekommen, besonders, seitdem auch die Landwirtschaft mehr als früher auf den Naturschutz und naturnahe Flächen achten müsse, meint Gerold Stratmann. Würden er und seine Frau spät abends mit dem Rad durch den Hammrich fahren, „kommen wir uns vor wie im Dschungel, weil wir so viele Tiere hören“, sagt Anja Stratmann. Besonders Frösche. Das sei doch die ideale Nahrung für Störche.

Gerold und Anja Stratmann haben das Storchennest, das einen Durchmesser von rund 1,60 Meter hat, mit Hilfe von Freunden und Nachbarn gebaut. Foto: privat
Gerold und Anja Stratmann haben das Storchennest, das einen Durchmesser von rund 1,60 Meter hat, mit Hilfe von Freunden und Nachbarn gebaut. Foto: privat

Klein wie Spatzenküken

Nicht ganz, macht dazu der langjährige Storchenvater Hans Appiß deutlich. Frösche könnten erwachsene Störche wohl schlucken, aber nicht sofort der Nachwuchs. Frisch geschlüpfte Störche seien so groß „wie ein Spatzenküken“, weiß der Leeraner. Sie müssten lange mit Insekten und Würmern gefüttert werden. Doch gerade davon gebe es längst nicht mehr so viele wie früher. „Wann hat man das letzte Mal einen Vogel einen Wurm aus dem Boden ziehen sehen?“, sagt er. Der Kampf um Futter werde auch nicht nur zwischen den Störchen, sondern zwischen allen Vögeln ausgetragen, fügt er hinzu. Erst wenn junge Störche groß genug seien, um Frösche und Mäuse zu schlucken, sei die schwierigste Zeit der Aufzucht vorbei.

Störche waren vom Aussterben bedroht

Für Familie Stratmann freut sich Appiß über den Bruterfolg. Dass aber immer mehr Menschen ein Nest aufstellen, ohne sich mit ihm, Holger Boekhoff aus Filsum und Yvonne Gosseling aus Vellage/Rheiderland in Verbindung setzen, bevor sie ein Storchennest aufstellen, ärgert den offiziell im Landkreis Leer eingesetzten Betreuer der Weißstörche. Es könnten einfach zu viele Nester werden, warnt Appiß. Die Population habe sich dank ihres Schutzstatus’ gut erholt. Als er vor rund vier Jahrzehnten angefangen habe, sich um die Weißstörche im Landkreis Leer zu kümmern, seien diese vom Aussterben bedroht gewesen.

Wenn Störche aber merken, dass sie nicht alle Jungen groß bekommen, seien Dramen vorprogrammiert, so der Experte. Denn die alten würden dann Junge fressen oder lebendig aus dem Nest werfen. So geschehen in Leer-Logabirum, wissen Boekhoff und Appiß. Dort hätten die Alten zweimal hintereinander alle drei Junge aus dem Nest geworfen. Kurz darauf sei die Henne tot gewesen. Woran sie gestorben sei, sei unklar.

Störche dürfen nicht gestört werden

Außerdem gebe es alte Nester, die leer geblieben seien, wie in diesem Jahr in Detern. Zuvor sei es 20 Jahre lang ununterbrochen besetzt gewesen, sagt Holger Boekhoff.

Hans Appiß schätzt, dass es im Landkreis Leer rund 50 Storchenester gibt, wahrscheinlich mehr, denn einige Leute würden nicht Bescheid geben. Dann könne aber auch niemand Zahlen nennen und Statistiken führen, gibt er zu bedenken. Und er warnt: Störche seien kein Eigentum, sondern ständen unter Naturschutz. Sie dürfen also weder eingefangen noch gestört werden.

„Hat der Nachbar eins, will ich auch eins“

Oft werde er erst gerufen, „wenn Holland in Not ist“, so Appiß. Also wenn Junge tot unter einem Nest liegen würden oder die Brut zu ertrinken oder zu erfrieren drohe. Gerne würden er und seine Mitstreiter verhindern, dass zu viele Nester in einem Gebiet aufgestellt werden, ganz nach dem Motto: „Der Nachbar hat ein Storchennest, dann will ich auch eins.“ Denn es gebe im Kreis Leer tatsächlich noch Lücken mit einem guten Nahrungsangebot, wo Störche brüten könnten.

Wie viele Störche in diesem Jahr im Landkreis leben und brüten, kann Holger Boekhoff noch nicht mitteilen. Er hat noch nicht aus allen Kommunen Rückmeldungen bekommen. Die großen Schwärme von 20 bis 50 Störchen, die immer mal wieder zum Beispiel an der Bundesstraße 70 in Höhe der Deponie in Breinermoor gesehen werden, würden sich dort meistens nur kurzfristig versammeln. Wie Menschen würden sich auch Störche manchmal zusammentun und von Region zu Region ziehen. Viele würden diese Schwärme „Junggesellen-Treffen“ nennen, sagt Appiß. Tatsache sei aber, dass niemand sagen könne, ob es sich wirklich nur um Männchen handele oder auch Weibchen dabei seien. „Das ist aus der Entfernung nicht zu sehen“, so Appiß. Es seien aber bestimmt viele Brutunwillige dabei.

43 Nester mit 67 Jungstörchen

2021 waren nach der Statistik von Appiß im Landkreis Leer 49 Nester besetzt. „Dabei sind von 24 Nestern 33 Jungstörche ausgeflogen.“ 2022 seien 43 Nester besetzt gewesen und 67 Jungstörche aufgezogen worden.

Hans Appiß aus Leer, Holger Boekhoff aus Filsum und Yvonne Gosseling aus Vellage, die vom Landkreis Leer offiziell als Betreuer von Weißstörchen eingesetzt wurden, bitten darum, dass ihnen besetzte Nester gemeldet werden. Die Zahlen fließen dann in die Statistik für die landes- und bundesweite Population mit ein. Hans Appiß ist unter 0491/14 750 zu erreichen, Hans Boekhoff unter 04957/92 89 89 und Yvonne Gosseling unter 01573 7981684.

Ähnliche Artikel