Gas- und Strompreise Energiekrise bringt Verbraucherzentrale an ihre Grenzen

| | 09.08.2023 18:53 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 5 Minuten
Viele Fragen der Verbraucher drehten sich im Jahr 2022 um Energierecht und Energieeinsparung. Foto: DPA
Viele Fragen der Verbraucher drehten sich im Jahr 2022 um Energierecht und Energieeinsparung. Foto: DPA
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Vor allem Fragen rund um Strom- und Gaslieferverträge beschäftigen die Verbraucherzentrale in Aurich im Jahr 2022. Manche Hilfesuchende geraten durch gestiegene Preise in eine Notlage.

Aurich - Was die Verbraucher im Jahr 2022 am meisten bewegt hat? Da muss Mareke Eilers von der Verbraucherzentrale Niedersachsen nicht lange nachdenken. „Alles rund um Energie“, sagt die Beraterin der Auricher Niederlassung. Die Nachfrage zu allem, was mit den gestiegenen Energiekosten, der Energiekrise, geplatzten Lieferverträgen mit Energieversorgern und den Abrechnungen zu tun hatte, war so gestiegen, dass sie sich inzwischen ausschließlich auf das Thema spezialisiert hat.

Was und warum

Darum geht es: Wegen der hohen Nachfrage kommen die Berater der Verbraucherzentrale auch in Aurich an ihre Grenzen. Ihren Kunden geht es in der Energiekrise ähnlich – allerdings eher finanziell.

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Deshalb berichten wir: Die Verbraucherzentrale Aurich veröffentlicht ihren Jahresbericht für 2022.

Die Autorin erreichen Sie unter: n.boening@zgo.de

Auch aktuell sieht es eher nicht nach einer Besserung aus. „Es wird eher noch schlimmer“, sagt sie. Die Preisbremse und sich häufig ändernde Regelungen, die sich auf den Abrechnungen bemerkbar machen, ließen viele Verbraucher ratlos zurück. Die Verbraucherzentrale kann in solchen Fällen Licht ins Dunkel bringen. „Solche Beratungen sind dann nicht in fünf Minuten erledigt“, sagt Mareke Eilers. Schließlich müsse man Unterlagen sichten und prüfen, ob bei der Abrechnung wirklich alles richtig gelaufen sei.

Mehr als 16 Beratungen am Tag in Aurich

Wenn die beiden Auricher Beraterinnen Karin Itzen und Mareke Eilers ihre Zahlen für das Jahr 2022 präsentieren, sagen die 4017 im Jahr gemeldeten Fach- und Rechtsberatungen erst einmal aus, dass beide rund um die Uhr gefordert waren. „Man kann ja nicht mehr als ein Gespräch gleichzeitig führen“, sagt Eilers. Immerhin werden pro Arbeitstag rein rechnerisch allein in Aurich von den beiden 16 Beratungen durchgeführt – gerechnet ohne Urlaubs- und Krankheitstage. „Man muss bedenken, dass wir auch noch Corona hatten und eine Zeit lang ausgefallen sind“, sagt Eilers. Mit dem hohen Aufwand für alle Fragen rund um das Energierecht gerate man so schnell an seine Grenzen.

Das Team aus Aurich (von links): Energieberater Holger Glaus, Beratungsassistentin für das Service-Telefon Anika Barkhoff sowie die Beraterinnen Karin Itzen und Mareke Eilers. Foto: Böning
Das Team aus Aurich (von links): Energieberater Holger Glaus, Beratungsassistentin für das Service-Telefon Anika Barkhoff sowie die Beraterinnen Karin Itzen und Mareke Eilers. Foto: Böning

Es habe durch die Preissteigerungen bei den Energiekosten viele Fälle gegeben, bei denen auch die Verbraucher an ihre Grenze gekommen seien, vor allem finanziell. Dass ausgerechnet in dieser Zeit die Energieversorger für ihre Kunden nicht oder schlecht erreichbar sind, sei dramatisch, so Eilers. „Wenn man eine Abschlagzahlung reduzieren muss, um über den Monat zu kommen oder eine Lastschrift geplatzt ist, weil das Konto leer war, dann hat es nicht Zeit bis später“, findet sie. Solche Anliegen müssten gleich geklärt werden. „Stattdessen läuft eine Bandansage, dass die Mitarbeiter aufgrund der aktuellen Krise und der Menge der Anfragen nicht erreichbar seien.“

Siebenfache Preissteigerung bei Abschlagszahlungen

Unter den extremen Fällen bei den von ihr untersuchten Preissteigerungen auf der Energierechnung seien Energieversorger gewesen, die bis zu fünfmal mehr von ihren Kunden haben wollten. „In einem Fall wurde der Abschlag sogar um das Siebenfache erhöht“, so Mareke Eilers. Was sie dann machen kann? Die Rechnung prüfen, schauen, ob der Versorger die Preissteigerung überhaupt ordnungsgemäß angekündigt hat und sie somit rechtens ist. Zur Not gibt es Tipps für die Suche nach einem günstigeren Anbieter. „Auch wenn das in der Krise nicht immer leicht war“, gibt sie zu.

Ein weiteres Phänomen seien verspätete Abrechnungen und verzögerte Rückzahlungen von zu viel geleisteten Abschlagszahlungen seitens der Energieversorger. „Noch immer warten einige Verbraucher auf die Abrechnungen aus dem letzten Jahr“, so Eilers. Ähnlich zäh gehe es bei den Rückerstattungen zu. Einen extremen Fall habe sie in Verbindung mit dem Anbieter Vattenfall auf dem Tisch gehabt. Nach einem Todesfall habe die Ehefrau monatelang auf die ihr zustehende Rückzahlung warten müssen. „Sie wurde ständig vertröstet und immer wieder wurden neue Unterlagen gefordert, obwohl die Kundin alles Notwendige bereits eingereicht hatte“, so die Beraterin. Ein extremer Fall, der ein zähes, aber gutes Ende fand.

Energiesparen stand hoch im Kurs

Auch Energie zu sparen war bei den Verbrauchern ein wichtiges Thema. „Seit der Energiekrise bin ich über Monate ausgebucht“, sagt Energieberater Holger Glaus. Wenn er für die Verbraucherzentrale im Einsatz ist, versucht er, eine Wartezeit von zwei Wochen nicht zu überschreiten, aber die Nachfrage sei einfach sehr groß. „Am häufigsten geht es darum, ob die alte Gasheizung durch eine Wärmepumpe ersetzt werden kann und wie sich der Strom- und Gasverbrauch am besten reduzieren lässt“, so Glaus.

Ein absoluter Renner seien die Beratungen zu sogenannten Balkonkraftwerken. Das sind Photovoltaikanlagen, die ihren Strom einfach über einen Stecker in das Hausnetz einspeisen. „Meine Vorträge dazu waren immer voll“, so Glaus. Für alle, die ihre Gasrechnung schnell etwas schlanker machen wollen, hat er ein paar einfache Tipps: „Dünne Kellertüren mit großem Spalt kann man dämmen und abdichten“, so der Experte. Das Gleiche sei auch an allen Türen zu ungeheizten Zimmern empfehlenswert. „Es sind kleine Maßnahmen, die schnell umgesetzt werden können und sich in der Summe rechnen.“

Niedersachsens Verbraucherzentrale geht das Geld aus

Landesweit verzeichneten alle niedersächsischen Verbraucherzentralen eine vermehrte Nachfrage: Rund 174.000 Verbraucher suchten im vergangenen Jahr den persönlichen Kontakt zur Verbraucherzentrale – ein Plus von zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Dem gegenüber stehen knappe Mittel, um Mitarbeiter wie Karin Itzen und Mareke Eilers in Aurich zu entlasten und noch mehr Verbrauchern zu helfen.

Ab 2024 fehlen nach aktuellem Stand dafür mindestens 2,1 Millionen Euro, erklärte Randolph Fries, Vorsitzender des Vorstands der Verbraucherzentrale Niedersachsen. Die Verbraucherzentrale Niedersachsen falle damit bei der Fördersumme im bundesweiten Vergleich wieder auf den letzten Platz zurück: 25 Cent je Einwohner ist Verbraucherschutz in Niedersachsen wert – nicht einmal die Hälfte des Bundesdurchschnitts. „Bei den Verbrauchern in Niedersachsen kann ich mich dann nur entschuldigen, dass Angebote wie die kostenfreie Energierechts-Hotline eingestellt und Wartezeiten deutlich länger werden“, so Fries. In Aurich ist die Wartezeit schon jetzt manchmal lang.

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