Berufsbild im Klimawandel Kostenlose Energiespar-Beratung von Schornsteinfegern in Ostfriesland

| | 10.08.2023 19:36 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 8 Minuten
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Der Friedeburger Schornsteinfegermeister Thomas Huhne begutachtete das Haus von Johann Müller und gab ihm Energiespar-Tipps. Foto: Ellinger
Der Friedeburger Schornsteinfegermeister Thomas Huhne begutachtete das Haus von Johann Müller und gab ihm Energiespar-Tipps. Foto: Ellinger
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Bisher haben sie den Kamin gekehrt – jetzt empfehlen sie den Einbau von Heiztechnik, die gar keinen Kamin mehr braucht. Schornsteinfeger in Ostfriesland bieten kostenlose Energiespar-Beratungen.

Ostfriesland - Als Schornsteinfeger-Meister Thomas Huhne bei Johann Müller in Friedeburg an der Haustür klingelt, scheint er außer seiner schwarzen Kleidung so ziemlich alles vergessen zu haben, was seinen Beruf ausmacht. Statt Besen und Co. hat er aber einen Tablet-Computer dabei – um eine Energiespar-Beratung nach den Kriterien der Klimaschutz- und Energie-Agentur Niedersachsen (KEAN) vorzunehmen. Kostenlos, aber nicht umsonst. Denn mit Huhnes Tipps soll der Rentner Energie und Geld sparen und das Klima schützen können.

Mit Heizungen und Öfen befassen sich Schornsteinfeger seit jeher. Bisher vor allem damit, dass sie vorschriftsmäßig und damit sicher betrieben werden und einwandfrei funktionieren. Doch die Männer und Frauen in Schwarz werden laut dem niedersächsischen Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz nicht mehr nur zum Kaminkehren und für Abgasmessungen gefragt sein, sondern vor allem als Energieberater – „da fossile Heizungen bis 2045 deutschlandweit enden und sukzessive immer weniger werden“.

Wie findet man Schornsteinfeger für kostenlose Energiespar-Beratungen?

Das Berufsbild ist im Wandel, gewissermaßen im Klimawandel, wie Thomas Huhne berichtet. Er ist nicht nur ein Mann der Praxis, sondern auch stellvertretender Obermeister der Schornsteinfeger-Innung für Ostfriesland. Auch viele seiner Berufskollegen sind inzwischen als Energieberater tätig. Einige Schornsteinfeger-Betriebe bauen dieses wirtschaftliche Standbein aus, manche satteln komplett um, weiß Huhne. Niedersachsens Klimaschutzministerium berichtet: „Viele Schornsteinfegerbetriebe verfügen über qualifizierte Energieberater*innen und bieten neben Energieberatungen auch Fördermittelberatungen an, stellen Energieausweise und individuelle Sanierungsfahrpläne aus und übernehmen auf Wunsch die Antragstellung.“

Wie viele Schornsteinfeger es unter den Energieberatern in Ostfriesland gibt, geht aus einer KEAN-Liste im Internet hervor: www.klimaschutz-niedersachsen.de. „Wenn Sie Eigentümerin beziehungsweise Eigentümer eines privaten, selbstgenutzten Wohngebäudes oder einer Wohnung sind, können Sie die ,Energiespar-Beratung Private Wohngebäude’ erhalten“, erklärt die Landesagentur. „Die Beratung ist für Sie kostenfrei.“ Und: „Bei der Energieberatung werden vor allem Gebäudehülle und Heizung in Augenschein genommen.“

Was wird in einer kostenlosen Energiespar-Beratung geboten?

Bereits auf dem Weg zum Eingang von Johann Müller entdeckt Thomas Huhne eine erste Schwachstelle – die Fensterfront aus Glasbausteinen neben der Haustür. „Eine Mauer wäre besser“, sagt der Schornsteinfeger und Energieberater. Ansonsten ergibt die Außenansicht keine Auffälligkeiten: Mauerwerk und Dach wirkten tip-top in Schuss. Aber: Dämmungsmäßig hat das Wohnhaus gemäß seines Baujahres 70er-Jahre-Standard.

Schornsteinfegermeister Thomas Huhne beim Ausfüllen des Bewertungsbogens im Rahmen einer Energieberatung. Foto: Ellinger
Schornsteinfegermeister Thomas Huhne beim Ausfüllen des Bewertungsbogens im Rahmen einer Energieberatung. Foto: Ellinger

„Die etwa 90-minütige kostenfreie Beratung besteht aus einem Hausrundgang mit einer abschließenden Heizungsvisite und erfolgt auf der Grundlage eines standardisierten Fragebogens, der Einsparpotenziale an der Gebäudehülle und im Heizungsbetrieb adressiert“, informiert die KEAN. „Ziel ist es, auf Schwachstellen in leicht verständlicher Form hinzuweisen und insbesondere auf einen optimierten Heizungsbetrieb hinzuwirken.“

Eine 30 Jahre alte Öl-Heizung mit dem „Blauen Engel“

Der Heizungsraum ist die erste Anlaufstelle von Thomas Huhne bei Johann Müller. Dort steht eine rund 30 Jahre alte Öl-Heizung von Brötje. Thomas Huhne kennt Technik und Betreiber schon von seiner bisherigen Tätigkeit her. „Eine automatische Steuerung fehlt“, sagt der Energieberater. „Die Anlage hier hat aber auch eine ausgefuchste Steuerung – und die steht neben mir. Herr Müller holt aus dieser Anlage gute Werte raus.“

Johann Müller ist ein Fuchs, was die Bedienung seiner Öl-Heizung betrifft. Thomas Huhne stellte aufgrund des Heizungsalters dennoch Energiespar-Potenzial fest. Foto: Ellinger
Johann Müller ist ein Fuchs, was die Bedienung seiner Öl-Heizung betrifft. Thomas Huhne stellte aufgrund des Heizungsalters dennoch Energiespar-Potenzial fest. Foto: Ellinger

Im Moment laufe sie nur „auf Warmwasser“, erklärt der Rentner. Trotz seiner händisch-flexiblen Steuerung verbraucht er aber rund 2000 Liter Heizöl im Jahr. Huhne geht davon aus, dass Müller mit moderner Technik rund 30 Prozent sparen könnte. Obwohl die zuverlässige Brötje den „Blauen Engel“ und den „Grünen Baum“ trägt. „Das waren Zertifizierungen vor 30 Jahren“, erläutert der Energieberater. Da die Anlage über einen Niedertemperaturkessel verfügt, ist sie im Energiespar-Bewertungsbogen der KEAN jedoch als „schlecht“ eingestuft. Huhne betont: „Wenn ich Herrn Müller bewerten müsste, könnte ich hier auch ein ,sehr gut‘ ankreuzen.“

Warum sich Wärmepumpen nicht für jeden Altbau eignen

Huhne empfiehlt, vom Öl als Brennstoff wegzugehen. Aber Johann Müller hat bereits eine neue Öl-Heizung bestellt, wie er berichtet. Die wolle er sich aber erstmal nur als Ersatz liefern lassen. Und sie sei vielseitig. So könne daran auch Wärmepumpe angeschlossen werden.

Projekt „Zukunft Nordsee“

Dieser Beitrag ist Teil des Projekts „Zukunft Nordsee“ von Ostfriesen-Zeitung, General-Anzeiger, Borkumer Zeitung, Nordsee-Zeitung, Kreiszeitung Wesermarsch und Deutscher Presse-Agentur (DPA). In dieser Serie beschäftigen wir uns mit Themen, die für die gesamte Küstenregion relevant sind – zum Beispiel mit dem Klimawandel, erneuerbaren Energien, der Entwicklung der Wirtschaft und dem Tourismus. Weitere Beiträge dazu finden Sie hier.

Der Einbau von Wärmepumpen wird staatlich gefördert. Es gibt verschiedene Varianten, was die Infrastruktur betrifft, wie Huhne erklärt – eine Wärmepumpe mit Tiefbohrung, eine mit einem rund 90 Zentimeter tief vergrabenen Netz auf einer Grundstücksfläche von rund 800 Quadratmetern und eine, die Wärme aus der Luft zieht. Letztere funktioniere im Neubau recht gut, in Altbauten ohne Fußbodenheizung nur bedingt. Die Wärmepumpe liefere Wasser nämlich mit einer relativ niedrigen Vorlauftemperatur, so der Energieberater. Ob ein Haus dafür geeignet sei oder nicht, könne man mit der bisherigen Heizung im Winter prüfen. Wer mit einer Vorlauftemperatur von maximal 55 Grad Celsius auskomme, dessen Gebäude bringe gute Voraussetzungen mit, erklärt Huhne.

Befinden sich Kamin kehrende Energieberater in einem Interessenkonflikt?

Johann Müller berichtet, dass er „fast über das ganze Jahr mit 40 Grad“ auskomme. Sein rund 50 Jahre altes Haus hat teilweise eine Fußbodenheizung und teilweise Heizkörper mit relativ viel Wasservolumen, wie der Schornsteinfeger bei der Besichtigung sieht beziehungsweise erfragt. Der alleinstehende Rentner beheizt auch nicht den gesamten Wohnraum volle Pulle. Huhnes Einschätzung: „Ich denke, das Haus ist wärmepumpentauglich.“

Energieberater Thomas Huhne nimmt die Heizkörper in Augenschein – um zu sehen, ob sie sich für den Einsatz einer Wärmepumpe beziehungsweise für eine hydraulische Steuerung eignen. Foto: Ellinger
Energieberater Thomas Huhne nimmt die Heizkörper in Augenschein – um zu sehen, ob sie sich für den Einsatz einer Wärmepumpe beziehungsweise für eine hydraulische Steuerung eignen. Foto: Ellinger

Mit der Wärmepumpen-Empfehlung gefährdet der Energieberater Huhne den Geschäftsbereich des Schornsteinfegers Huhne, also sein eigenes Tätigkeitsfeld. Denn eine Wärmepumpe verbrennt nichts, sie benötigt keinen Kamin. Sieht das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz daher die Gefahr einer einseitigen Energieberatung durch Schornsteinfeger? Die Antwort des Ministeriums: „Vor der Zulassung der Schornsteinfeger zur Energieberatung haben die Verbraucherzentralen Bayern und Nordrhein-Westfalen ein Pilotprojekt durchgeführt. Dort gab es keine Erkenntnisse zu einer einseitigen Beratung.“ Und: „Zur Zeit werden im Beratungsprojekt des Verbraucherzentralen-Bundesverbands (VZBV) bei der Heiztechnik auch von Schornsteinfegern überwiegend Wärmepumpen empfohlen.“

Ministerium weist auf Vorzüge von energieberatenden Schornsteinfegern hin

Das niedersächsische Klimaschutzministerium weist zudem auf Sanktionsmöglichkeiten hin: „Wenn wir Fälle von einseitiger oder falscher Beratung zur Kenntnis bekommen, kann das im Extremfall zum Ausschluss aus der Anerkennung als Energieberater*in der KEAN führen.“ Das Ministerium geht von einer objektiven Beratung durch Schornsteinfeger aus und weist auf folgende Vorteile des Berufsstandes hin: „Schornsteinfeger*innen können hersteller- und produktunabhängig beraten. Außerdem können sie die Energieberatung von nachfolgenden Anlagenverkäufen oder Installationen trennen.“ Hinzu komme: „Sie genießen oft großes Vertrauen bei den Kund*innen und können aufgrund der Detailkenntnisse über die Anlage und das Gebäude vor Ort einschätzen, was zur jeweiligen Immobilie passt.“

Bei der Energiespar-Beratung geht es unter anderem auch um Fenster, Mauern, Decken und Dach sowie die jeweilige Isolierung. Am Ende stellt sich die Frage, was an der Gebäudehülle gemacht werden kann und was an der Anlagentechnik – und was am meisten Energie und damit Kosten spart.

Energiespar-Maßnahmen, die mehr oder weniger oder gar kein Geld kosten

Neben der veralteten Heiztechnik weist Thomas Huhne den Kunden Müller auf eine Dämmung der Außenwände als Möglichkeit hin. Der Energieberater hat aber auch noch ein paar einfacher beziehungsweise kostengünstiger zu realisierende Tipps parat. So könne sich eine Fensterwartung lohnen, bei der geprüft werde, wie die Fenster schließen und erforderlichenfalls Dichtungen ausgetauscht würden. Grobe Größenordnung der Kosten: 200 Euro. Auch eine Photovoltaik-Anlage für den Balkon mache Sinn, sagt Huhne. Damit könnten 600 Kilowattstunden Strom pro Jahr produziert werden. Zum Vergleich: Der Stromverbrauch von Johann Müller liegt bei rund 1400 Kilowattstunden pro Jahr. Die Investitionskosten dürften bei einer solchen Anlage laut Huhne bei rund 1500 Euro liegen.

Andere Energiespar-Tipps lassen sich ohne Investitionskosten realisieren. Ein Beispiel: Innenräume nicht auf 22 Grad Celsius aufheizen, sondern nur auf 20 Grad. „Ein bis zwei Grad Celsius weniger führen zu einer Einsparung von sechs bis zwölf Prozent der Energie“, erklärt Huhne. Ein weiterer Rat: Die Heizkörper von Vorhängen freihalten.

Die kostenlosen Energieberatungen sind zahlenmäßig begrenzt

„Schornsteinfeger mit Weiterbildung zum Energieberater spielen zunehmend eine Rolle in der Energieberatung für Wohngebäude, aber auch bei der Energieberatung des VZBV und der Verbraucherzentralen“, berichtet das Bundesklimaschutzministerium. „Bei der Energieberatung für Wohngebäude liegt der Anteil der Schornsteinfeger bei neu zugelassenen Beratern bei rund 10 Prozent von rund 2500 neu zugelassenen Energieberatern pro Jahr. Bei den Verbraucherzentralen liegt er bei neuen Beratern etwas höher.“

Laut Niedersachsens Klimaschutzministerium spielen Schornsteinfeger bei der Energieberatung sogar eine „ganz zentrale Rolle“. Die kostenlose Energiespar-Beratung für private Wohngebäude werde vom Land mit 7,6 Millionen Euro gefördert – seit Anfang 2023. Das heißt, die kostenlosen Energiespar-Beratungen sind begrenzt. Thomas Huhnes Budget umfasst beispielsweise 100 Beratungen. Das heißt, die Hausbesitzer müssen sich ranhalten, wenn sie eine kostenlose Beratung bekommen wollen.

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