Serie „Fehntjer Geschichte(n)“ Ein Erbstück hat Geburtstag

| | 13.08.2023 15:11 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 7 Minuten
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Der Galerieholländer im Besitz der Familie Onken ist das wahrscheinlich beliebteste Fotomotiv Westgroßefehns. Foto: Ullrich
Der Galerieholländer im Besitz der Familie Onken ist das wahrscheinlich beliebteste Fotomotiv Westgroßefehns. Foto: Ullrich
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Die Mühle in Westgroßefehn wird in diesem Jahr 250 Jahre alt. Sie ist die wohl meistfotografierte Westgroßefehntjerin und Teil eines beliebten Quintetts.

Großefehn - Die Gemeinde Großefehn ist bekannt als das „Fünf-Mühlen-Land“. Einst waren es deutlich mehr als diese fünf. Mindestens 20 der imposanten Bauwerke fand man in den 14 Ortschaften und sie erfüllten ganz unterschiedliche Zwecke. Vor 100 Jahren waren es noch etwa zehn Exemplare. Wasserschöpfmühlen regulierten Wasserstände. Das war notwendig, um Schiffe zu schleusen. Sägemühlen brachten Bauholz auf das passende Maß. Getreidemühlen sorgten fürs tägliche Brot der Menschen. Ausgedient haben annähernd alle längst. Und lediglich fünf Getreidemühlen, allesamt Galerieholländer, existieren heute noch.

Was und warum

Darum geht es: Die Mühle Westgroßefehn wird 250 Jahre alt. Sie hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich und befindet sich seit 130 Jahren im Besitz der Familie Onken.

Vor allem interessant für: Fehntjer und regionalgeschichtlich Begeisterte

Deshalb berichten wir: Im Rahmen der Serie „Fehntjer Geschichte(n)“ wirft die Redaktion Schlaglichter auf Besonderheiten in der Geschichte Großefehns. Es sind Ereignisse, die die 14 Ortschaften und die in ihnen lebenden Menschen zu dem gemacht haben, was sie heute sind.

Die Autorin erreichen Sie unter: s.ullrich@zgo.de

Eine ist die Mühle in Ostgroßefehn. Sie wurde 1804 errichtet und befindet sich im Besitz der Gemeinde. Der mühlenbegeisterte Zimmermann Ronald Scheltens restauriert sie derzeit in ihrem Auftrag. Er hat sich daran gemacht, die im Laufe der Jahrzehnte stark veränderten Mahlgänge wieder in ihren Originalzustand zurückzuversetzen. Seit 1968 ruht dort der Betrieb: „Ich möchte, dass die Menschen wieder mit allen Sinnen erleben können, dass die Mühle lebt. Man muss sie riechen, betasten, hören, spüren können.“ Er holt die Mühle zurück ins Leben. „Und das ist etwas ganz Anderes, als wenn man Menschen durch eine Mühle führt und man ihnen nur theoretisch erklärt, was hier mal passiert ist.“ Nur wenig später entstand 1812 die Mühle in Bagband. 1866 wurde die Getreidemühle in Felde errichtet. Der Galerieholländer in Spetzerfehn wurde ursprünglich 1868 erbaut. Hier wirkt heute Heye Steenblock. Er ist der letzte Windmüller der Gemeinde und verdient mit der Mühle noch seinen Lebensunterhalt. Steenblock stellt aus Roggen, Gerste, Weizen, Hafer und Mais Tierfutter her.

Mühle sattelte auf Tierfutter um

Die Älteste in diesem illustren Quintett bringt es auf ein stolzes Alter von 250 Jahren. Die Onkensche Mühle in Westgroßefehn wurde 1773 erbaut und ist seit 130 Jahren im Besitz der Familie von Heyo Gerhard Onken. Doch alte Mahltechnik sucht man in ihr vergebens. Der Wandel begann mit dem wirtschaftlichen Aufschwung der 1950er Jahre. Der heutige Mühlenbesitzer ging 1953 in die Lehre. Damals sei zunehmend mehr Fleisch gegessen worden. Parallel ging der Bedarf an Brotmehl zurück. Die Mühle sattelte um, auf die Herstellung von Mischfutter für Schweine und Kühe. Die Ansprüche, auch an das Firmengelände, veränderten sich. Am angestammten Standort war ein Wachstum nicht möglich. Im Jahr 1992 zog der Betrieb nach Ihlow. Die Mühle hatte ausgedient. Ihr Mahlwerk wurde 1969 ausgebaut, erinnert sich Onken. „Sie wurde durch neue Technik für die Herstellung für Tierfutter ersetzt.“ Äußerlich, weil als Landschaftsbild prägend, aber blieb sie in ihrem Originalzustand. „Schon aus Rücksicht auf meinen Vater – Um sein Lebenswerk optisch nicht zu zerstören.“

Die Mühle in Westgroßefehn ist die älteste der fünf Mühlen in der Gemeinde Großefehn. Foto: Ullrich
Die Mühle in Westgroßefehn ist die älteste der fünf Mühlen in der Gemeinde Großefehn. Foto: Ullrich

Heyo Onken will sein Erbe darüber hinaus für die nachfolgenden Generationen erhalten. Das ist eine zeitintensive und kostspielige Aufgabe, gibt er zu. In den zurückliegenden fünf Jahrzehnten bekam die Mühle eine neue Kappe, neue Flügel und eine neue Galerie. Möglich sei das nur dank der Unterstützung aus dem Mühlenfonds der Gemeinde. In Kürze soll sie im frischen Anstrich erstrahlen, was der Beliebtheit von Onkens Familienerbstück samt Müllerhaus als Fotomotiv möglicherweise weiteren Auftrieb gibt. Obwohl das nicht notwendig wäre, weiß ihr Besitzer: „Die Mühle wird tausendfach fotografiert.“

Die Familie Onken, eine Mühlendynastie

Ein Leben ohne Mühle ist für Onken undenkbar. „Wir sind eine Mühlendynastie.“ Was zunächst majestätisch klingt, zeigt seine tiefe emotionale wie auch geografische Verbundenheit mit dem Bauwerk: „Mein Vater ist hier aufgewachsen. Ich bin hier aufgewachsen. Meine Kinder sind hier aufgewachsen.“ Onkens Großvater stammte aus der Mühle in Felde. Seine Großmutter aus der Mühle in Bagband. „Die Familie Onken ist seit mehreren Generationen vor meinem Großvater bereits Müller gewesen, zum Teil als Pächter, wie es in der damaligen Zeit üblich war.“ Der 87 Jahre alte Müllermeister und Kaufmann ist Kenner der Mühlen- wie auch der Regionalgeschichte. „Ich bin sehr heimatverbunden“, sagt er über seinen Antrieb, Historisches sichtbar zu machen und zu bewahren. Er ist Mitglied im Vorstand des benachbarten Fehnmuseums „Eiland“.

Im Fehnmuseum samt Teestube treffen sich regelmäßig die Fehntjer, die sich der Geschichte ihres Ortes verbunden fühlen. Foto: Archiv/Ortgies
Im Fehnmuseum samt Teestube treffen sich regelmäßig die Fehntjer, die sich der Geschichte ihres Ortes verbunden fühlen. Foto: Archiv/Ortgies

Nach und nach wurde im Besitz seiner Familie in Westgroßefehn der Standort auf- und ausgebaut. Beispielsweise entstand im Jahr 1910 das Packhaus. „Mein Vater hat die Bäcker im Umkreis beliefert“, erinnert sich Heyo Onken an die Arbeit seines Vaters Onken Heye Onken. Er deckte einen großen Radius ab. So groß, wie es die Pferde am Tag hin- und zurück schafften. Er kaufte Getreide, meist aus der Krummhörn, und verarbeitete es zu Backschrot und Feinmehl aus Roggen und Weizen. „Auf den Marschböden der Krummhörn wird auch heute noch hauptsächlich Getreide angebaut.“

Das Ringen um eine eigene Mühle

Ab 1633 wuchs die Bevölkerungszahl Westgroßefehns kontinuierlich an. Immer neue Siedler trafen ein. Sie stachen Torf und bewirtschafteten ihr Land. Und sie alle wollten Brot essen. Dennoch bekamen die Fehntjer lange Zeit keine Erlaubnis, eine eigene Mühle zu bauen, schrieb Heinrich Tebbenhoff in seinem 1963 erschienenen Exkurs in die Regionalgeschichte „Großefehn – Seine Geschichte“. Die nächstgelegene Mühle in Timmel war überlastet. Die Leidtragenden waren die Fehntjer: Sie wurden oft unverrichteter Dinge wieder weggeschickt. Der Mühlenzwang, so Onken, verhinderte aber, dass sie andere Mühlen aufsuchen durften. Damit sollte ein Konkurrenzkampf zwischen den Mühlen verhindert werden.

Das Müllerhaus neben der Mühle in Westgroßefehn. Foto: Ullrich
Das Müllerhaus neben der Mühle in Westgroßefehn. Foto: Ullrich

Immer lauter wurde der Protest ob dieser Ungerechtigkeit. Eine Gruppe um Frerich Jürgens verlangte, eine eigene Mühle bauen zu dürfen. „Immer und immer suchen die Fehntjer dem König klarzumachen, dass die umliegenden Mühlen für sie zu weit entfernt sind“, schreibt Tebbenhoff in. Jürgens machte sich sogar mit der Postkutsche auf den damals sehr beschwerlichen Weg nach Berlin, um der Forderung Nachdruck zu verschaffen. Doch die Müller der umliegenden Orte verhinderten die Unabhängigkeit der Fehntjer: Sie begründeten es damit, dass der Bau einer neuen Mühle ihren Ruin bedeuten würde.

Der Wind musste bezahlt werden

Die Fehntjer aber ließen nicht locker. Mit Erfolg: 1770 gab es eine Ausschreibung und der Timmeler Müller, Reiner Harmens, bot das meiste Windgeld und erhielt damit den Zuschlag für den Bau. So nannte man damals eine Art Nutzungsgebühr für Wind, die an den Fiskus gezahlt werden musste. Doch es kam anders: Die Mühle in Timmel ging 1771 nach einem Blitzeinschlag in Flammen auf. Das Bauholz, das bereits für den Neubau in Westgroßefehn herbeigeschafft worden war, wurde für ihren Wiederaufbau verwendet.

Die Timmeler Mühle aber brannte wenige Monate später erneut in einem Gewitter nieder. Und wieder baute Harmens sie auf, bevor er endlich den Neubau in Westgroßefehn in Angriff nahm. Tebbenhoff zufolge wurde sie am 18. September 1773 fertiggestellt. Nach dem Tod von Reiner Harmens führte sein Sohn Hinricus von Hovelingen sie bis 1860 weiter. In den Jahren 1880 und 1888 brannte die Mühle dem damaligen Besitzer Arnold de Wall bis zur Galerie ab. Beide Male hatte der Blitz eingeschlagen. 1892 gab er sein Handwerk auf. „Das war das Jahr, in dem mein Großvater die Mühle kaufen konnte.“

In einem weiteren Teil der Serie gehen wir der Frage nach, welche Gemeinsamkeiten Großefehn und Groningen haben. Historikern zufolge sind das mehr als die ersten drei Buchstaben im Namen.

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