Meinung Ich bin ein Elterntaxi – und will mich nicht dafür schämen

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Ein Kommentar von Ute Nobel
| 23.08.2023 19:33 Uhr | 2 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
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Redakteurin Ute Nobel bringt ihren Sohn Tjark regelmäßig mit dem Auto in die Krippe. Foto: Poppen
Redakteurin Ute Nobel bringt ihren Sohn Tjark regelmäßig mit dem Auto in die Krippe. Foto: Poppen
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Wer seine Kinder mit dem Auto zum Kindergarten oder zur Schule bringt, steht häufig in der Kritik. Redakteurin Ute Nobel ist genervt davon, dass Eltern der Schwarze Peter zugeschoben wird.

Elterntaxis: gefährlich, umweltschädlich – und überhaupt nur etwas für Helikopter-Muttis, also übervorsichtige Eltern. Das liest man immer wieder. Es hagelt Kritik an Müttern und Vätern, die ihre Kinder mit dem Auto bis zum Eingang von Schule, Kindergarten oder Krippe bringen. Auch diese Zeitung hat erst kürzlich darüber berichtet.

Ich bin so ein Elterntaxi. Meine beiden Jungs bringe ich an vier von fünf Tagen die Woche mit dem Auto zum Kindergarten und zur Krippe – ausnahmslos, bei Regen, Sturm oder strahlendem Sonnenschein. Und es nervt mich, wie despektierlich damit umgegangen wird. Schon allein das Wort Elterntaxi lässt meinen Puls ein wenig in die Höhe schnellen. Die Redakteurin in mir muss anerkennend eingestehen: Es ist ein gutes Wort, vor allem für Überschriften. Denn obwohl es eigentlich nur das beschreibt, was passiert (Kind wird mit Auto irgendwo hingebracht), schwingt da so viel Negatives mit, dass man beim Lesen bereits das verständnislose Kopfschütteln der älteren Generation sieht und vor meinem geistigen Auge Facebook-Kommentare erscheinen, in etwa: „Wir sind früher noch barfuß im Winter die zehn Kilometer bis zur Schule gelaufen!“

Rad keine sinnvolle Alternative

Vielleicht fühle ich mich bei diesem Thema emotional zu sehr angefasst. Aber ich bin mir sicher, nein, ich weiß, dass ich nicht die einzige Mutter bin, der es so geht. Wenn ich die Kinder morgens ins Auto verfrachte, bringe ich erst den Großen in den Kindergarten, fahre dann weiter mit dem Kleinen zur Krippe und dann direkt zur Redaktion. Dabei müssen wir in Leer durch eine der Straßen, die sich vor Schulbeginn in ein von Autos zugestopftes Nadelöhr verwandeln. Es gäbe Möglichkeiten, wie ich das Fahrrad nutzen könnte – aber keine davon funktioniert sinnvoll für uns. Ich könnte den gesamten Weg mit dem Rad bestreiten. Dann hätte ich aber in der Redaktion kein Auto, mit dem ich auf Termine im Einzugsgebiet dieser Zeitung fahren kann. Ich könnte den Großen erst mit dem Rad zum Kindergarten bringen, wieder nach Hause fahren und dann dieselbe Strecke noch mal mit dem Auto in Richtung Arbeit zurücklegen. Aber wem ist damit geholfen?

Eine Freundin muss ihre drei Söhne ab kommendem Jahr in drei verschiedene Einrichtungen bringen. Das ist mit dem Rad zeitlich gar nicht machbar, wenn alle pünktlich ankommen wollen, egal, ob sie danach noch zur Arbeit muss oder nicht. Und so geht es vielen Familien. Die Väter könnten ja auch mal bringen? Das ist ein gutes Argument, aber wenn der Vater, der auch heutzutage noch in den meisten Familien voll berufstätig ist, bereits bei der Arbeit sein muss, bevor Krippe, Kindergarten oder Schule öffnen, dann geht das eben nicht.

In andere Richtungen denken

Viel wichtiger als der Umweltaspekt ist in dieser Diskussion die Sicherheit der Kinder. Die Unfallstatistiken zeigen, dass die meisten Unfälle, bei denen Kinder verletzt werden, montags bis freitags zwischen 7 und 8 Uhr passieren. Niemand möchte, dass Kindern auf dem Weg in Schule oder Kindergarten etwas zustößt. Aber dafür müssen andere Hilfen her – mehr 30er-Zonen, Einbahnstraßen, Fahrbahnschwellen, Fahrradstraßen oder größere Parkzonen, etwas entfernt von der jeweiligen Einrichtung. Vielleicht brauchen auch kleine Schulen mehr Unterstützung aus der Politik, vielleicht hätten in den vergangenen Jahren nicht so viele Dorfschulen schließen sollen. Dann würden nicht so viele Schüler geballt an wenigen Schulen unterrichtet und die Schulwege wären für viele deutlich kürzer. Und es ist eben auch nicht mehr dieselbe Verkehrssituation wie noch vor 50 Jahren, wo selbst kleine Kinder bedenkenlos alleine mit dem Rad überall hinfahren konnten. Es gibt viele Richtungen, in die man hier denken sollte – und dazu zählt eben nicht, den Eltern den Schwarzen Peter zuzuschieben, die mit dem Auto einfach, schnell und sicher zur Kita, Schule oder Arbeit kommen müssen, um ihren Tag zu bestreiten.

Die Redakteurin erreichen Sie unter u.nobel@zgo.de

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