Künstler-Ehepaar wagt Abenteuer So lebt es sich in der Familien-Wohngemeinschaft auf dem Gröönlandhof

| | 24.08.2023 15:19 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 6 Minuten
Daniela und Elton Eerkens haben am Morgen noch Möhren für die solidarische Landwirtschaft geerntet. Die übrige Zeit gehört der Bildhauerei. Foto: Böning
Daniela und Elton Eerkens haben am Morgen noch Möhren für die solidarische Landwirtschaft geerntet. Die übrige Zeit gehört der Bildhauerei. Foto: Böning
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Daniela und Elton Eerken haben ihre Zelte in der Pfalz abgebrochen. Jetzt fängt das Künstler-Paar in Ostfriesland ganz neu an und stellt sein Familienleben in der Gröönlandhof-WG auf den Kopf.

Wrisse - Daniela Eerkens steht in der offenen Scheune auf dem Gulfhof der Familie Tjaden in Wrisse in der Gemeinde Großefehn. Hinter ihr stapeln sich Strohballen, daneben parkt ein alter Traktor. Eine idyllische Kulisse für ihre Arbeit, jedenfalls im Sommer – so lange es warm ist. Mit Meißel und Mini-Presslufthammer arbeitet die Bildhauerin die Formen einer Skulptur aus einem hellen Sandsteinblock.

Was und warum

Darum geht es: Vor fünf Monaten sind Daniela und Elton Eerkens mit Sohn Ilja in die besondere Wohngemeinschaft im Gröönlandhof in Wrisse gezogen. Sie bringen ihre Bildhauerei mit und erzählen, wie es ist, in dieser besonderen Umgebung noch einmal ganz neu anzufangen.

Vor allem interessant für: Alle, die sich für besondere Lebensentwürfe und Bildhauerei interessieren.

Deshalb berichten wir: Die Redaktion war neugierig, wie sich der Neuanfang in diesem besonderen Umfeld gestaltet.

Die Autorin erreichen Sie unter: n.boening@zgo.de

Es entstehen eine übergroße Nase, die sich in Richtung Himmel reckt, eine Badekappe und hinter dem Körper verschränkte Arme. Das sind die Markenzeichen der „Badegäste“, die in der Bildhauerei KloppTokk entstehen. Die betreibt Daniela Eerkens seit etwa drei Jahren mit ihrem Mann Elton. Die Bildhauerin erweckt die Badegäste zum Leben und Elton Eerkens kümmert sich als Grafiker um die Gestaltung, die Webseite und soziale Medien.

Mischung zwischen Landwirtschaft und Kunst

Die Scheune ist üblicherweise ein Ort, an dem in der solidarischen Landwirtschaft „Gröönlandhof“ von Max Kühne und Sonja Filip Gemüse sortiert wird. Seit fünf Monaten teilen sich die Landwirte den Platz mit KloppTokk. So lange ist es her, seit die Eerkens ihre Zelte in ihrer vorigen Heimat – Sankt Martin in Rheinland-Pfalz – abgebrochen haben, einem malerischen kleinen Ort an der Weinstraße. Jetzt will das deutsch-niederländische Paar in diesem besonderen Wohnprojekt in Ostfriesland noch einmal ganz neu anfangen.

Daniela Eerkens bei der Arbeit. Sie ist gelernte Steinbildhauerin und verwandelt Sandsteinblöcke in kleine Badegäste. Foto: Böning
Daniela Eerkens bei der Arbeit. Sie ist gelernte Steinbildhauerin und verwandelt Sandsteinblöcke in kleine Badegäste. Foto: Böning

Mit Sohn Ilja (5) sind sie in die Familien-Wohngemeinschaft mit Andrea und Tjarko Tjaden sowie deren Kindern Nele und Keno gezogen. „Das ist ein großer Schritt für uns“, sagt Daniela Eerkens. Vorher hätten sie in einem Häuschen wie auf einer eigenen kleinen Insel gelebt – umgeben von einem Garten, der als Kulisse für ihre Kunst diente. Jetzt teilen sie sich Wohnraum und Leben mit anderen.

Man muss miteinander reden

Drei eigene Räume haben die Eerkens, Küche und Wohnzimmer teilen sie sich. „Kommen wir aus der Tür, sind Leute da“, sagt Daniela Eerkens, das ist für sie neu. Die Familienmitgleider kommen in eine Gemeinschaft, die gemeinsam aus dem alten Gulfhof diese Vision aus generationenübergreifendem und klimafreundlichem Wohnen und solidarischer Landwirtschaft gemacht hat. „Es ist nicht leicht, ganz neu in etwas hineinzukommen, dass man nicht selbst mit aufgebaut hat“, sagt Daniela Eerkens. „Letztendlich setzen wir uns in ein gemachtes Nest.“ Eines helfe beim Ankommen: reden, reden und noch einmal reden.

Sie haben die Räume von Thomas Schreier und Liesa Rütjes übernommen, die mit Sohn Yonathan im vergangenen Jahr ausgezogen sind und die solidarische Landwirtschaft mit aufgebaut haben. Arbeiten in der Landwirtschaft ist nicht der Schwerpunkt der Eerkens, aber sie helfen mit. Zehn Stunden pro Woche unterstützen sie Max Kühne und Sonja Filip. Kühne und Filip bauen Gemüse und Getreide an, halten Ziegen, wirtschaften auf etwa zehn Hektar Fläche und versorgen einen Kundenstamm von etwa 300 Menschen mit Lebensmitteln.

Nach der Möhrenernte geht es zu den Badegästen aus Stein

An diesem Morgen haben die Eerkens Möhren geerntet, die ab Mittag an die 120 Ernteteiler verteilt werden. „Diese Arbeit ist eine wundervolle Aufgabe, um in der Gemeinschaft anzukommen und uns hier zu erden“, sagt Daniela Eerkens. Sinnbildlich. Eigentlich wollten Elton (51) und Daniela Eerkens (43) nur einmal gucken, was auf dem Markt ist, als sie sich auf dem Suchportal „Bringtogether.de“ für soziale Wohnprojekte umschauten. Als sie den Gröönlandhof dort entdeckten, ging dann doch alles ganz schnell.

Das Paar suchte einen neuen Ort für die Bildhauerei. Die war vorher mitten in dem kleinen Ort angesiedelt und mit ihrer typischen Geräuschkulisse nicht ganz unproblematisch. Auf dem Gröönlandhof haben sie Platz, um auch einmal laut zu sein. „Als freischaffende Künstler war das Leben in Sankt Martin für uns auf Dauer auch einfach zu teuer“, sagt Elton Eerkens. Er arbeitet zusätzlich als Grafiker für die Kunstszene in Amsterdam. Daniela Eerkens ist ausgebildete Steinbildhauerin und hat in Saarbrücken Kunst studiert.

Familienleben in der Wohngemeinschaft

Das Leben in einer Wohngemeinschaft kannten beide. Es jetzt als Familie noch einmal ganz neu zu erleben, ist für sie dennoch ein großer Schritt. Gezögert haben sie trotzdem nicht, als nach den ersten Gesprächen und einem Besuch in Wrisse das Angebot kam, sie könnten einziehen. „Wenn man es nicht versucht, kann man schließlich nicht feststellen, ob es klappen könnte“, sagt Elton Eerkens. Jetzt geht es für beide erst einmal darum, einen Platz zu finden – in der Gemeinschaft des Hofes, zu der auch die ehemaligen Bewirtschafter und Eigentümer Eielt und Gertrud Tjaden gehören, und auch in der Scheune.

Die Zeit drängt, denn im Winter wird ein geschütztes Atelier gebraucht, isolierte Wände als Schutz vor Kälte und Feuchtigkeit. Noch suchen sie nach Ideen und Lösungen – gemeinsam mit den anderen. Konkrete Pläne gibt es noch nicht. „Wir haben in Sankt Martin viel hinter uns gelassen“, sagt Elton Eerkens. Sie waren etabliert, hatten einen festen Kundenstamm. Die Aufträge, die sie momentan abarbeiten, stammen noch aus der Zeit. Jetzt müssen sie in Ostfriesland von vorne anfangen. Kontakte knüpfen, Käufer finden.

Darum ist Ostfriesland interessant für Künstler

Der Düsseldorfer Kunsthändler André Kirbach, Vorstand des Auricher Kunstvereins und Gründer der Kunststiftung Krummhörn, ordnet ein: „Grundsätzlich können nur 20 Prozent aller Künstler überhaupt von ihrer Kunst leben“, berichtet er aus Erfahrung. Das liege einfach daran, dass es mehr Künstler gebe als die Nachfrage groß sei. Nach Ostfriesland zu kommen, hält er gerade für die Werke der Eerkens für eine gute Idee. „Die Menschen, die als Gäste hierherkommen, sind entspannt und bringen sich gerne etwas Schönes aus der Region mit nach Hause.“ Auch er lade deshalb gerne Kunden in seine Pilsumer Galerie ein.

Die Eerkens hoffen, dass ihre Badegäste gerade an der Küste gut ankommen. Thematisch passen sie jedenfalls schon einmal perfekt hierher. Bereut haben sie ihren Umzug nach Ostfriesland nicht. Für Elton Eerkens fühlen sich Wrisse und seine Umgebung sogar ein wenig an wie seine südniederländische Heimat. „Es sieht sogar so ähnlich aus“, findet er. Einen Vorteil hat der neue Wohnort noch: Sohn Ilja kann jetzt seine Großeltern viel öfter sehen.

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