Nordset kommt nach Ostfriesland Firma zieht zu ihren Mitarbeitern nach Friedeburg

| | 12.09.2023 16:06 Uhr | 1 Kommentar | Lesedauer: ca. 3 Minuten
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Marc Demuth (links) und Rainer Scholz von der Firma Nordset bereiten in Friedeburg die eigene Produktion von OP-Sets vor. Foto: Oltmanns
Marc Demuth (links) und Rainer Scholz von der Firma Nordset bereiten in Friedeburg die eigene Produktion von OP-Sets vor. Foto: Oltmanns
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In Friedeburg geht ein Unternehmen weg und hinterlässt rund 100 Mitarbeiter. Eine Katastrophe? Von wegen. Die frei gewordenen Arbeitskräfte locken sogar eine neue Firma an. Ist das die Zukunft?

Friedeburg/Papenburg - Im Friedeburger Gewerbegebiet vollzieht sich in diesen Wochen eine Veränderung, die beispielhaft sein könnte für die künftige Entwicklung von Unternehmen. Der Medizinprodukte-Hersteller Nordset aus Hude bei Bremen eröffnet hier einen neuen Produktionsstandort; oder eigentlich übernimmt er ihn eher von einem anderen Unternehmen. Unterm Strich passiert aber dies: Nordset zieht seinen dringend benötigten Arbeitskräften hinterher. Nach Ostfriesland. Denn die Ostfriesen haben keine Lust, dauerhaft nach Hude zu pendeln.

Was und warum

Darum geht es: Friedeburg gewinnt ein neues Unternehmen, weil es Arbeitskräfte hat. Der Arbeitgeberverband ordnet das ein.

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Deshalb berichten wir: Wir wollten wissen, ob es längst üblich ist, dass Unternehmen ihren Arbeitskräften hinterher ziehen.

Die Autorin erreichen Sie unter: i.oltmanns@zgo.de

„Es ist mir nicht bekannt, dass es einen solchen Fall schon mal gab“, kommentiert das Jörg Thoma, stellvertretender Hauptgeschäftsführer beim Arbeitgeberverband für Ostfriesland und Papenburg. Das Beispiel könnte aber Schule machen. „Ich halte es für möglich, dass Unternehmen in der Zukunft mehr Standortentscheidungen nach vorhandenen Arbeitskräften treffen werden“, so Thoma.

Wie Nordset nach Friedeburg kommt

Nordset ist ein mittelständisches Unternehmen mit 65 Mitarbeitern in Hude. Dort produzieren sie OP-Sets für die Augenchirurgie. Ein gut gehendes Geschäft: Die Firma muss nach eigenen Angaben mittlerweile Aufträge ablehnen, weil sie nicht genug Arbeitskräfte hat. Tatsächlich seien in diesem Jahr schon viele zusätzliche Samstage extra gearbeitet worden, wie die beiden Firmenvertreter Marc Demuth und Rainer Scholz bei einem Besuch im Friedeburger Gewerbegebiet berichten. Das Gespräch findet in den Räumen der Firma Angiokard statt. Die stellt ebenfalls OP-Sets her, will den Friedeburger Produktionsstandort aber zum Ende des Jahres aufgeben und die Produktion in einen anderen Standort in der Tschechischen Republik auslagern.

Die Angiokard-Gebäude im Friedeburger Gewerbegebiet werden von der Firma Nordset aus Hude übernommen. Foto: Oltmanns
Die Angiokard-Gebäude im Friedeburger Gewerbegebiet werden von der Firma Nordset aus Hude übernommen. Foto: Oltmanns

Angiokard hatte in Friedeburg zuletzt gut 115 Mitarbeiter beschäftigt, rund 100 werden nach dem Umzug nicht mehr gebraucht. So teilte es das Unternehmen selbst in einer Pressemitteilung mit. In Hude erfuhr man davon durch Zufall und per Zeitungsbericht. Nordset-Vertreter machten sich sogleich auf nach Friedeburg, um die dort frei werdenden Arbeitskräfte für sich zu rekrutieren. Sie mussten allerdings feststellen, dass die Mitarbeiter nicht dauerhaft nach Hude pendeln wollten. Da sie für die künftige Nordset-Produktion aber dringend gebraucht werden, übernimmt Nordset nun stattdessen die Angiokard-Gebäude samt einem Großteil der Mitarbeiter. Die Huder Firma hat also etwas überraschend einen neuen Standort in Ostfriesland.

Wie beispielhaft ist das Vorgehen?

„Der Fall ist erstmal ein Exot“, sagt Jörg Thoma vom Arbeitgeberverband. Und ein Glücksfall für das Huder Unternehmen. Das ja Arbeitskräfte mit Erfahrung im Medizinbereich plus Gebäuden praktisch nur übernehmen braucht. Er spricht von Standortfaktoren, die Unternehmen üblicherweise beachten, wenn sie sich irgendwo niederlassen wollen. Ein Hafen beispielsweise, wenn viel transportiert werden müsse.

„Heutzutage, das muss man sicherlich sagen, ist das Thema Arbeitskräfte durchaus auch ein Standortfaktor“, so Thoma. Es gebe nicht nur einen Fachkräftemangel in Deutschland, sondern auch einen allgemeinen Arbeitskräftemangel. Heißt: „Uns fehlen nicht nur die gut ausgebildeten Mitarbeiter, sondern auch die Angelernten.“ Auch die finde man zum Teil nicht mehr auf dem Arbeitsmarkt.

Er könne sich vorstellen, so Thoma, dass Unternehmen sich nun vielleicht häufiger für strukturschwachere Regionen entscheiden könnten. Für Gegenden also, wo sie vermutlich noch auf Arbeitskräfte zurückgreifen könnten. Nicht, dass Ostfriesland und Papenburg eine strukturschwache Region sei, fährt er fort. Tatsächlich hätten auch Betriebe, die sich hier ansiedeln oder schon ansässig sind, auch selbst Probleme mit der Suche nach Mitarbeitern.

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