Unser Aurich Georgsfeld – ein Ortsteil wie eine große Familie

Nicole Böning
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Von Nicole Böning
| 13.09.2023 17:03 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 5 Minuten
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Helmut Basche (von links) vom Schützenverein, Andreas Detmers vom Boßelverein, Reik Hinrichs und Sara Reck von der Dorfjugend, Heinrich Bohlen, Sohn des letzten Bürgermeisters, Ortsbürgermeisterin Gerda Küsel und Uwe Basche-Heyen vor dem Schützenhaus. Fotos: Böning
Helmut Basche (von links) vom Schützenverein, Andreas Detmers vom Boßelverein, Reik Hinrichs und Sara Reck von der Dorfjugend, Heinrich Bohlen, Sohn des letzten Bürgermeisters, Ortsbürgermeisterin Gerda Küsel und Uwe Basche-Heyen vor dem Schützenhaus. Fotos: Böning
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In Georgsfeld gibt es außer einer Durchgangsstraße und 546 Einwohnern nicht viel. Die machen das Beste draus – und haben Spaß dabei.

Aurich-Georgsfeld - „Den Schützenverein, den Boßelverein und einen Zigarettenautomaten“, zählt Alfred Basche auf und grinst breit, „mehr haben wir hier eigentlich nicht.“ Sein Bruder Helmut Basche grätscht dazwischen. Der Zigarettenautomat sei gerade abgebaut worden, wirft er ein. Es folgt ein allgemeines Gelächter im Schützenhaus von Georgsfeld und ein Streit darüber, ob denn wenigstens der Briefkasten auf Georgsfelder Gebiet steht. Hier geht die Diskussion zugunsten des Nachbarortsteils Walle aus. Die Frage nach der Infrastruktur von Georgsfeld ist damit erledigt

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"Unser Aurich": Georgsfeld
09.09.2023
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Georgsfeld am Rande Aurichs ist ein Teil der Kreisstadt, der irgendwie zwischen allem liegt. In der ehemaligen Moorkolonie an der Grenze zu Südbrookmerland orientiert sich ein Teil der Georgsfelder zum Einkaufen eher dorthin. Grundschule und Kindergarten sind in Walle, weiterführende Schulen in der Kernstadt Aurich und in Haxtum. Die Kirche der Kirchengemeinde St. Markus Tannenhausen-Georgsfeld liegt natürlich in Tannenhausen.

Eine Straße als pulsierende Lebensader

Und Georgsfeld? Seine pulsierende Lebensader ist die Moordorfer Straße. Sie verbindet die Bewohner des Straßendorfes. Auf ihr mussten aber auch schon viele Menschen sterben, vor allem Kinder – bis in den 80er Jahren endlich ein Randweg gebaut wurde. Plötzlich wird es ernst in der vorher so lockeren Runde im Schützenhaus. Die Erinnerung ist noch lebendig. Sieben tote Kinder zählt Uwe Basche-Heyen auf, ein weiterer Basche-Bruder – dazu kommen erwachsene Opfer und viele Schwerverletzte.

Auf der Moordorfer Straße sind viele Georgsfelder gestorben.
Auf der Moordorfer Straße sind viele Georgsfelder gestorben.

Noch immer ist die Straße für die Einwohner Fluch und Segen gleichzeitig. „Wir würden uns wünschen, die Auto- und Motorradfahrer würden hier wirklich 70 Kilometer pro Stunde fahren“, sagt Ortsbürgermeisterin Gerda Küsel, als sie später in den fließenden Verkehr blickt. Ein Überholverbot wäre schön, das bekäme man aber nicht durch. Obwohl die Moordorfer Straße gerade im benachbarten Tannenhausen wegen Bauarbeiten gesperrt ist, donnert der Durchgangsverkehr vorbei. Vor der Baustelle schlage man sich über die Schleichwege quer durchs Moor, erklärt Uwe Basche-Heyen.

Das Mahnmal neben der Schule erinnert an die gefallenen Georgsfelder im Ersten und Zweiten Weltkrieg.
Das Mahnmal neben der Schule erinnert an die gefallenen Georgsfelder im Ersten und Zweiten Weltkrieg.

Kaum einer hält an

In Georgsfeld hält kaum eines der Autos und Motorräder. Warum auch? Dann fällt Uwe Basche-Heyen doch einer der wenigen Arbeitgeber des Ortsteils ein: die Gärtnerei Ebkes. Immerhin. Trotz des geringen Angebots ist Georgsfeld längst nicht der am dünnsten besiedelte Ortsteil Aurichs, sondern mit seinen 83 Einwohnern pro Quadratkilometer einer der führenden im unteren Tabellendrittel.

In einer Sache ist Georgsfeld sogar ganz vorne dabei. Es ist der jüngste der insgesamt 21 Ortsteile. So jung, dass der erste Siedler Tjade Menssen Hinrichs noch namentlich bekannt ist, der sich 1846 mitten im Hochmoor niederließ. Ihm folgen Weitere. Im Schützenhaus hängt noch eine Zeichnung der Kolonie Georgsfeld mit den Namen ihrer Bewohner im Jahr 1890.

Die Gärtnerei Ebkes ist einer der wenigen Arbeitgeber in Georgsfeld.
Die Gärtnerei Ebkes ist einer der wenigen Arbeitgeber in Georgsfeld.

Als Basche-Heyen sie von der Wand nimmt, löst sich ein Umschlag von der Rückseite. Darin steckt eine Kopie des Amtsblatts für die Provinz Ostfriesland vom 12. Februar 1852, in dem für die „in neuerer Zeit zwischen Walle und Tannenhausen errichteten Häuser“ der Name Georgsfeld eingeführt wurde. Die Geburt einer später bis zur Gebietsreform 1972 eigenständigen Gemeinde. Den Namen erhielt die Kolonie zu Ehren des damaligen Herrschers über Ostfriesland und letzten Königs: Georg V. von Hannover.

Die Georgsfelder können feiern

Heinrich Bohlen ist Dorfchronist und der Sohn des letzten Bürgermeisters von Georgsfeld. Er hat einen Zeitungsartikel über die Georgsfelder Geschichte mitgebracht. Früher gab es hier einmal einen Dorfladen. „Mit Softeis“, erinnert sich Alfred Basche. Seine Augen leuchten. Eine Dorfschule gab es seit 1903 auch. Sie wurde 1971 aufgegeben, die älteren Basche-Brüder haben sie noch besucht. Der Torfabbau und die zwei Kneipen „Zur Sonne“ und „Dorfkrug“ haben sich etwas länger gehalten.

Die ehemalige Dorfschule wurde bis 1971 betrieben, dann von der Lebenshilfe übernommen und steht heute leer.
Die ehemalige Dorfschule wurde bis 1971 betrieben, dann von der Lebenshilfe übernommen und steht heute leer.

Die Zeit überdauert haben nur die beiden Vereine. „Das Schützenhaus ist unser zentraler Treffpunkt“, sagt der erste Vorsitzende Helmut Basche des 1958 gegründeten Schützenvereins Georgsfeld. Hier wird gefeiert, zwar nicht mehr so viel wie früher, als ein Schützenfest schon einmal fünf Tage dauern konnte. Aber noch immer ist viel los beim Schützenfest, beim Osterfeuer, bei der Maifeier und zweimal im Jahr auf dem Flohmarkt, der am Sonntag ab 10 Uhr wieder stattfindet.

Es gibt wieder eine Dorfjugend

Mit den beiden Traditionsvereinen für den Schützen- und den Boßelsport sowie neuerdings der im Jahr 2022 reaktivierten Dorfjugend, lockt der Ortsteil wiederum Menschen der umgebenden Ortsteile an. Selbst Andreas Detmers als Vorsitzender des Boßelvereins ist eigentlich Wallster. Auch wenn das ein wenig seltsam ist, denn schließlich wohnt er hinter der Vereinswiese – nur eben auf der Wallster Straßenseite der Nordmoorstraße. „In meinem Herzen bin ich Georgsfelder“, sagt Detmers und lacht. Zu seinen nächsten Wallster Nachbarn jenseits seiner Straße ist es immerhin viel weiter als bis zum Vereinsheim.

Georgsfeld

Einwohner: 546

Größe: 6,56 Quadratkilometer

Ärzte: keine

Bildungseinrichtungen: keine

Nahversorgung: keine

Kirchen: keine

Sonstiges: Mahnmal der Gefallenen des Ersten und Zweiten Weltkriegs, ehemalige Schule, Schützen- und Boßelverein

Was macht es also aus, ein Georgsfelder zu sein? „Der Zusammenhalt und die Familienverbände“, sagt die Ortsbürgermeisterin Gerda Küsel, die selbst in Tannenhausen zu Hause ist. „Wenn ich hierherkomme, fühle ich mich einfach willkommen“, fügt sie hinzu. Man habe viel gemeinsam auf die Beine gestellt, sagt Helmut Basche. Darunter der Bau des Vereinshauses in Eigenregie – mitfinanziert durch jahrelange Altkleider- und Papiersammlungen. „Die Familienbande machen viel aus“, sagt Alfred Basche. Die reichen weit. Auch Heinrich Bohlen sei ein angeheirateter Vetter. Ob vielleicht auch Reik Hinrichs aus Münkeboe, der an diesem Tag mit Sara Reck die Dorfjugend vertritt, ein Nachfahr des ersten Georgsfelders ist? Unwahrscheinlich ist das nicht, aber nicht belegt.

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