Kolumne „Artikel 1, GG“ Es lohnt, eigene Widerstände zu überwinden

Canan Topçu
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Eine Kolumne von Canan Topçu
| 04.10.2023 08:36 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 2 Minuten
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Seit Jahren ermutig unsere Kolumnistin ihre Studenten, sich mit den eigenen Macken zu befassen. Aus Erfahrung weiß sie, dass es sich lohnt.

Wenn man es selbst möchte, dann kann man diese oder jene unerwünschte Eigenschaft ablegen; das geht natürlich nicht auf Knopfdruck, nicht von heute auf morgen, sondern braucht seine Zeit: Das erkläre ich seit vielen Jahren zu Beginn meiner Lehrveranstaltungen und ermutige Studenten, sich mit ihren Macken und Mängeln zu befassen.

In Rhetorikkursen etwa führe ich aus, dass man Lampenfieber und die Angst vor dem Reden in der Öffentlichkeit nie ganz loswird, sie mit bestimmten Techniken überlisten kann.

Zur Person

Canan Topçu (58) ist als Tochter türkischer Arbeitsmigranten in Hannover aufgewachsen. Nach der Ausbildung bei der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung wechselte die Journalistin zur Frankfurter Rundschau. Seit 2012 ist die Hanauerin freiberuflich als Autorin sowie als Referentin und Dozentin tätig.

Dass das Ablegen von Eigenschaften, die einem das Leben schwer machen, möglich ist, weiß ich aus eigener Erfahrung. Um ein Beispiel zu geben: Ich hatte eine starke Abneigung gegen Hunde. Im Gegensatz zu meinem Mann ekelte es mich schon bei der Vorstellung, einen Hund anzufassen. Unmöglich erschien es mir daher, dass ein Hund im Haus lebt.

Mein Mann wollte gerne einen Hund, ich war strikt dagegen. Wie löst man als Paar solch einen Konflikt? Ich hätte mich durchsetzen können, was ich aber nicht wollte. Also gab ich mir einen Ruck – mir bewusst machend, dass Widerstände überwindbar sind. Darüber, dass ich nicht meinen Willen durchgesetzt habe, bin ich inzwischen sehr froh. Denn Oskar, ein Appenzeller Hütehund, der nun seit mehr als vier Jahren mit uns lebt, möchte ich nicht mehr missen.

Er rührt mich tagtäglich und verschafft mir sehr viel Freude. Etwa, wenn er mit seinem Ball im Maul ankommt, ihn mir vor die Füße legt und so zum Ausdruck bringt, dass ich mit ihm spielen soll. Oder wenn er mich spät abends dazu bringt, hinter ihm herzulaufen und Runden um den Esstisch zu drehen. Oder wenn er sich neben mich aufs Sofa legt, mich mit der Nase stupst, damit ich ihn streichele. Oskar hat sich in mein Herz geschlichen, er spendet sehr viel Liebe.

Einmal mehr hat sich für mich gezeigt, dass es gut ist, eigene Widerstände zu überwinden statt auf Grundsätze zu pochen. Es lohnt sich um des Friedens und der Liebe willen!

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