Bi Kaarkens Der Glaube an ein Wiedersehen


Dass Freude und Traurigkeit oft sehr nah beieinander liegen, hat unser Kolumnist erst vor ein paar Tagen selbst erlebt. Für ihn war das eine heilsame Erfahrung.
Am Samstagabend saß ich voller Spannung auf der Sofakante und starrte gebannt auf den Fernsehbildschirm. Es lief das Rugby-Halbfinalspiel zwischen Südafrika und England. Das Spiel verlief ganz und gar nicht so, wie ich erwartet hatte – Südafrika war am Verlieren, meine Stimmung im Keller. Die aufmunternden Worte meiner Frau – „Vielleicht geschieht ja ein Wunder, man weiß ja nie...“ – konnte ich nur mit einem mürrischen: „Ich glaube nicht, aber schlaf gut, mein Schatz“, beantworten. Ich weiß immer noch nicht genau, wie – aber Südafrika bezwang England mit einem mageren Punk: 15-16. Nach dem Schlusspfiff griff ich ungläubig, aber auch voller Freude zu meinem Handy. Ich musste meine Freude mit jemandem teilen! Ich wollte sofort meinem Bruder schreiben, der wie ich ein großer Fan der südafrikanischen Rugby-Nationalmannschaft ist. Doch mein Blick blieb an den Bildern meines Bruders auf unserem Wohnzimmerschrank hängen – mein Bruder ist Anfang Mai dieses Jahres verstorben. Auf den Tag genau fünf Monate, bevor der erste Ball bei der Rugby-WM getreten wurde.
Während ich heute, ein paar Tage später, hier sitze und schreibe, tut es verdammt weh, daran zu denken, dass mein großer Bruder gestorben ist. Er wird mich nicht aus heiterem Himmel anrufen, so dass wir unsere Freude teilen können. Ich kann und will mich nicht verabschieden. Auch ein halbes Jahr später nicht. In diesem Moment musste ich ihm einfach sagen, dass wir es ins Finale geschafft haben. Ich wollte an seiner Freude teilhaben. Ich wollte seine typischen Witze über Rugby und über das Leben hören – und darüber, dass mein Afrikaans jedes Mal lustiger klingt, wenn wir telefonierten. Ich wollte ihm sagen, dass ich ihn sehr vermisse.
In diesem Moment wurde mir auf eine sehr berührende und merkwürdig heilsame Weise klar, dass dieses Kapitel der Sehnsucht nun Teil meiner Geschichte mit meinem Bruder ist. Und wenn ich ihn eines Tages „im Garten“ treffe, hoffe ich, dass er mein lustiges Ostfriesen-Afrikaans verstehen wird. Der Glaube meines Bruders war stark. Und so glaube ich, wie er, dass wir uns wiedersehen werden.