Emder Hobby-Historiker Dietrich Janßen deckt die Geschichte von Straßennamen auf

| | 11.12.2023 16:59 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 5 Minuten
Dietrich Janßen ist passionierter Hobby-Historiker in Emden und hat ein neues Buch über die Straßennamen der Stadt herausgebracht. Dabei stützt er sich auf die Recherche des Studienrats Walther Voigt. Foto: Hanssen
Dietrich Janßen ist passionierter Hobby-Historiker in Emden und hat ein neues Buch über die Straßennamen der Stadt herausgebracht. Dabei stützt er sich auf die Recherche des Studienrats Walther Voigt. Foto: Hanssen
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Warum haben Straßen eigentlich den Namen, den sie tragen? Was sagt ihr Name über die Zeit und Gesellschaft aus? Der Emder Hobby-Historiker Dietrich Janßen hat ein neues Buch darüber herausgebracht.

Emden - Fast wäre Walther Voigts mühevolle Arbeit unentdeckt geblieben. Über Stunden und Stunden muss der Studienrat, der von 1889 bis 1977 lebte, Emder Straßennamen und ihre Geschichte auf kleine Karteikarten beschrieben haben. Seine Schrift ist winzig auf den ohnehin schon kleinen Karten. Es sollten möglichst viele Worte passen. 2350 Karten kamen zusammen, die im Emder Stadtarchiv verwahrt, aber kaum beachtet wurden. Bis der Emder Hobby-Historiker Dietrich Janßen sie in seinen Fokus nahm.

Janßen hat schon zahlreiche Bücher herausgebracht, die sich mit Emder Geschichte und Anekdoten beschäftigen - etwa „Um fünf bei Tchibo!“, „Emden, ein verlorenes Stadtbild“ und „Emden, gestern und heute“. Jetzt ist sein neues Nachschlagewerk erschienen, in dem er Voigts Arbeit aufgreift. Die kleinen Karteikarten digitalisierte er und tippte sie mithilfe von zwei Computerbildschirmen akribisch ab. Er ergänzte und korrigierte, wo es nötig war, sagt Dietrich Janßen im Gespräch mit dieser Zeitung. Etwa ein Jahr brauchte er dafür.

Wie hat Walther Voigt recherchiert?

Der Studienrat, der für seinen Ruhestand von Canhusen nach Emden zog, betrieb seine Recherche nicht halbherzig. Kann man die Geschichte heutiger Straßennamen, die etwa ab 1970 eingeführt wurden, schnell bei Google finden, musste Voigt sich damals in Papier stürzen. Laut Janßen besuchte er für seine Recherche, die er um 1957 betrieb, das Emder Stadtarchiv, die Gesellschaft für bildende Kunst und vaterländische Altertümer „Kunst 1820“, das Niedersächsische Staatsarchiv in Aurich und das Archiv der Großen Kirche.

Für jeden Straßennamen wälzte er unter anderem Schuldregister, Urkunden und Vertragsprotokolle. Und sogar die Abschriften von Sitzungen des damaligen Magistrats (heute Emder Rats) blätterte er durch. Für alle damals vorhandenen Straßennamen bis 1964 wollte er die Hintergründe kennen.

Wie bekommen Straßen eigentlich Namen?

In Emden wurde zuletzt über die Namensgebung für ein ganzes neues Stadtviertel abgestimmt. Im April 2022 entschied der Emder Rat, dass die Straßen im Neubaugebiet Conrebbersweg-West einen Bezug zu Europa haben sollen. Die zentrale neue Hauptstraße soll „Europastraße“ heißen. Daraus abgeleitet sollen die ersten Straßen nach dem früheren französischen Ministerpräsidenten Robert Schuman, und Simone Veil, der ersten Frau an der Spitze des Europäischen Parlamentes, benannt werden. Eine Paris- und eine Luxemburg-Straße soll es geben. Eine nichtöffentlich tagende Kommission hat die Namen erdacht und dem Rat vorgeschlagen. Auch zur Zeit von Voigt war der Magistrat für diese Entscheidung zuständig.

Wie Straßen benannt wurden, zeigt viel über die jeweilige Zeit, Politik und Gesellschaft, sagt Dietrich Janßen. Will man bei dem aktuellen Beispiel ein starkes Zeichen für die „europäische Idee“ setzen, hatte man in anderen Jahrzehnten anderes im Sinn. Ein krasses Beispiel ist sicher die Adolf-Hitler-Straße, wie die heutige Auricher Straße am 24. März 1934 genannt wurde. Auch die Judenstraße gibt es nicht mehr. Sie wurde 1933 zur Webergilde Straße und 1998 zur Max-Windmüller-Straße. Es gab ab 1938 eine „Straße der SA“ (heute Große Straße). Auch Namenswechsel wie diese sind in Dietrich Janßens Buch zu finden.

Ein paar Hintergründe zu Straßennamen

Wir haben uns die Geschichten einiger Straßennamen angeschaut. Etwa die der Ligariusstraße. Diese ist aktuell verstärkt im Gespräch, weil drei historische Häuser dort vom Abriss bedroht sind. Ursprünglich hieß die Straße mal Querstraße 2, sagt Dietrich Janßen. Damals war Wolthusen erst langsam bebaut worden. Straßen wurden zunächst provisorisch benannt. Ab 1937 wurde die Straße dann nach dem lutherischen Theologen, Reformator und Konfessionalist Johannes Ligarius, der 1529 in Nesse geboren wurde und 1596 in Norden starb, benannt. Er war Pfarrer in vielen Gemeinden in Emden, wurde aber beim Ausbruch der Emder Revolution vertrieben, bevor er 1577 von Graf Edzard II. als Hofprediger nach Aurich berufen wurde.

Zu einigen Straßen - wie etwa der Neutorstraße - gibt es deutlich mehr Text. Hier hat Walther Voigt alle möglichen Details ergänzt: etwa welcher Bewohner auf welches Haus Schulden beladen hat, wer wo wohnte und wer welches Haus für wen gekauft hat. Benannt ist die Straße nach dem „alten Neuen Tor“, das zwischen Bunter Piepe (Hohenzollernbrücke) und der Bollwerkstraße stand. Wer sich schon immer gefragt hat, warum es eine Japanstraße in Larrelt gibt, wird in dem Buch ebenfalls fündig: Zur Zeit des japanisch-russischen Kriegs, der 1904 begann und etwa ein Jahr dauerte, wurde der Stadtteil Larrelt erstmalig erweitert. Die Russen verloren den Krieg, die Emder Wohnsiedlung wird zunächst „Japan“ genannt. Der Bevölkerung gefällt es, also wird es aus postalischen Gründen zur Japanstraße umbenannt.

→ Das Buch „Emder Straßennamen, Gänge und Hausmarken über fünf Jahrhunderte: erforscht bis 1964 von Walther Voigt, bearbeitet von Dietrich Janßen“ ist nur bei der Buchhandlung Lesezeichen zu bekommen. Es hat 216 Seiten und kostet 18,90 Euro.

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