Seit 70 Jahren verheiratet Es fing mit einem Baustellenflirt an

| | 30.12.2023 06:57 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
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Gerda und Werner Köster haben sich 1951 kennengelernt. Sie sind jetzt 91 und 93 Jahre alt. Foto: Cordes
Gerda und Werner Köster haben sich 1951 kennengelernt. Sie sind jetzt 91 und 93 Jahre alt. Foto: Cordes
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Gnadenhochzeit, das schaffen nicht viele. Gerda und Werner Köster aus Wiesmoor aber schon. Was der ehemalige Wirtschaftsminister Ludwig Erhard damit zu tun hat.

Wiesmoor - Die Antwort auf die Frage, wie das so ist, wenn man schon 70 Jahre zusammen ist, kommt von Werner Köster wie aus der Pistole geschossen: „Scheiße.“ Alle lachen, auch seine Frau Maria Gertrud Köster, die Gerda genannt wird. Die Wiesmoorer necken sich gerne. „Wenn es jetzt noch nicht passt, dann wird das auch nichts mehr“, sagt der 93-Jährige.

Werner Köster ist im heutigen Wiesmoorer Stadtteil Wilhelmsfehn II aufgewachsen, im Haus nebenan. Wir sitzen mit seiner Frau und seiner jüngeren Tochter am Esstisch in ihrem gemeinsamen Haus. Gerda Köster kommt eigentlich aus Bonn. Und dort haben sich die beiden auch kennengelernt – bei der Arbeit quasi. Während Werner Köster auf dem Venusberg in Bonn auf einem Klinikgelände auf dem Bau arbeitete, war Gerda Köster, die damals noch Cramer hieß, in der Klinik tätig. Im Personalraum zeigte ein Fenster direkt auf die Baustelle ihres zukünftigen Mannes: „Wenn wir das Fenster aufgemacht haben, dann konnten wir miteinander sprechen“, erzählt die 91-Jährige.

Zwischen Tanz, Spaß und Politik

So ganz romantisch war das Kennenlernen aber dann doch nicht. „Ein Kollege hat drei Frauen besorgt. Zum Tanzen“, sagt der Wiesmoorer. Und in dieser Gruppe fuhren sie dann oft zusammen mit den Bus nach Duisdorf runter und tanzten und feierten. „Und wie das so ist beim Tanzen“, sagt Gerda Köster, habe es dann gefunkt.

Auf dem Venusberg in Bonn wohnte damals die Prominenz Deutschlands, erzählen die Kösters. So soll auch der damalige Wirtschaftsminister, Ludwig Erhard, der als Schöpfer des Wirtschaftswunders gilt, dort gewohnt haben. „Wenn wir abends spazieren gegangen sind, da konnten wir sehen, was er macht“, sagt die gebürtige Bonnerin. Er habe wohl oft vor seinem Blumenfenster in einem Sessel gesessen und Zigarre geraucht.

Hochzeit in Ostfriesland

Am 14. Dezember 1953, dem 23. Geburtstag von Werner Köster, zogen die beiden auf dem Motorrad von Bonn nach Wiesmoor. Seine Sachen schickte das Paar damals zuvor mit der Post nach Ostfriesland. Es war sehr kalt, schneite. Sie steckten sich Zeitungen zum Wärmen in die Hose und hatten ein Kissen zwischen ihnen, das sie wärmte. „Das Motorrad haben wir verkauft und dafür rote Steine für unser Haus gekauft“, erzählt Gerda Köster. „Das Motorrad war eine Horex – etwas Besonderes damals“, sagt ihr Mann.

Die Kösters bei ihrer Hochzeit vor genau 70 Jahren, am 30. Dezember 1953. Rechts und links stehen jeweils ihre Eltern. Repro: Cordes
Die Kösters bei ihrer Hochzeit vor genau 70 Jahren, am 30. Dezember 1953. Rechts und links stehen jeweils ihre Eltern. Repro: Cordes

Die beiden heirateten nur kurz nach dem Umzug, am 30. Dezember 1953, also vor genau 70 Jahren. An einem doofen Tag, wie die 91-Jährige findet. Aber ihre Familie aus Bonn sollte dabei sein und anders habe es sich nicht planen lassen. In Ostfriesland war es zunächst nicht einfach für Gerda Köster, „erst mit so vielen Leuten zusammen zu sein und dann hier ganz allein“. Die Jubilarin war es nämlich gewohnt, von ihren 13 Geschwistern umgeben zu sein. „Ich habe dann sogar gelernt, Socken zu stricken“, erzählt sie, „weil die Maurer nur weiße Socken anziehen.“ Die Wohnung der Kösters war auch sehr klein, ein Wohnzimmer und ein kleines Schlafzimmer im Dachgeschoss. „Aber das geht alles“, sagt die 91-Jährige.

Der Tipp der Jubilare

Wie man es so lange miteinander aushält? „Man muss sich gegenseitig anpassen“, sagt Werner Köster. „Manches muss man dann einstecken“, fügt Gerda Köster hinzu. Sie musste zum Beispiel Bonn hinter sich lassen. „Da gehöre ich nicht mehr hin“, sagt sie. Inzwischen käme sie dort auch nicht mehr zurecht. Alles habe sich verändert. „Früher sind wir jedes Jahr für zwei Wochen ins Rheinland gedüst“, erzählt Tochter Andrea Hedemann. Das letzte Mal waren sie bei der Flutkatastrophe an der Ahr dort. Eigentlich für die Beerdigung ihrer Tante, die wurde dann aber abgesagt.

Aus ihrer Ehe entstanden drei Kinder, zwei Töchter und ein Sohn. „Aber umso mehr Enkel und Urenkel“, sagt Gerda Köster – und ist sichtlich stolz. Sieben Enkel und neun Urenkel haben die Kösters. Der älteste Urenkel ist bereits 23, die jüngste erst vier Monate. Ihren Hochzeitstag feiern die Kösters in diesem Jahr klein. Klein bedeutet innerhalb der Familie. Da kommen dann doch schon 40 Leute zusammen – auch Gerda Kösters Bruder und Schwager aus dem Rheinland kommen zu Besuch. Sie gehen zusammen essen. Ihre früheren Jubiläen haben sie immer groß gefeiert. In diesem Jahr ist die Stimmung getrübt: Ihre Schwiegertochter ist Ende November mit nur 54 Jahren an Krebs gestorben.

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