Auffangstation im Keller So wird eine Emder Schule zur Zuflucht für Fledermäuse

Wigo Pallesen und Mona Hanssen
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Von Wigo Pallesen und Mona Hanssen
| 29.01.2024 09:53 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 5 Minuten
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Schüler Wigo Pallesen hält eine Fledermaus fest, die derzeit noch in Theodor Poppens Wohnzimmer aufgepäppelt wird. Foto: Ortgies
Schüler Wigo Pallesen hält eine Fledermaus fest, die derzeit noch in Theodor Poppens Wohnzimmer aufgepäppelt wird. Foto: Ortgies
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Viele Fledermaus-Arten sind in ihrem Bestand bedroht. An der Integrierten Gesamtschule (IGS) in Emden will man gegensteuern. Im Schulkeller entsteht eine besondere Auffangstation.

Emden – Bald könnten Fledermäuse von der Kellerdecke der Integrierten Gesamtschule (IGS) Emden hängen. Denn Theodor Poppen aus Südbrookmerland und die Schule sind gerade dabei, im Keller das zweite Fledermausschutzzentrum in Niedersachsen zu bauen. Poppen ist Fledermaus-Regionalbetreuer für den Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) in Ostfriesland. Er kümmert sich in der Stadt Emden und den drei ostfriesischen Landkreisen ehrenamtlich um die Beratung von Privatperson und Behörden. Außerdem versorgt er kranke oder verletzte Tiere.

Theodor Poppen ist Fledermaus-Regionalbetreuer in Ostfriesland. Hier hält er ein Abendsegler-Weibchen. Foto: Ortgies
Theodor Poppen ist Fledermaus-Regionalbetreuer in Ostfriesland. Hier hält er ein Abendsegler-Weibchen. Foto: Ortgies

Im vergangenen Jahr hat Poppen insgesamt 74 Fledermäuse bei sich zuhause aufgenommen und gepflegt, bis sie wieder fit für die Natur waren. Das Problem: Sein Wohnzimmer ist nicht groß genug, damit die Fledermäuse im Heilungsprozess richtig fliegen können.

Kontakt und Vortrag

Der Fledermaus-Regionalbetreuer für Ostfriesland, Theodor Poppen, ist telefonisch erreichbar unter Telefon 04942/2022174 und mobil unter 0174/6810620. Wer eine verletzte Fledermaus findet, kann sich an ihn wenden.

Am 28. Februar, ab 19 Uhr, hält Theodor Poppen einen Vortrag in der Volkshochschule (VHS) in Emden zum Thema Fledermäuse und zur neuen Auffangstation. Interessierte sind willkommen.

IGS Keller wird zur Auffangstation

Die Lösung hat er im Schulkeller der IGS Emden gefunden. Hier haben die Fledermäuse genug Platz, um ausgiebig zu fliegen. Poppen baut schon seit Anfang Oktober 2023 an dem neuen Schutzzentrum. Dieses besteht aus zwei Räumen: Der erste Raum ist Eingang, Büro und Quarantänezone gleichzeitig. Hier befinden sich die Tiere die ersten Tage nach ihrem Eintreffen.

Theodor Poppen darf im Schulkeller der Integrierten Gesamtschule (IGS) in Emden eine Krankenstation für verletzte und gefundene Fledermäuse einrichten. Foto: Ortgies
Theodor Poppen darf im Schulkeller der Integrierten Gesamtschule (IGS) in Emden eine Krankenstation für verletzte und gefundene Fledermäuse einrichten. Foto: Ortgies

Später kommen sie dann in eine der drei Volieren im zweiten Raum. Die Volieren bestehen aus einem Holzgestell und Maschendrahtzäunen, damit Tiere nicht entwischen können. Bis zu 100 Fledermäuse könnten in Hochzeiten in die Auffangstation passen, sagt Poppen. An den Wänden werden später noch künstliche Baumhöhlen und künstliche Felsspalten angebracht. So hat jedes Tier seinen eigenen Schlafplatz. Wenn sich zwei von ihnen streiten, können sie sich weiträumig aus dem Weg fliegen, so der Fledermausexperte.

Das Gebäude der Integrierten Gesamtschule (IGS) in Emden ist größtenteils unterkellert. Hier ist also viel Platz für verletzte Fledermäuse. Foto: Pallesen
Das Gebäude der Integrierten Gesamtschule (IGS) in Emden ist größtenteils unterkellert. Hier ist also viel Platz für verletzte Fledermäuse. Foto: Pallesen

Bedürfnisse der Fledermäuse

Die Fledermäuse werden 24 Stunden am Tag überwacht und von einer ausgebildeten Tierärztin behandelt. Es fallen viele Aufgaben an, sagt Poppen. Jeden Tag brauchen die Fledermäuse neues Futter und die Volieren müssen gereinigt werden. In der Nacht werden die Tiere von einer Nachtsichtkamera gefilmt. Die Videos dienen zur Analyse und können später auf der IGS-Homepage eingesehen werden.

Eine Zwergfledermaus wird gerade aufgepäppelt, bevor sie wieder in die Freiheit entlassen wird. Foto: Ortgies
Eine Zwergfledermaus wird gerade aufgepäppelt, bevor sie wieder in die Freiheit entlassen wird. Foto: Ortgies

Die Baukosten des Schutzzentrums belaufen sich auf 5000 bis 6000 Euro, sagt Poppen. Auf die Frage, wer das Schutzzentrum finanziert, antwortet Poppen: „Ich selber. Das ist mein Hobby. Andere kaufen sich für 15.000 Euro ein Motorrad, aber fahren damit nur dreimal im Jahr. Ich setze mich aktiv für den Fledermausschutz ein“. Weiterhin sucht Poppen auch nach Sponsoren für sein Projekt.

In Boxen können die Fledermäuse sich zurückziehen. Foto: Ortgies
In Boxen können die Fledermäuse sich zurückziehen. Foto: Ortgies

Außerschulischer Lernort der IGS

An der IGS Emden ist Regionalbetreuer Poppen immer wieder auf Interesse gestoßen, berichtet er. Viele Schülerinnen und Schüler seien an dem Thema Fledermäuse sehr interessiert. In den vergangenen Wochen sei er öfters mit der Lehrerin Katharina Killmann, die die Umweltgruppe der IGS Emden leitet, im Unterricht gewesen. Hier habe er sehr viele spannende Fragen zum Thema Fledermäuse gestellt bekommen.

Theodor Poppen hilft verletzten Fledermäusen. In seinem Wohnzimmer ist aber nicht genug Platz für Flugversuche, im Keller der Integrierten Gesamtschule (IGS) in Emden schon. Foto: Pallesen
Theodor Poppen hilft verletzten Fledermäusen. In seinem Wohnzimmer ist aber nicht genug Platz für Flugversuche, im Keller der Integrierten Gesamtschule (IGS) in Emden schon. Foto: Pallesen

Er betont außerdem, dass das Schutzzentrum als außerschulischer Lernort angesehen werden könne. An den Fledermäusen ließen sich viele verschiedene Themen erklären, zum Beispiel im Biologieunterricht das Thema Evolution. Ständige Besuche der Schülerinnen und Schüler bei den Tieren werde es aber nicht geben. Die Fledermäuse bräuchten hauptsächlich ihre Ruhe. Der Kontakt zu vielen Menschen sei sehr stressig.

Ab Mitte Februar soll die Station bezugsfertig sein

Ab etwa Mitte Februar soll die Auffangstation im Schulkeller bezugsfertig sein. Für ein Foto dieser Zeitung hatte er aktuell zwei Fledermäuse - ein großes Abendsegler-Weibchen und ein Zwergfledermaus-Weibchen - mitgebracht, die er noch in seinem Wohnzimmer aufpäppelt. Zu Theodor Poppen werden Fledermäuse aus ganz Ostfriesland gebracht, die von Leute verletzt oder verwirrt aufgegriffen werden. Er schildert, dass Tiere beispielsweise bei Bauarbeiten entdeckt oder verletzt werden.

Die Volieren sind besonders ausbruchssicher gebaut. Die verletzten Fledermäuse sollen in Ruhe heilen und nicht entschwinden. Foto: Pallesen
Die Volieren sind besonders ausbruchssicher gebaut. Die verletzten Fledermäuse sollen in Ruhe heilen und nicht entschwinden. Foto: Pallesen

Ein bei Bauarbeiten schwer verletztes Tier musste vor kurzem eingeschläfert werden. Ansonsten würden häufig Fledermäuse mit Flügelbrüchen bei ihm abgeben. Die Tiere hielten sich gerade im Winter häufig in Brennholzstapeln auf. Wird Brennholz herausgezogen und Stücke fallen auf die empfindlichen Flügel, brechen die dünnen Knochen schnell. Wenn Gelenke nicht verletzt sind, besteht eine Heilungschance. Auch würden sie etwa vom Sturm aus dem Winterschlaf gerissen und flatterten dann schutzsuchend umher. Ein Tier war vor kurzem in einem Büro aufgetaucht. Es war wohl durch ein Kippfenster eingeflogen.

Die meisten Fledermaus-Arten sind bedroht

Eine Fledermaus in freier Wildbahn zu entdecken, ist gar nicht mehr so einfach. „Es gibt einfach nicht mehr viele“, sagt Theodor Poppen. Insbesondere der Nahrungsmangel, also das Insektensterben, bedroht die Tiere, aber auch fehlende Lebensräume. Die Fledermäuse zählen zu den am stärksten gefährdeten Tiergruppen.

In Niedersachsen gibt es laut dem Naturschutzbund Nabu 19 heimische Fledermausarten. Sie tragen Namen wie Kleiner Abendsegler, Braunes Langohr oder Zwergfledermaus. Weit verbreitet in Niedersachsen ist das Braune Langohr, diese Fledermausart komme praktisch überall in Niedersachsen vor.

In Niedersachsen gibt es 19 heimische Fledermausarten. Das Graue Langohr (Foto) ist eine davon. Foto: Dietmar Nill/Nabu
In Niedersachsen gibt es 19 heimische Fledermausarten. Das Graue Langohr (Foto) ist eine davon. Foto: Dietmar Nill/Nabu

Um genauer zu wissen, welche Art wo vorkommt, hat der Nabu eine Internet-Plattform geschaffen, auf der Sichtungen gemeldet werden können. In die „BatMap“, also Fledermaus-Karte, wurden bereits mehr als 180.000 Daten eingetragen. Ein großer Teil der 19 Arten ist nach der Roten Liste gefährdet oder sogar vom Aussterben bedroht, heißt es vom .

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