Auricher Ratsherr auf der Palme Kommen vor lauter Fahrrad die Autofahrer zu kurz?

| | 02.02.2024 16:08 Uhr | 2 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
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Dieses Schild am Hoheberger Weg bedeutet, dass Radfahrer auf der Straße fahren dürfen, aber nicht müssen. Foto: Archiv/Banik
Dieses Schild am Hoheberger Weg bedeutet, dass Radfahrer auf der Straße fahren dürfen, aber nicht müssen. Foto: Archiv/Banik
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Fahrradstraßen, Fahrradzonen und jetzt sollen auch noch an immer mehr Stellen in Aurich Radfahrer auf der Straße fahren: Das geht zu weit, findet ein Ratsherr. Doch das Gesetz sagt etwas anderes.

Aurich - Kommen in Aurich vor lauter Radverkehr die Autofahrer zu kurz? Diesen Eindruck hat der Ratsherr Richard Rokicki von der Auricher Wählergemeinschaft (AWG). Ihm platzte am Donnerstagabend in der Sitzung des Verkehrsausschusses der Kragen. Es ging um die Frage, ob Radfahrer auf der Straße fahren dürfen. Bereits seit dem 1. September 1997 sieht die Straßenverkehrsordnung das Radfahren auf der Fahrbahn als Regelfall vor und lässt es nur ausnahmsweise zu, Radwege mit dem blauen Radwegeschild als benutzungspflichtig zu kennzeichnen. Darauf weist der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) hin.

Die Stadt Aurich sei in einigen Fällen schon verklagt worden, berichtete Ordnungsamtsleiter Helmut Lücht dem Ausschuss. Nach und nach hebe die Stadt nun – wie vom Gesetzgeber vorgesehen – in den meisten Straßen die Benutzungspflicht für kombinierte Fuß- und Radwege auf. Das heißt: Radfahrer dürfen auf der Straße fahren, wenn sie wollen. Das gilt auch für Hauptverkehrsstraßen wie die Egelser Straße, die Wallinghausener Straße und den Hoheberger Weg. Nur auf dem Innenstadtring bleibt die Fahrbahn für Radler tabu.

„Niemand redet über Autofahrer“

Rokicki konnte es nicht fassen. „Man redet hier nur über Radfahrer“, schimpfte er. „Niemand redet über Autofahrer.“ Er frage sich, ob man die Hauptverkehrsadern der Stadt nun „auch noch entschleunigen“ wolle. „Leute, die Stadt muss irgendwie auch existieren. Hier gibt es Bevölkerung, die tagtäglich zur Arbeit fahren oder die Kinder zur Schule bringen muss. Irgendwo muss man die Kirche im Dorf lassen.“ Dank guter Gene habe er noch nicht viele graue Haare, sagte der 61-Jährige. „Aber ich schätze, in nächster Zeit habt ihr mich so weit, dass ich wie eine weiße Taube hier sitze.“ Man könne nicht alles für die Fahrradfahrer fordern.

Noch hat Richard Rokicki keine grauen Haare, aber vielleicht bald. Foto: Archiv/Böhmer
Noch hat Richard Rokicki keine grauen Haare, aber vielleicht bald. Foto: Archiv/Böhmer

Probleme mit diesem Thema gebe es eigentlich nur am Hoheberger Weg, sagte Lücht. Ansonsten verlaufe die Aufhebung der Benutzungspflicht völlig geräuschlos. Die meisten Radfahrer benutzten weiterhin die kombinierten Fuß- und Radwege. Dass dort Rücksicht auf Fußgänger genommen werden müsse, sei auch nichts Neues. Der Hoheberger Weg war zuletzt in die Schlagzeilen geraten, weil der ADFC dort um die Sicherheit von Radfahrern fürchtet. Sie müssten durch ein Tempolimit für Autofahrer, ein Überholverbot und Bodenschwellen geschützt werden, fordert der Lobbyverband.

Weitere Fahrradstraßen geplant

Die Stadt prüft nach Angaben Lüchts für alle betroffenen Straßen, nicht nur den Hoheberger Weg, wie die Sicherheit für Radfahrer durch flankierende Maßnahmen erhöht werden kann. Schutzstreifen kämen am Hoheberger Weg nicht infrage, da er zu schmal sei. Weitere Möglichkeiten seien zum Beispiel Tempo 30 und/oder Fahrrad-Piktogramme auf der Straße.

Der Grüne Weg war die erste Fahrradstraße in Aurich. Foto: Archiv/Ortgies
Der Grüne Weg war die erste Fahrradstraße in Aurich. Foto: Archiv/Ortgies

Unterdessen plant die Stadt Aurich die Einrichtung weiterer Fahrradstraßen. Als erste Fahrradstraße wurde 2019 der Grüne Weg eingerichtet. Mittlerweile gibt es weitere Fahrradstraßen in der Altstadt rund um den Marktplatz, in der Bahnhofstraße und im Extumer Weg. In Fahrradstraßen haben Radfahrer mehr Rechte. Sie dürfen zum Beispiel nebeneinander fahren. Kraftfahrer müssen sich dem Radverkehr unterordnen. Sie sind quasi nur Gast. Die Stadt sei dabei, Strategien für neue Fahrradstraßen in Aurich zu entwickeln, sagte Lücht. „Selbstverständlich nehmen wir auch gern Anregungen an.“

„Fahrradfahrer halten sich nicht an Regeln“

Der Ratsherr Arno Fecht (FDP) hat Bedenken gegen die Einrichtung weiterer Fahrradstraßen: „Wir finden die Entwicklung, dass das Fahrrad immer wichtiger wird, sehr positiv“, schickte er voraus. „Man muss aber auch feststellen, dass es mit dem Fahrrad Probleme gibt. Fahrradfahrer halten sich manchmal leider nicht an die Regeln, und das liegt natürlich auch daran, dass sie sehr anonym unterwegs sind.“ Da werde schnell noch bei Rot die Ampel passiert, und das werde fast nie geahndet.

Er könne kein Kennzeichen für Fahrräder fordern, räumte Fecht ein, aber: „Das sollten wir berücksichtigen, wenn wir über die einzelnen Fahrradstraßen sprechen.“ Die Rädchen müssten langsam und vorsichtig gedreht werden. Man müsse bei jeder Straße genau überlegen, ob die Umwandlung in eine Fahrradstraße sinnvoll sei. Veränderungen am Ostfriesland-Wanderweg beispielsweise (dort haben Radfahrer an einigen Übergängen Vorrang) kämen nicht überall gut an, so der FDP-Mann.

Der städtische Radverkehrsbeauftragte Frank Patschke lobte die neu eingerichtete Fahrradzone in der Innenstadt: „Das zeigt, dass die Bedeutung des Fahrradverkehrs zunimmt.“ In den betroffenen Straßen gebe es ohnehin wenig Autoverkehr. Zu Konflikten zwischen Auto- und Radfahrern komme es kaum. Weitere Fahrradstraßen seien wünschenswert.

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