Neue Ausstellung in Emden Vom Bettelbrief zur Schenkung – Emder Kunsthalle ehrt Otto van de Loo

| 12.02.2024 15:02 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 5 Minuten
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Unter anderem Werke des Künstlers Asger Jorn sind in der Ausstellung „Bilder wie Energiemaschinen. Otto van de Loo zum Hundertsten“ in der Kunsthalle Emden zu sehen. Foto: Schuldt/dpa
Unter anderem Werke des Künstlers Asger Jorn sind in der Ausstellung „Bilder wie Energiemaschinen. Otto van de Loo zum Hundertsten“ in der Kunsthalle Emden zu sehen. Foto: Schuldt/dpa
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Der Galerist Otto van de Loo ist neben Eske und Henri Nannen der dritte Stifter der Emder Kunsthalle. So kam es dazu.

Emden / DPA - Es war wohl ein Bettelbrief Henri Nannens, der den entscheidenden Anstoß für die bedeutendste Schenkung und die große Erweiterung der Emder Kunsthalle gab. Den Brief richtete Nannen 1995 an den Münchener Galeristen und Kunstsammler Otto van de Loo.

„Wenn Sie uns gelegentlich mit einem Bild helfen könnten, um unsere Sammlung sinnvoll zu ergänzen, wäre Ihnen unser Dank sicher“, schrieb der frühere „Stern“-Chefredakteur, der zusammen mit seiner Frau Eske 1986 die Kunsthalle in Emden gegründet hatte. Nannen fügte noch hinzu: „Nehmen Sie mir den Bettelbrief nicht übel und tun Sie ihn in den Papierkorb, wenn Ihnen danach ist.“

Was sagt der Titel?

Dem Galeristen und Kunstsammler van de Loo war offensichtlich nicht danach. Denn schon 1997 wurde der Kunstliebhaber mit einer Schenkung von rund 200 Werken neben den Nannens der dritte große Stifter der Emder Kunsthalle. Am 9. März 2024 wäre van de Loo 100 Jahre alt geworden. Er starb 2015. Ihm zu Ehren zeigt das Museum nun bis zum 12. Mai eine Ausstellung, die sich dem Galeristen, seinem Schaffen und seiner Schenkung widmet. „Bilder wie Energiemaschinen“ lautet der Titel in Anlehnung an die oft farbstarken, abstrakten Bilder in expressivem Stil.

Am Sonnabend wurde die Ausstellung eröffnet, in der auch Werke von Hans Platschek gezeigt werden. Das Foto entstand, als die Bilder aufgehängt wurden. Foto: Schuldt/dpa
Am Sonnabend wurde die Ausstellung eröffnet, in der auch Werke von Hans Platschek gezeigt werden. Das Foto entstand, als die Bilder aufgehängt wurden. Foto: Schuldt/dpa

Daneben zeigt die Kunsthalle zudem eine große Sammlungspräsentation rund um den Expressionismus – von den Anfängen über die Diffamierung durch die Nationalsozialisten bis zur Rehabilitierung.

Austausch mit den Künstlern

Die Schenkung umfasste Werke von Künstlern der informellen Malerei sowie der Gruppen „Spur“ und „Cobra“, die nun auch in der Schau zu sehen sind – darunter etwa der dänische Avantgardist Asger Jorn (1914-1973). Er zählte zu der Gruppe „Cobra“. So nannten sich – zusammengesetzt aus den Anfangsbuchstaben ihrer Hauptstädte Copenhagen (englische Schreibweise), Brüssel und Amsterdam – junge Künstler, die 1945 stürmisch malend das Ende des Krieges feierten. Van de Loo widmete Jorn zahlreiche Ausstellungen und war eng mit ihm befreundet.

„Van de Loo hatte sich stets mit seinen Künstlern ausgetauscht und das sehr genossen“, sagt die Kuratorin der Ausstellung, Kristin Schrader. Neben den Werken sind daher auch Korrespondenzen und Momentaufnahmen in der Ausstellung zu entdecken, anhand derer die intensive Beziehung zwischen Sammler und Künstlern nachempfindbar werden soll.

Impuls für die Kunsthalle

Daneben will die Schau auch bei einer Schieflage im Proporz von Künstlerinnen und Künstlern in Ausstellungen und Sammlungen nachjustieren. Denn van de Loo habe nur wenige weibliche Positionen in seinem Galerieprogramm gehabt, sagt Schrader. Dies sei auch Ausdruck des typischen Proporzes in dieser Zeit im Kunsthandel gewesen. In der Ausstellung sind daher explizit auch Werke etwa der Künstlerinnen Anja Decker (1908-1995) und E. R. Nele (geboren 1932) zu entdecken, die van de Loo nur wenige Male ausstellte.

Für die Kunsthalle sei van de Loos Schenkung von großer Bedeutung und ein wichtiger Impuls gewesen, sagt die wissenschaftliche Direktorin und Vorständin der Kunsthalle, Lisa Felicitas Mattheis. Denn seine Bilder mit dem Schwerpunkt auf dem deutschen Expressionismus nach 1945 erweiterten und ergänzten die Nannen-Sammlung der klassischen Moderne und der zeitgenössischen Kunst.

Was die Nannens und van de Loo verband

Dabei hätte es auch ganz anders kommen können. 55 seiner Bilder überließ der Galerist 1992 bereits der Berliner Nationalgalerie. Dass weitaus mehr Bilder des Galeristen einmal nach Ostfriesland kommen könnten, war zunächst alles andere als absehbar. Eske und Henri Nannen hatten van de Loo Anfang der 1990er in München kennengelernt. Dort hatte der in Witten im Ruhrgebiet geborene Mäzen 1957 seine Galerie für avantgardistische Kunst eröffnet. In der Villa Stuck sahen die Nannens seine Ausstellung „Am Anfang war das Bild“. „Die beiden waren vollkommen begeistert“, sagt Mattheis. So sehr, dass Henri und Eske Nannen die Schau auch nach Emden in die Kunsthalle holten.

Öffnungszeiten

Die van-de-Loo-Ausstellung in der Emder Kunsthalle ist bis zum 12. Mai 2024 zu sehen. Die Sammlungspräsentation „Expressionismus – unverstanden, angegriffen, gefeiert“ ist bis Ende 2024 geöffnet. Die Öffnungszeiten der Kunsthalle: dienstags, mittwochs, donnerstags und freitags von 10 bis 17 Uhr, sonnabends, sonntags und an Feiertagen von 11 bis 17 Uhr.

Es gebe einige Parallelen, die das Ehepaar Nannen und Otto van de Loo verbinden, sagt Mattheis. Wie Henri Nannen studierte Otto van de Loo einige Semester Kunstgeschichte. Beide seien leidenschaftliche Kunstliebhaber gewesen. „Kunst war für sie Leben.“ Und auch die Idee, Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit zu geben, künstlerisch aktiv zu werden, verfolgten die Nannens ebenso wie der Galerist.

Erweiterung als Bedingung

Als sich van de Loo Gedanken um den Verbleib seiner Werke machte, waren Städte wie München, Nürnberg oder Berlin im Gespräch. Öffentlich sichtbar sollten die gesammelten Bilder sein. Die Teilhabe an Kunst sei van de Loo wichtig gewesen, sagt Kuratorin Schrader. Henri Nannen schrieb den bekannten Bettelbrief und fädelte so noch vor seinem Tod (1996) ein, die große Schenkung nach Ostfriesland zu holen. Van de Loo willigte 1997 unter der Bedingung ein, dass die Kunsthalle für die angemessene Unterbringung seiner Bilder erweitert wurde.

Der Kurzfilm „So ein Ding muss ich auch haben“ von Mitgliedern der Situationistischen Internationale wird in der Ausstellung „Bilder wie Energiemaschinen. Otto van de Loo zum Hundertsten“ in der Kunsthalle Emden gezeigt. Foto: Schuldt/dpa
Der Kurzfilm „So ein Ding muss ich auch haben“ von Mitgliedern der Situationistischen Internationale wird in der Ausstellung „Bilder wie Energiemaschinen. Otto van de Loo zum Hundertsten“ in der Kunsthalle Emden gezeigt. Foto: Schuldt/dpa

Am 3. Oktober 2000 eröffnete der damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder die erweiterte Kunsthalle. Van de Loo sagte später in einem Interview der Kunsthalle, Emden scheine zwar weit weg von der großen Kunstwelt, dennoch sei die Stadt „ein hervorragender Ort“ für seine Bilder. „Diese Entscheidung würde ich wieder treffen. Ich würde also immer wieder sagen: Emden!“

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