Stadtrat auf Norderney Ihre Politik soll die Norderneyer glücklicher machen
Karriere machen, ohne Norderney zu verlassen? Vera Katarzyna Heckelmann (22) zeigt, dass das geht. Mit 19 Jahren wurde sie in den Stadtrat gewählt. Ihr Studium absolviert sie an einer Fernuni.
Norderney - Mit 16 war sie Deutsche Meisterin im Vielseitigkeitsreiten. Mit 19 machte sie ihr Abitur und wurde in den Stadtrat von Norderney gewählt. Nächstes Jahr schließt sie ihr Politologie- und Soziologie-Studium ab. Ihr kleines Eiland hat Vera Katarzyna Heckelmann dafür nicht verlassen. „Ich kann mir keinen anderen Ort vorstellen, an dem ich leben möchte“, sagt die Norderneyerin, die inzwischen 22 Jahre alt ist.
Durchstrukturierter Tagesablauf
Am besten zu erreichen ist sie ganz früh morgens bei ihren Pferden. Auch ihr altes, inzwischen in Rente gegangenes Gewinner-Pferd, ebenfalls 22, grast dort mit seinem Fohlen. „Ich könnte ihnen stundenlang zusehen“, sagt Vera Heckelmann.
Aber dann ruft die Pflicht: jeden Tag ein, zwei Stunden etwas für die Fernuni tun, drei Stunden am Tag als Aushilfe in einer Mutter-Kind-Einrichtung arbeiten, nebenbei als freie Journalistin Essays zu soziologischen Themen schreiben und sich dann als Kommunalpolitikerin um die Belange ihrer Insel kümmern. „Ich möchte, dass die Norderneyer glücklicher werden“, sagt sie.
Eine Herausforderung sei der Massentourismus – und das gleich auf mehreren Ebenen. „Wenn ich mich im Sommer mal in die Innenstadt traue, dann frage ich mich, wie das noch ein schöner Urlaub sein kann, wenn man sich so aneinander vorbei quetschen muss“, sagt sie. Aber man könne sich ja schlecht an die Fähre stellen und ab dem 50.000 Besucher am Tag keinen mehr auf die Insel lassen. Und die Leute würden Groß-Events, wie das White-Sand- und das Summertime-Festival offenbar genießen.
Zahl der Urlauber mit Auto herunterfahren
Generell sei es wünschenswert, die Anzahl der Menschen auf der Insel zu verringern „obwohl Wirtschaftler sich sicher dagegen aussprechen würden“. Die Insulaner hätten große Probleme, für sich und ihre Mitarbeiter Wohnungen zu finden. Alles sei an Feriengäste verkauft oder vermietet. Darum setzt sie sich als Kommunalpolitikerin für Wohnungsbau für den Eigenbedarf ein.
Außerdem arbeitet sie im Stadtrat Norderney gerade an einem neuen Verkehrskonzept mit. Autofahrer, Fußgänger, Radfahrer: in der Menge allen gerecht zu werden, sei schwierig. Ein Leitsystem bringe aber nicht viel, meint die junge Frau mit den langen, dunklen Haaren, die für die SPD im Stadtrat sitzt. „Besser wäre es, das Verkehrsaufkommen zu verringern und die Menschen zu ermutigen, ohne Auto und lieber mit Bahn und Rad anzureisen“, sagt sie.
Wunsch nach Windrad bislang abgelehnt
Und überhaupt das Klima: Auch dafür ist die 22-Jährige, die seit drei Jahren unter anderem Mitglied im Umweltausschuss ist, angetreten. „Bei all dem Wind hier würde der Bau einer einzigen Windkraftanlage ausreichen, um ganz Norderney mit Strom zu versorgen. Aber dafür haben wir bislang keine Genehmigung bekommen“, berichtet sie.
Andererseits würden auf der Insel, die Teil des Nationalparks Wattenmeer ist, Bauvorhaben genehmigt und umgesetzt, die ihr die Tränen in die Augen treiben. Vera Heckelmann deutet auf die „Kiesplantage“, wie sie das rund 4000 Quadratmeter große Baustellengelände in der Nähe des Leuchtturms bezeichnet. Von dort aus unterquert das Unternehmen Amprion die Insel auf einer Länge von 1100 Metern in Richtung Nordstrand für seine Offshore-Projekte.
Offshore-Projekte zerstören viel Natur
Für diese Genehmigung war eine andere Behörde, der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN), zuständig. „Auf Norderney wurde schon so viel Natur zerstört. Viele Insulaner verstehen nicht, wie man so etwas erlauben kann“, sagt Vera Heckelmann. Selbstredend sei sie für grüne Energie. „Was mir nicht behagt, ist, dass es keine klaren Aussagen über Renaturierungen gibt. Die 22-Jährige befürchtet zudem, dass die Süßwasserlinse unter der Insel, die die Norderneyer mit Trinkwasser versorgt, durch die Bohrungen beschädigt werden könnte. „Was mir fehlt, sind Transparenz und Ehrlichkeit“, so die junge Stadträtin.
Wenn einer die Natur auf Norderney kennt, dann ist es Vera Heckelmann. Wenn sie nicht auf einem ihrer Pferde – „ich habe mir letztes Jahr ein eigenes gekauft, seitdem habe ich kein Geld mehr“, scherzt sie – durch den wilden Osten von Norderney reitet, dann fährt sie Rennrad oder geht an den Strand.
Doch nicht nur das Eiland selbst ist ein Grund für Vera Heckelmann, ihre Heimat nicht zu verlassen. „80 Prozent aller Menschen, mit denen ich verwandt oder befreundet bin, leben hier. Darum möchte ich auf der Insel bleiben“, sagt die Tochter einer Ur-Norderneyerin und eines polnischen Vaters, der mit 18 Jahren nach Deutschland kam und sich auf Norderney beheimatete.
Stadträtin will sich wiederwählen lassen
Vera Heckelmann wird auf der Insel bleiben. Auch nach dem Abschluss ihres Studiums. Zwar könnte sie dann auch aus dem Homeoffice als politische Beraterin tätig sein. „Aber ich will lieber in Präsenz arbeiten“, sagt sie. Ihr Plan: Als Quereinsteigerin möchte sie Lehrerin an der KGS Norderney werden.
Auch im Stadtrat will sie bleiben. „Die Prozesse in der Kommunalpolitik sind zäher, als ich anfangs geglaubt habe. Da reichen fünf Jahre nicht.“ Nach Abschluss dieser Legislaturperiode will sie sich wiederwählen lassen. Und daran mitwirken, die Norderneyer glücklicher zu machen.