Führung in Krisenzeiten Zuerst die schlechten Nachrichten


Mitarbeiter müssen wissen, wo das Unternehmen steht und was von ihnen erwartet wird. Unser Kolumnist Michael Wefers hat eine Art Zeitplan erstellt, wie man in Zeiten großer Umbrüche kommuniziert.
Die Bedeutung von Kommunikation ist entschieden höher als bislang angenommen. Aus der Gehirnforschung wissen wir, wie hochsensible Menschen – bewusst oder unbewusst – in Kommunikationssituationen reagieren: Unser Gehirn braucht nur eine 3/1000 Sekunde, nimmt ca. 40.000 Reize wahr und bewertet dann die gehörte Information emotional. Schon das Eisbergmodell zeigt uns: Jedes Wort und jedes Verhalten steuert die Emotionen im „Bauch“ der Menschen.
Krisenkommunikation ist ein vernachlässigter Erfolgsfaktor in vielen Veränderungsprozessen. Die richtige Kommunikation kann den Prozess entscheidend beeinflussen – und ebenso die falsche. Für die Krisenkommunikation in Veränderungsprozessen gibt es bestimmte Regeln, die jedes Unternehmen befolgen sollte, um aus dieser Phase erfolgreich hervorzugehen. Und behalten Sie diese These beim Lesen gern mal im Hinterkopf: Die Regeln der Krisenkommunikation eines Unternehmens an die Mitarbeiter lassen sich in weiten Teilen auf die Regeln der Krisenkommunikation durch Politiker eines Landes an die Bürger übertragen. Es war jüngst bezeichnend, dass über die Verwendung des Begriffs „Hofnarr“ länger und breiter diskutiert worden ist als über die Konsequenzen nach der Mitteilung der Amerikaner, Europa müsse sich in Zukunft selbst verteidigen.
Durch eine gekonnte Kommunikation, die den Krisenprozess begleitet, können alle Beteiligten motiviert werden. Diese Art der Kommunikation ist mehr als das bloße Bereitstellen von Informationen. Sie berücksichtigt immer auch die emotionale Ebene des Mitarbeiters.
Schlechte Nachrichten zuerst! Bad news first!
Befindet sich ein Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten, sollte die geschäftliche Situation einer offenen – von einigen dann empfunden als schonungslosen – Analyse unterzogen und die Probleme auf den Punkt gebracht werden. Mitarbeiter müssen wissen, wo das Unternehmen steht und was von ihnen zukünftig erwartet wird.
Der Ansatz, bereits am Anfang klare gegenseitige Erwartungen zu schaffen, ist dringend zu empfehlen. Es gilt, den Mitarbeitern in Leitsätzen zu den Themen Führung und Zusammenarbeit zu erörtern, „was wir von ihnen als Mitarbeiter erwarten und was sie von uns als Management erwarten dürfen“. Das genau ist es, was in solch einer Anfangsphase gesagt werden sollte.
Glaubwürdigkeit entsteht, wenn Reden und Handeln übereinstimmen. Werden hingegen Wunschwelten durch Halbwahrheiten konstruiert, ist das schlicht unglaubwürdig. Auch die Sprache sollte entsprechend realistisch sein.
Wer sich nicht traut, unbequeme Wahrheiten zu kommunizieren, macht den Weg frei für Gerüchte. Die Stimmen der Widerständler fallen dann natürlich auf fruchtbaren Boden. Nur mit einer sehr transparenten Kommunikation zur Situation, zu den anstehenden Meilensteinen und „Opfern“, die jeder erbringen muss, sowie dem Nutzen, den alle Mitarbeiter daraus ziehen, kann man Widerstände frühzeitig eindämmen und zerstörerischen Energien die Kraft rauben.
Sense of urgency und Veränderungsnotwendigkeit
Über dieses Thema wurde an dieser Stelle bereits geschrieben: Als Allererstes müssen Mitarbeiter/Bürger davon überzeugt sein, dass eine Veränderung überhaupt notwendig ist. Ist beim Einzelnen zu wenig Dringlichkeitsbewusstsein vorhanden, hat er keinen Grund, seine Komfortzone zu verlassen.
Aufgabe des Managements ist es, einen entsprechenden Leidensdruck durch Klarheit aufzubauen, der jedoch nicht in Angst umschlagen darf. Wenn Mitarbeiter keinen spürbaren Handlungsdruck empfinden, muss dieser geschaffen werden. Intellektuelle Aufrufe allein werden wenig bewirken. Wer kein Problem hat, interessiert sich auch nicht für dessen Lösung!
Deshalb gilt hier eine Ausnahme von der Lösungsorientierung: Zuerst muss das Management das Problem verkaufen, bevor es dessen Lösung verkaufen kann. Sobald aussagefähige und belastbare Fakten vorliegen, müssen daraus klare Schlussfolgerungen gezogen werden, ansonsten bleiben diese nur ein Stapel Papier. Ein Schuss Dramatisierung darf und sollte durchaus dabei sein.
Offen und (schonungslos) ehrlich?
Jeder, der sich mit der internen Unternehmenskommunikation auskennt, weiß, wie schwierig es ist, Informationen weiten Mitarbeiterkreisen zugänglich zu machen. Selbst wenn man nur grundsätzliche Informationen weitergibt, behandeln Führungskräfte diese, als gehe es um die Übermittlung von Betriebsgeheimnissen mit der Konsequenz, diese eben nicht an die nächste Ebene weiterzugeben.
Ferner wird man feststellen, dass es – oftmals trotz Trainings – nicht gelingt, alle Führungskräfte dazu zu bewegen, die erhaltenen Informationen eins zu eins gekonnt weiterzugeben. Führungskräfte, die nicht vor ihrer Mannschaft sprechen wollen, sollte man dann entsprechend unterstützen.
Viele Führungskräfte meinen, dass sie verpflichtet sind, allen Mitarbeitern immer sofort, ehrlich und offen alles dazu zu sagen, wie es dem Unternehmen geht. Sie glauben, dass diese Form von (schonungsloser) Ehrlichkeit eine gute Grundlage für eine vertrauensvolle Beziehung ist.
Der Aufbau eines Vertrauensverhältnisses setzt immer voraus, dass das Wohl aller Mitarbeiter an erster Stelle steht und entscheidende Informationen innerhalb eines angemessenen Zeitraums transportiert werden. Aber eben nicht immer alles sofort, wenn Sie zum einen beste Aussichten haben, das Ruder noch herumzureißen, und die Mitarbeiter zum anderen selbst gar keinen Einfluss auf die Situation nehmen können.
Kündigt beispielsweise ein Großkunde Anfang des Jahres seinen Vertrag zum Jahresende, Sie befinden sich aber bereits in fortgeschrittenen Verhandlungen für einen anderen Großauftrag, lohnt es sich, den Ausgang der Verhandlungen noch abzuwarten, bevor Sie in die Krisenkommunikation gehen. Auf diese Art und Weise würden Sie – voraussichtlich unnötig – negative Emotionen bei den Mitarbeitern wecken, die die Leistungsfähigkeit schwächen, und Ängste und Sorgen bei Personen auslösen, die aufgrund ihres Aufgaben-, Einfluss- und Verantwortungsbereichs überhaupt nicht in der Lage wären, die Ursache oder das Kernproblem zu lösen.
Heute weiß man, dass negative Emotionen zu hohem Leistungsabfall und bei den guten Mitarbeitern zu deren Ausscheiden führen. Umso mehr gilt es, durch positive Emotionen, erzeugt durch attraktive Zukunftsbilder, die Mitarbeiter zu binden.
Im Rahmen der gezielten Wahrnehmungssteuerung ist es auch wichtig, dass insbesondere Teilerfolge kommuniziert werden. Es stärkt Menschen emotional, zu wissen, was man alles schon erreicht hat – und nicht immer nur auf den Weg zu sehen, der noch vor einem liegt.
Abgestimmter Kommunikationsfahrplan
Ein zentraler Punkt für alle Veränderungsprozesse ist die Verzahnung zwischen den erforderlichen Projekten und einer breiten internen Kommunikation. In aller Regel ist zu beobachten, dass sich die Projektteams zunächst in ihre Aufgaben verbeißen, ohne an die erforderliche Kommunikation zu denken. Dies hat den Effekt, dass die eigentliche Herausforderung bei den meisten Mitarbeitern längst vergessen ist, wenn man mit den Antworten kommt. Von daher gilt es, eine entsprechende Kommunikationsarchitektur zu schaffen.
Das Management sollte sich immer wieder mit der Kommunikation gegenüber den besorgten Mitarbeitern auseinandersetzen. Ein Kommunikationsfahrplan ist integraler Bestandteil des nötigen Projektmanagements. Es gilt, das neue, attraktive Zukunftsbild immer wieder darzustellen und dafür zu werben.
Dabei bewährt es sich, zwischen kleinen und großen Kommunikationsimpulsen zu trennen: nur eine Kurzinformation, wenn auch nur ein Zwischenbericht ansteht. Wenn es wirklich etwas zu sagen gibt, darf man keine Scheu vor großen Auftritten haben. Die unterschiedlichsten Kanäle müssen sinnvoll bedient und genutzt werden: E-Mails, Kurzbericht in Besprechungen, Informationsblätter für die kleine Kommunikation, Jour fixes, Workshop-Reihen, Großveranstaltungen, Schulungen oder auch der Einsatz interner Multiplikatoren.
Ebenenspezifische und zeitversetzte Kommunikation
Ein ebenenspezifischer Kommunikationsleitfaden für Mitarbeitergespräche ist zu entwickeln. Kurze Abteilungsbesprechungen mit abgestimmten Botschaften müssen regelmäßig stattfinden, auch wenn sich die eine oder andere Führungskraft gerne darum drückt. Die Mitarbeiter sollten über Fragen wie „Wie ist unsere Situation?“, „Was läuft schon gut?“, „Was haben wir vom Weg schon geschafft?“, „Was bedeutet das für uns in der nächsten Zeit?“ und „Wo wollen wir in Zukunft stehen?“ immer wieder motiviert werden.
Oft wird übersehen: Kunden und Lieferanten sind eine andere Zielgruppe und benötigen ganz andere Botschaften, nämlich Botschaften der Stärke.
Didaktische Redundanz der Kommunikation
Als Unternehmensleitung ist man überrascht, wie viel die Mitarbeiter bereits nach zwei Monaten wieder vergessen haben. Redundanz und Penetranz der Botschaften sind hier Erfolgsfaktoren. Daneben gibt es das Phänomen, das positive Botschaften in aller Regel nur mit einer Verzögerung von etwa drei bis vier Wochen die nächste Ebene erreichen. Im Extremfall führt das dazu, dass sich im Führungskreis bereits die positiven Nachrichten und Erfolge mehren, die Mitarbeiter sich jedoch immer noch mit der Krise auseinandersetzen.
Das bedeutet zusammengefasst:
Für die Kommunikation in Krisen gibt es Spielregeln, die jeder Verantwortliche kennen und beherzigen sollte – und das gilt, um die eingangs aufgestellte These aufzugreifen, für die Politiker eines Landes ganz genauso wie in Unternehmen.
Über Michael Wefers
Michael Wefers zeichnet sich durch 25-jährige operative Führungsverantwortung über alle Hierarchieebenen hinweg aus, zuletzt als Vorstand bei Cewe Oldenburg. Seit 2009 ist er selbstständig und berät mittelständische Unternehmen beim Aufbau einer strategischen Führungskräfteentwicklung, insbesondere in unternehmerisch schwierigen Phasen. Überregional erfolgreich ist die Wefers & Coll. Unternehmerberatung zudem in der nachhaltigen Personalberatung und der ganzheitlichen Managementdiagnostik.
Über die Wefers & Coll. Unternehmerberatung GmbH & Co. KG
Die Wefers & Coll. Unternehmerberatung mit Fokus auf Führungsthemen bietet ihren Kunden drei Leistungsbereiche: die Personalberatung, die Managementdiagnostik und die Führungskräfteentwicklung. Mit fast 30 Jahren Erfahrung und besten Kenntnissen des inhabergeführten Mittelstands ist die Wefers & Coll. Unternehmerberatung überregional erfolgreich bei der nachhaltigen Besetzung von Führungs- und Spezialistenfunktionen. Im Bereich der Managementdiagnostik bietet Wefers & Coll. toolgestützte Hilfe bei der Auswahl von Top-Führungskräften, bei der Beförderung und Umbesetzung im Mittelmanagement, bei der Teamentwicklung, bei der Organisationsentwicklung sowie für Vertriebsaudits. In Seminaren, Webinaren und Inhouse-Trainings zur Führungskräfteentwicklung werden Mitarbeiter aller Führungsebenen gezielt auf ihre anstehenden Aufgaben vorbereitet oder individuell vereinbarte Kompetenzen trainiert – praxisnah und nachhaltig. Mehr Informationen unter https://wefersundcoll.de/.