„Reichsbürger“-Szene „Königreich Deutschland“ verboten – Gründer in U-Haft

Anne-Beatrice Clasmann und Marco Krefting, dpa
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Von Anne-Beatrice Clasmann und Marco Krefting, dpa
| 13.05.2025 11:50 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 5 Minuten
Peter Fitzek ist nun auch in Untersuchungshaft. (Archivbild) Foto: Hendrik Schmidt/dpa
Peter Fitzek ist nun auch in Untersuchungshaft. (Archivbild) Foto: Hendrik Schmidt/dpa
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Auch wenn ihre Ideen oft wirr klingen, viele „Reichsbürger“ sind aus Sicht der Sicherheitsbehörden keineswegs harmlos. Vier Männer wurden jetzt festgenommen, ihr Verein verboten.

Nach dem Verbot der „Reichsbürger“-Gruppe „Königreich Deutschland“ sind drei ihrer mutmaßlichen Köpfe in Untersuchungshaft. Der Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof setzte die Haftbefehle gegen sie in Vollzug. Unter ihnen ist Peter Fitzek, ein gelernter Koch, der den Verein nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden 2012 in Wittenberg gegründet hatte. 

Die Bundesanwaltschaft hatte ihn und drei weitere mutmaßliche Rädelsführer der Vereinigung am Morgen festnehmen lassen. Der vierte Beschuldigte soll am Mittwoch in Karlsruhe vorgeführt werden.

Dobrindt verbietet Verein

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte die aktuell größte Gruppierung sogenannter Reichsbürger und Selbstverwalter morgens verboten. Die Gruppierung hat nach eigenen Angaben bundesweit etwa 6.000 Anhänger. Die Sicherheitsbehörden gehen allerdings von lediglich rund 1.000 Anhängern aus.

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) ordnete das Vereinsverbot an. Foto: Michael Kappeler/dpa
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) ordnete das Vereinsverbot an. Foto: Michael Kappeler/dpa

Nach Angaben des Innenministeriums durchsuchten mehr als 800 Einsatzkräfte der Polizei in mehreren Bundesländern ab den frühen Morgenstunden von dem Verein genutzte Gebäude sowie Wohnungen führender Mitglieder. Betroffen von Durchsuchungen und Festnahmen waren Baden-Württemberg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Brandenburg. Auch Beamte der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht waren beteiligt.

Die Razzien erstreckten sich laut Innenministerium auf 15 Objekte. Sichergestellt wurden den Angaben zufolge „weitere Beweismittel für die verfassungsfeindlichen Ziele und Aktivitäten des Vereins“. Unter anderem wurden drei Vereinsimmobilien, zahlreiche Fantasiedokumente, Vereinsunterlagen, Bargeld, Landmaschinen und Fahrzeuge beschlagnahmt.

Durchsucht wurde unter anderem in Gera. Foto: Bodo Schackow/dpa
Durchsucht wurde unter anderem in Gera. Foto: Bodo Schackow/dpa

Vier Festnahmen 

Zwei der vier Festnahmen erfolgten laut einer Sprecherin der Bundesanwaltschaft im Landkreis Mittelsachsen, je eine weitere in den Landkreisen Oder-Spree in Brandenburg und Bad Dürkheim in Rheinland-Pfalz. Zudem habe es bei einem Verdächtigen im Kanton Solothurn in der Schweiz Durchsuchungen gegeben. Auch er soll deutscher Staatsbürger sein.

Die vier Festgenommenen seien 37, 38, 46 und 59 Jahre alt, teilte eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft mit.

Besondere Bedeutung des Falls

Die Ermittlungen laufen den Angaben zufolge wegen einer kriminellen Vereinigung. Die Bundesanwaltschaft ist in solchen Fällen nicht automatisch zuständig. Mit Blick auf die mutmaßlichen Rädelsführer habe die oberste Anklagebehörde in Deutschland die Ermittlungen aber wegen der besonderen Bedeutung an sich gezogen, sagte die Sprecherin. 

Fitzek werden demzufolge auch unerlaubte Einlagen- und Versicherungsgeschäfte vorgeworfen. Ein anderer der Beschuldigten soll ihm bei den Einlagengeschäften geholfen haben. Innenminister Dobrindt sagte: „Es wurden Liegenschaften erworben, Teilorganisationen gegründet, wie eine sogenannte Königliche Reichsbank oder eine sogenannte Deutsche Heilfürsorge, mittels derer Geldmittel beschafft wurden.“

Der Verein habe von seinen Anhängern „ganz erhebliche Vermögenswerte“ erlangt, heißt es im Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2023. (Archivbild) Foto: Hendrik Schmidt/dpa
Der Verein habe von seinen Anhängern „ganz erhebliche Vermögenswerte“ erlangt, heißt es im Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2023. (Archivbild) Foto: Hendrik Schmidt/dpa

Vereinigung schuf einen „Gegenstaat“

„Das Ziel dieser Vereinigung ist es, einen sogenannten Gegenstaat zu gründen und sich von der Bundesrepublik Deutschland abzuspalten“, sagte Dobrindt. Ihren vermeintlichen Herrschaftsanspruch untermauerten die Mitglieder der Vereinigung durch antisemitische Verschwörungserzählungen. Dieses Verhalten könne ein Rechtsstaat nicht dulden. Es handele sich bei den Mitgliedern der Vereinigung keineswegs um „harmlose Nostalgiker“, sondern um kriminelle Strukturen, sagte der Minister.

Das sächsische Innenministerium verwies auf Verstöße der Vereinigung unter anderem gegen Baurecht und Gewerberecht, die von den zuständigen Behörden geahndet worden seien.

Szene besteht aus vielen meist kleinen Gruppen

„Reichsbürger“ erkennen die Bundesrepublik Deutschland nicht als Staat an. Viele von ihnen behaupten, das historische Deutsche Reich bestehe bis heute fort. Sogenannte Reichsbürger lehnen demokratische und rechtsstaatliche Strukturen wie Parlament, Gesetze oder Gerichte ab. Steuern, Sozialabgaben oder Bußgelder wollen sie nicht zahlen.

Die Szene besteht aus vielen, meist kleineren Gruppierungen. Manche „Reichsbürger“ sehen sich als Staatsoberhäupter ihres eigenen kleinen Reiches. Der Verfassungsschutz geht von rund 30 länderübergreifend aktiven Gruppierungen aus.

Im März hatten sich Hunderte Menschen aus der sogenannten Reichsbürgerszene vor dem Schweriner Schloss versammelt. (Archivbild) Foto: Philipp Dulian/dpa
Im März hatten sich Hunderte Menschen aus der sogenannten Reichsbürgerszene vor dem Schweriner Schloss versammelt. (Archivbild) Foto: Philipp Dulian/dpa

Größte „Reichsbürger“-Vereinigung 

Das „Königreich Deutschland“ gilt derzeit als mitgliederstärkste Vereinigung aus dem Spektrum der sogenannten Reichsbürger und Selbstverwalter. Der Verfassungsschutz rechnete der Szene 2023 rund 25.000 Anhänger zu.

Für Schlagzeilen sorgte in den vergangenen Monaten vor allem die „Reichsbürger“-Vereinigung um Heinrich XIII. Prinz Reuß, die einen gewaltsamen Umsturz der Bundesregierung geplant und dabei bewusst Tote in Kauf genommen haben soll. Am Oberlandesgericht Frankfurt wird gegen die Gruppe verhandelt. Parallel dazu laufen Verfahren in München und Stuttgart. 

Es geht auch um Geld

„Wesensprägend für das „Königreich Deutschland“ ist eine dezidierte profitorientierte Ausrichtung“, teilt das Bundesinnenministerium mit. Über Teilorganisationen würden seit Jahren unerlaubte Bank- und Versicherungsgeschäfte betrieben.

Fitzek, gebürtig aus Halle in Sachsen-Anhalt, hatte sich selbst zum Staatsoberhaupt erklärt. Er stand bereits mehrfach vor Gericht und wurde verurteilt. Vorgeworfen wurde ihm unter anderem, ohne Führerschein gefahren zu sein oder illegale Bankgeschäfte getätigt zu haben.

Im März wurde ein Urteil des Amtsgerichts Wittenberg rechtskräftig, das Fitzek wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Beleidigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt hatte. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Fitzek im März 2022 im Dienstgebäude des Landkreises Wittenberg eine Mitarbeiterin bei einer verbalen Auseinandersetzung zunächst gegen eine Wand stieß und ihr einen Fußtritt versetzte.

Laut Generalbundesanwalt bestimmte Fitzek als „Oberster Souverän“ die ideologische Ausrichtung der Gruppierung und erließ eigene „Gesetze“. Zwei weitere Festgenommene bildeten demnach als seine Stellvertreter die oberste Leitungsebene. Der vierte Mann sei für die Finanzen zuständig gewesen. 

Mit dem Verbot geht laut Bundesinnenministerium die Beschlagnahmung des Vermögens sowie die Sperrung der Online-Plattformen des Vereins einher.

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