Außenminister in Kiew Deutschland und Ukraine wollen Rüstungskooperation ankurbeln

Jörg Blank und Andreas Stein, dpa
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Von Jörg Blank und Andreas Stein, dpa
| 30.06.2025 06:48 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
Der deutsche Außenminister Johann Wadephul (CDU) trifft in Kiew seien Amtskollegen Andrij Sybiha. Foto: Jörg Blank/dpa
Der deutsche Außenminister Johann Wadephul (CDU) trifft in Kiew seien Amtskollegen Andrij Sybiha. Foto: Jörg Blank/dpa
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Der deutsche Außenminister bringt Vertreter der Rüstungsindustrie mit in die Ukraine. Berlin und Kiew wollen den russischen Angriffen intensivere Zusammenarbeit entgegenhalten.

Deutschland und die Ukraine wollen angesichts schwerer russischer Angriffe mit Drohnen und Raketen die Zusammenarbeit auf dem Rüstungssektor ankurbeln. „Unsere Rüstungszusammenarbeit ist ein echter Trumpf“, sagte Außenminister Johann Wadephul (CDU) bei einem Treffen mit seinem Kollegen Andrij Sybiha in Kiew. „Sie ist eine logische Fortsetzung unserer Materiallieferungen und wir können sogar beiderseits davon profitieren. Mit eurem Ideenreichtum und euren Erfahrungen werden auch wir besser.“

Wadephul wurde bei seinem ersten Besuch in der Hauptstadt seit Amtsantritt von hochrangigen Vertretern deutscher Rüstungsunternehmen begleitet. Am Rande waren Gespräche zwischen Wirtschaftsvertretern beider Länder und mit ukrainischen Entscheidungsträgern geplant. Die Rüstungsvertreter nahmen zeitweise auch an einem Treffen des Ministers mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj teil. „Ich glaube, das liegt im beiderseitigen Interesse, dass wir hier enger zusammenarbeiten“, sagte Wadephul. 

Selenskyj: Mehr Iris-T-Flugabwehrsysteme von Deutschland

Selenskyj bat Deutschland um die Lieferung weiterer Iris-T-Flugabwehrsysteme. Der Minister hatte sich gleich zu Beginn seines Besuches gemeinsam mit Sybiha eine Iris-T-Flugabwehrstellung zeigen lassen, die nach Angaben des Auswärtigen Amtes eine wichtige Rolle bei der Luftverteidigung Kiews spielt. Deutschland hat der Ukraine mit Stand April sechs dieser Systeme zur Verfügung und weitere zehn in Aussicht gestellt.

Der ukrainische Präsident zeigte sich interessiert an einer Ausweitung der Rüstungskooperation. In den kommenden Tagen könnten bis zu 20 entsprechende neue Partnerschaften abgeschlossen werden. Details nannte Selenskyj nicht.

Der Bundesaußenminister nannte es eine Win-win-Situation, dass deutsche Rüstungsunternehmen teils schon in der Ukraine tätig seien und dass ukrainische Firmen in Deutschland arbeiteten. „Wir lernen davon. Beide Seiten profitieren und zeigen, dass unsere Sicherheit zusammenhängt und wir gleichermaßen davon auch wirtschaftlich profitieren können. Das ist gut so und das wollen wir insgesamt ausbauen“, fügte Wadephul hinzu.

Ukraine: Russland gewinnt an militärischer Erfahrung

Sybiha warnte, die russischen Streitkräfte von heute unterschieden sich von denen des Jahres 2022. „Sie gewinnen an Erfahrung, sie setzen auf dem Schlachtfeld auch neue Technologien“ ein und würden Prototypen testen. Das sei eine Gefahr nicht nur für die Ukraine, sondern für die transatlantische Sicherheit.

Wadephul: Freiheit der Ukraine wichtigste Aufgabe der Außenpolitik

„Die Freiheit und Zukunft der Ukraine ist die wichtigste Aufgabe unserer Außen- und Sicherheitspolitik“, sagte Wadephul. Man werde „felsenfest an der Seite der Ukraine stehen, damit sie sich weiter mit Erfolg verteidigen kann - mit moderner Luftverteidigung und anderen Waffen, mit humanitärer und wirtschaftlicher Hilfe“. Der russische Präsident Wladimir Putin nutze die Fokussierung auf den Mittleren Osten, um seinen völkerrechtswidrigen Krieg fortzusetzen, ergänzte er mit Blick auf den Iran.

Wadephul hatte die Ukraine erstmals am 9. Mai als neuer Außenminister besucht. Damals nahm er an einem informellen Treffen der EU-Außenminister im westukrainischen Lwiw (Lemberg) teil.

Wadephul besichtigt Schäden nach schweren Luftangriffen auf Kiew

Angesichts der jüngsten massiven Luftangriffe Russlands besichtigte Wadephul die verheerenden Schäden einer Attacke mit Drohnen und Raketen vom 17. Juni. Bei einem der schwersten Angriffe auf Kiew in jüngster Zeit wurde ein Teil eines Wohnblocks im Stadtteil Solomjanska komplett zerstört. In dem Haus kamen nach Angaben der ukrainischen Seite 23 Menschen ums Leben, darunter Kinder. Zudem wurden 134 Menschen verletzt.

Die Wohnung einer Mitarbeiterin der deutschen Botschaft in Kiew wurde bei den Raketenangriff am 17. Juni durch die Druckwelle beschädigt. Foto: Jörg Blank/dpa
Die Wohnung einer Mitarbeiterin der deutschen Botschaft in Kiew wurde bei den Raketenangriff am 17. Juni durch die Druckwelle beschädigt. Foto: Jörg Blank/dpa

Betroffen von dem Angriff war auch eine Mitarbeiterin der deutschen Botschaft, die in einer Erdgeschosswohnung direkt gegenüber dem getroffenen Block mit ihrer Familie lebt. Natalia, 53, schilderte dem Minister den Angriff und dessen Folgen. Ihre Wohnung wurde durch die Druckwelle des Raketentreffers beschädigt. Die Frau überlebte die Attacke gemeinsam mit ihrer Tochter in einem Schutzraum. Ihr Mann, der in der Wohnung geblieben war, konnte sich in letzter Minute in Sicherheit bringen - er erlitt leichte Verletzungen.

Ukraine: Höchste Zahl von Angriffen seit Kriegsbeginn

Die ukrainischen Luftstreitkräfte hatten mitgeteilt, dass Russland in der Nacht zum Sonntag mehr als 500 Drohnen, Raketen und Marschflugkörper auf die Ukraine abgefeuert hatte. Die Zahl von insgesamt 537 solcher Angriffe sei die höchste seit Kriegsbeginn, berichteten Medien in der Ukraine. Es gab demnach erneut Verletzte und schwere Schäden auch an ziviler Infrastruktur.

Außenminister Johann Wadephul (CDU) stellt in der Holocaust-Gedenkstätte Babyn Jar eine Kerze ab und legt einen Stein nieder. Foto: Jörg Blank/dpa
Außenminister Johann Wadephul (CDU) stellt in der Holocaust-Gedenkstätte Babyn Jar eine Kerze ab und legt einen Stein nieder. Foto: Jörg Blank/dpa

Gedenken an Holocaust-Opfer

Am Nachmittag gedachte Wadephul in der Gedenkstätte Babyn Jar der Opfer des Massenmordes an der jüdischen Bevölkerung unter der deutschen Besatzung 1941. In der engen Schlucht von Babyn Jar am früheren Stadtrand von Kiew erschossen die Nationalsozialisten am 29./30. September 1941 mehr als 33.000 jüdische Männer, Frauen und Kinder.

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